360 Grad

One More Final Curtain

von
«Gottschalk live» war ein Format, das eigentlich nie hätte auf Sendung gehen dürfen. Ein Kommentar von Julian Miller.

Wenn man gar nicht mehr weiß, was man senden soll, macht man am besten ein paar Menschen glücklich. So oder so ähnlich wird man wohl in der «Gottschalk live»-Redaktion gedacht haben, als die Absetzung endgültig beschlossene Sache war. Als am vergangenen Mittwoch im Humboldt Carré die Lichter ausgingen, konnte man wenigstens behaupten, mit der desaströsen Sendung noch 66 Träume erfüllt zu haben. Es war das Ende des Dahinsiechens einer Show, die so eigentlich nie hätte auf Sendung gehen dürfen.

In der Premierenwoche Ende Januar konnte man das Elend noch nicht in seiner Gänze absehen. Der Vorabend-Wohlfühlmix wirkte als eine kunterbunte Wundertüte aus Interviews, Social Media (was auch immer man damit genau machen wollte) und Boulevard wirr und konzeptlos. Damals konnte man noch hoffen, dass die Sendung vielleicht doch möglichst schnell zu einem angenehmen Rhythmus finden würde. Doch dazu kam es nicht. Mal sprach Gottschalk mit Gale Tufts über die Vorwahlen in den Verenigten Staaten, mal verloste man via Facebook ein paar Preise, mal durften Hans Küng und Rudi Völler, endlich vereint dank Gottschalk, über Gott und den Fußball philosophieren. Fernsehen für alle ein bisschen – und damit Fernsehen für keinen. Die Quoten brachen ein.

Die letzte Hoffnung setzte man dann auf einen Relaunch, bei dem man alles abschaffte, das funktionierte, also das hübsche Studio durch das «Markus-Lanz»-Einheitsset austauschte und die Redaktion in den Keller verfrachtete, ließ dabei aber das große Manko unberührt: Nämlich dass es kein Konzept gab – und erst recht keines, das zu Gottschalk als Entertainer gepasst hätte. Man entschied sich, im zugenagelten Humboldt Carré eine Vorabend-Boulevard-Talk-Show zu produzieren, die bis auf Gottschalk als Interviewer keinerlei Alleinstellungsmerkmal hatte. Das konnte nicht gut gehen. Und tat es auch nicht.

Erwartungsgemäß kam im April dann die Absetzung dieses allabendlichen TV-Desasters, nachdem bis auf WDR-Intendantin Monika Piel kaum jemand in der ARD mehr hinter dem Format stand. Gottschalk ist nicht der Erste, dem das das Genick bricht. 66 Träume sind erfüllt, das Experiment gescheitert, Gottschalk bricht auf zu neuen Ufern (hoffentlich nicht gleichbedeutend mit «Frag doch mal die Maus»). Abhaken, weitermachen! Und diesmal bitte auch überlegen, was man senden will, bevor man on Air geht. Das dürfte nämlich der größte Stolperstein der Vorabendmisere gewesen sein.

Mit 360 Grad schließt sich auch nächsten Freitag wieder der Kreis.

Mehr zum Thema... 360 Grad Gottschalk live
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