Die Kritiker

«Mein eigen Fleisch und Blut»

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Die 40-jährige Franziska ist die erfolgreiche Direktionsassistentin eines Pharmakonzerns. Ihr Erfolgsstreben dient dazu, vor sich selbst zu fliehen. Denn in Franziskas Vergangenheit gibt es eine tragische Episode. Im Alter von 16 Jahren wurde ihr der neugeborene Sohn weggenommen und zur Adoption freigegeben. Franziskas Vater, ein Apotheker und alkoholabhängiger Tyrann, konnte das uneheliche Kind mit seinen Moralvorstellungen und denen der bayerischen Kleinstadt nicht vereinbaren. Franziska hatte bei ihrer ersten Liebe, Thorsten, die Geborgenheit einer intakten Familie gefunden. Der Vater pflanzte mit Erfolg das üble Gerücht einer Vergewaltigung, Franziskas Liebe zerbrach. Nach dem Abitur floh sie nach München.

Nach einem Essen mit einem befreundeten Paar, das begeistert über sein adoptiertes Kind spricht, verlässt sie die Kraft der Verdrängung. Auch die Beziehung zu ihrem Lebensgefährten Robert überlebt den aufbrechenden Konflikt nicht. Franziska kehrt in die Kleinstadt zurück. Der Vater ist inzwischen trocken. Thorsten ist verheiratet und schickt sie wütend fort. Niemand will an die Wegnahme des Jungen erinnert werden. Franziska nimmt eine Auszeit von ihrem Job, auf den sie sich nicht mehr konzentrieren kann, und nimmt die Spur ihres Kindes auf. Sie erfährt, dass ihr Junge Oliver heißt und eine wilde Odyssee durch Heime und mehrere Familien durchlebt hat. Er war und ist ein Rebell mit gehörigem Selbsthass.

Schließlich öffnet ihr in einem verfallenen Hinterhaus in einem Münchner Vorort eine junge Frau die Tür. Sandy ist Olivers Lebensgefährtin und war genau wie er drogenabhängig. Oliver will mit Franziska zunächst nichts zu tun haben. Er ist rückfällig geworden. Franziska kämpft darum, den Jungen kennenzulernen und ihm beistehen zu dürfen.

Darsteller
Veronica Ferres («Die Frau vom Checkpoint Charlie») als Franziska
Kostja Ullmann («Amigo – Bei Ankunft Tod») als Oliver
Thomas Sarbacher («Bella Vita») als Thorsten
August Zirner («Amigo – Bei Ankunft Tod») als Robert
Katharina Müller-Elmau («Vincent will Meer») als Mimi
Herbert Knaup («Erntedank») als Bogdan
Gundi Ellert («Schläfer») als Franziskas Mutter

Kritik
Das, was man landläufig so unter „frauenaffin“ versteht, wird in «Mein eigen Fleisch und Blut» im ersten Akt gebetsmühlenartig abgeklappert. „Irgendwas“ stimmt mit der Heldin mal wieder nicht. Wie Drehbuchautorin Britta Stöckle und Regisseurin Vivian Naefe das hier zeigen? Sie setzen sie nachts bei strömendem Regen aufs Dach und lassen sie heulen. Oder sie geben ihr maßlos überzeichnete Stimmungsschwankungen, die man sie dann durchagieren lässt. Kurzum: Alle Motive werden überreizt, die sonderbare Kameraführung, die allerorten viel zu suggestiv ausfällt, verschärft dieses Übel noch.

Erst mit dem zweiten Akt wird es besser. Unter Anderem, weil Veronica Ferres sich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr völlig vergeblich abmüht und ihre Figur auch in der dramaturgischen Vorlage deutlich vielschichtiger wird. In der dreißigsten Minute verabschiedet man sich zusehends von der allzu plumpen Herumstocherei in dem, was „irgendwie“ mit Franziska nicht stimmt. Dass man ihr endlich ein Ziel gibt und dem Film einen klaren Rahmen setzt, hilft dramaturgisch sehr. Und natürlich, dass man auf eine allzu plumpe Emotionalisierung immer mehr verzichtet.

Hier wirken dann auch Kostja Ullmann und seine Figur wahre Wunder. Für die Geschichte um Olivers Drogenentzug rückt auch der eigentlich tragende Erzählfaden um den Versuch einer Annäherung Franziskas an ihren entfremdeten Sohn immer mehr in den Hintergrund. Sicherlich eine gute Entscheidung, ist erstere Geschichte schließlich deutlich besser erzählt sowie authentischer.

Natürlich gibt es auch noch nach der ersten halben Stunde deutliche Schwächen. Die größte ist wohl, dass am Schluss die alte Romanze der leiblichen Eltern von Oliver wieder aufblüht – eine furchtbar schwachsinnige, weil gänzlich unglaubwürdige Storyline, die den Eindruck perfekt macht, als würde man einen an sich interessanten und auch nicht ganz anspruchslosen Stoff perfide auf Hausfrauenniveau trimmen. Ein Problem, das bekanntermaßen viele Filme haben, in denen Veronica Ferres mitspielt.

Letztlich ist vielleicht Kostja Ullmann der Einzige, der hier wirklich glänzen kann, was auch daran liegen mag, dass seine Figur die spannendste und am besten ausgearbeitete von allen ist. Ferres kann zumindest in weiten Teilen noch das Schlimmste verhindern und sorgt dafür, dass man nicht allzu sehr in die Melodramkiste abrutscht. Trotz der suggestiven Inszenierung von Naefe und des in weiten Teilen doch sehr konstruiert wirkenden Drehbuchs von Stöckle.

Das ZDF zeigt «Mein eigen Fleisch und Blut» am Montag, 23. April 2012, um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/56247
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