Hingeschaut

Wenn die Pfunde purzeln

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Fast drei Stunden lief die Auftaktsendung zur neuesten Staffel auf Sat.1 – konnte die XXL-Sendung überzeugen? Quotenmeter.de hat hingeschaut.

In der modernen Konsumgesellschaft gehört für viele Menschen der Kampf gegen die überschüssigen Pfunde zu den schwersten Herausforderungen des Lebens. Dass man diesen Kampf auch vor Millionen Fernsehzuschauern austragen kann, erkannte ProSieben bereits im Jahr 2009, als der Sender erstmals «The Biggest Loser» zeigte. Aufgrund wenig erfreulicher Quoten wurde das Format jedoch rasch an kabel eins weitergeleitet, wo es am Ende der dritten Staffel fast zweistellige Marktanteile einfahren konnte und für den etwas kleineren Sender einen großen Erfolg bedeutete. Die vierte Staffel, bei der Kickboxerin Christine Theiss ihre Vorgängerin Regina Halmich als Moderatorin ablöst, startete an diesem Sonntag wieder auf einem anderen Sender – in den kommenden Wochen darf das Sat.1-Publikum Kilos purzeln sehen. Doch mit über drei Stunden Laufzeit musste es sich auch auf einige Längen einlassen...

Die durch zahlreiche Live-Übertragungen auf diesem Sender einem breiteren Publikum bekannt gewordene Kickboxerin Theiss kündigte allerdings zunächst einmal an, was ihre Zuschauer hier erwarten dürfen. Natürlich ist es wieder einmal die "härteste Staffel aller Zeiten", wie eigentlich jedes Mal, wenn eine TV-Show mit neuen Folgen zurückkehrt. In zehn Wochen sollen die 24 Kandidaten die Hälfte ihrer insgesamt 3,6 Tonnen Körpergewicht verlieren. Damit ist die Staffel übrigens – man glaubt es kaum – auch die schwerste aller Zeiten. Und da dem Siegerteam 50.000 Euro winken, könnte man noch hinzufügen, dass immerhin der zweithöchste Gewinn aller Zeiten wartet. Man tut es allerdings nicht, sondern beginnt lieber mit der Vorstellung einiger Kandidaten. Dafür lassen sich die Macher sehr viel Zeit, denn man soll ja auch mit den Personen mitfiebern können, die man dort auf der Mattscheibe zu sehen bekommt. Und so ganz nebenbei müssen auch die drei Stunden Sendezeit gefüllt werden. In gewohnter Manier werden Einspieler mit tragischen Lebensgeschichten präsentiert, die durch ein trauriges Geklimper auf dem Piano möglichst rührselig unterlegt werden. Auch die Zeitlupen kommen wieder zum Einsatz, wenn es besonders dramatisch wird oder dies zumindest suggeriert werden soll.

Nachdem das Publikum erfahren hat, dass Kandidat Rene nicht weiß, wie es ist, schlank zu sein, sehen wir 20 korpulente Menschen nebeneinander an einem Steg stehen. Christine Theiss erklärt ihnen, dass sie schon bald im andalusischen Trainingscamp sein würden und eine große Herausforderung auf sie warte. Man merkt ihr dabei deutlich an, dass sie keine gelernte Moderatorin ist, ihr Auftreten wirkt relativ steif, während ihre Sätze bisweilen so klingen, als ob sie gerade die Ansagerin gängiger Navigationsgeräte imitiert. Anschließend stellt sie noch kurz die beiden Personal Coaches vor und verkündet, dass nach der ersten Woche bereits drei Teams ausscheiden. Anschließend werden vier weitere Teilnehmer hinzugeholt und Gruppen zugeordnet - unter ihnen auch Cihan, der schon einmal erfolglos bei dieser Sendung teilnahm und offenbar bereits dem einen oder anderen Kandidaten bekannt ist. Das ist aber auch kein Wunder, bekräftigen diese doch immer wieder, dass ihnen die Teilnahme "alles und auch viel bedeutet".

Nach einer knappen halben Stunde Sendezeit wird der Strand endlich dafür genutzt, die adipösen Objekte der Zuschauerbegierde standesgemäß zu quälen. In der ersten Challenge, deren Sieg gleichbedeutend mit einer Immunität für die erste Entscheidung ist, muss im Sand gebuddelt werden, um die Teilnehmertrikots zu finden. Das schlechteste Team, zu dem dann letztlich auch Cihan gehört, darf hingegen zu Fuß den Gang ins Camp antreten. Einer der Kandidaten verliert dabei fast seine Hose, was die Macher nicht davon abhält, nein, sogar geradezu dazu antreibt, die Kamera draufzuhalten. Ohnehin geizt man in der Auftaktsendung nicht mit nackten Tatsachen, sondern zelebriert sie ab und an geradezu mit Nahaufnahmen – und natürlich Zeitlupen. Gewogen wird allerdings erst am nächsten Morgen erstmals, natürlich mit überwiegend nacktem Oberkörper. Theiss verkündet in diesem Rahmen mit schockierter Miene, allerdings auch mit sichtbarem Stolz, dass man mit 214 Kilogramm auch noch den schwersten Teilnehmer aller Zeiten in petto hat.

Der Höhepunkt der televisionären Inszenierung folgt allerdings erst an Tag 3, wo Teilnehmer Frank bei einem Gang zur Ärztin zu verstehen bekommt, dass er "der Kränkeste von allen" ist. Mit dem Einfühlungsvermögen eines Presslufthammers stellt sie ihm bildlich dar, dass 40 Kapseln und Tabletten gegen das "tödliche Dreieck" seiner Erkrankungen dauerhaft zu schweren gesundheitlichen Schäden führen werden. Das alles bekommt auch Schwester Carmen mit, die dies sichtlich mitnimmt. Hier wittert das Produktionsteam sofort Morgenluft und nutzt diese Situation für? Richtig, dramatische Musik und weitere Zeitlupen. In dieser Szene zeigt sich am deutlichsten, dass die Macher dieses Formats vorrangig an das Erfolgsrezept vieler anderer Help-Shows anknüpfen: Die niederen Instinkte bedienen, tragische Schicksale für die Einschaltquote ausschlachten und dem Zuschauer zeigen, dass es da draußen noch Leute gibt, denen es noch schlechter geht als einem selbst, die noch schwächer, ärmer, dümmer oder in diesem Fall eben dicker und kränker sind.

Nach einer zweiten Challenge und einigen Fitnessübungen lässt man sich die letzte halbe Stunde für das große Finale Zeit. Inzwischen ist eine Kandidatin ausgeschieden, was den automatischen Rauswurf ihrer Teamkollegin bedeutet. Da sich ein weiteres Team durch die Immunisierung bereits das Weiterkommen gesichert hat, müssen nun zwei von zehn Paaren um das Weiterkommen zittern. Und das Wiegen nach insgesamt einer Woche offenbart die größte Stärke dieser Show: Innerhalb von nur sieben Tagen haben alle Kandidaten deutlich abnehmen können, zwischen vier und sechs Prozent Gewichtsverlust zeigt die Waage bei jedem Team an. Und auch wenn man nicht weiß, inwiefern diese Zahlen wirklich authentisch sind und ob nicht an der einen oder anderen Stelle doch einmal etwas nachgeholfen wurde, kann doch konstatiert werden, dass das vermeintliche Hauptziel der Gewichtsreduktion erreicht wird. Dieser Erfolg ist nicht bei allen langfristig, wie bereits die erneute Teilnahme des in der ersten Folge sehr präsenten Cihan zeigt, allerdings schaffen dies Diätprogramme im realen Leben erfahrungsgemäß auch nicht.

Insgesamt ist «The Biggest Loser» gewiss nicht das niederträchtigste Format, das derzeit im deutschen Fernsehen läuft. Anders als bei Sendungen der Kolleginnen Inka Bause, Vera Int-Veen oder Britt Hagedorn verfolgen die Verantwortlichen hier nicht nur das Ziel, dem Publikum möglichst viele Fremdschäm-Momente zu präsentieren und die eigenen Kandidaten komplett der Lächerlichkeit preiszugeben – sie lassen jedoch ebenso wenig sich bietende Gelegenheiten aus. Christine Theiss wirkt als Moderatorin etwas deplatziert, muss sich aber zumindest vor ihrer Vorgängerin nicht verstecken. Mit fast drei Stunden ist die erste Folge eindeutig zu lang ausgefallen, etliche Szenen hätten verkürzt oder komplett herausgestrichen werden können. Unterhalten kann sie dennoch – vor allem aufgrund des leicht überinszenierten, aber dennoch überraschend spannenden Endes. Ab kommendem Wochenende läuft das Format übrigens in einer nur noch 120-minütigen Version.

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