Die Kino-Kritiker

«Intruders»

von
Laufen den Zuschauern in Juan Carlos Fresnadillos neuem Film Schauer über den Rücken?

Das Spiel mit den größten Urängsten der Menschen ist seit Anbeginn der Filmzeit ein klassisches Mittel für Gruselfilme. Die Angst vor dem Dunkeln, vor dem bösen, schwarzen Mann, der nachts im Kleiderschrank oder unterm Bett lauert. Ein Mittel, welches Regisseur Juan Carlos Fresnadillo für «Intruders» auswählte, um dem Publikum mal wieder einen gehörigen Schauer über den Rücken zu jagen. Ganz anders als noch bei seinem letzten Werk «28 Weeks Later» verzichtet der spanische Filmemacher diesmal auf Szenen á la «Hubschrauber zersägt Zombies». Kurz: kein Blut, keine Spannung, kein Grusel. Mehr als eine handvoll zäher schauriger Momente bietet «Intruders» nicht.

Zwei Städte, zwei Familien. Die Kinder Juan und Mia leben zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Ländern, werden aber beide jede Nacht von einem grausigen Albtraum heimgesucht – offenbar will ein übernatürliches Wesen von ihnen Besitz ergreifen.

Als die Geistererscheinungen immer furchterregendere Formen annehmen, beginnen sie das Leben der Familien zu beherrschen. Mias Eltern John und Sue sowie Juans Mutter Luisa fühlen sich der unheimlichen Bedrohung hilflos ausgeliefert … bis sie selbst die Gespenster wahrnehmen – was die ohnmächtige Angst nur noch steigert. Angesichts dieser unerträglichen Spannungen beschließen die Eltern, um ihre Kinder zu kämpfen.

Unerträgliche Spannungen hätte sich auch der Zuschauer dieser Gruselmär gewünscht. Stattdessen aber flacht Fresnadillos Interpretation des «Boogeymans» nach einer ordentlichen und rasanten Einführung zunehmend ab. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Böse so wie hier gleich zu Beginn im vollen Umfang zu sehen ist oder erst später. Vor dem flatterhaften „Schattengesicht“ fürchten sich wohl nur die beiden Kinder im Film.

Gute Voraussetzungen für einen spannenden Gruselschauer waren durchaus vorhanden. Das Thema ist zwar nicht neu, doch noch immer nicht abgenutzt, wie viele andere Genrebeiträge der letzten Jahre deutlich demonstrieren. Die Urängste der Menschen lassen diese weiterhin erstarren – wenn man denn richtig damit umzugehen weiß. Dann sind auch durchaus fesselnde Momente drin. Das alles aber verpufft bei den Intruders in nahezu jeder Szene. Der Einsatz der nervtötenden stetig anschwellenden überdramatischen Geiger zieht sich über den gesamten Film und erstickt damit jeden Schockmoment im Keim – selbst wenn sich der angedeutete Schreck als Finte herausstellt. Und wenn der schwarze Kapuzenmann ohne Gesicht zum gefühlt zehnten Mal im dunklen Schrank der Kinder wartet, ist das nicht mehr Nerven aufreibend, sondern einfach langatmig.

Der Unterton von «Intruders» bleibt über die 100 Minuten grimmig und verschafft somit immerhin etwas Atmosphäre. Die Schauspieler bewegen sich ebenfalls auf äußerst grimmiger Ebene, allen voran Clive Owen. Die Besetzung agiert überraschend blass und vermag in keinem Moment das Mitgefühl des Zuschauers anzusprechen. Somit fehlt eine Identifikationsfigur, die wir begleiten möchten, der wir helfen möchten. Angesichts der albern anmutenden Darstellung des «Hollowface» und der Reaktionen einiger Charaktere bleiben diese wichtigen Bezugspunkte aus.

Die Geschichte in zwei Handlungssträngen nebeneinander verlaufen zu lassen verhilft dem Produkt, nicht in pure Langweile zu verfallen. Allerdings dürfte auch bei dieser Teilung nach nicht allzu langer Zeit klar sein, worauf Fresnadillo hinaus möchte. Genrefreunden dürfte das Ganze wie ein Déjà-Vu vorkommen. Einen Plottwist mit einer neuen Wendung erleben wir nicht, was jedoch auch schier unmöglich, weil noch unglaubwürdiger gewesen wäre.

So dümpelt «Intruders» über anderthalb Stunden in dunklen Bildern vor sich hin, kommt aber niemals zu einem nennenswerten Höhepunkt. Während die beiden Kinder – die 15jährige Ella Purnell als Mia Farrow (ob dieser Rollenname zufällig gewählt wurde…?) und der 8jährige Izán Corchero mit einem bemerkenswerten Kinodebüt als Juan – ihren Job ansehnlich gestalten, hätte man gerade von den erfahreneren Carice van Houten und Clive Owen deutlich mehr erwarten dürfen. Auch Deutschland-Export Daniel Brühl darf als helfender Pastor viel zu wenig von seinem Können zeigen.

Spannung, Grusel und Schrecken sind bei «Intruders» Fehlanzeige. Mehr als eine langatmige Geisterbahnfahrt mit einer recht schaurigen Grundatmosphäre, aber vor allem angestaubten Mitteln und jeder Menge Effekthascherei hat Regisseur Fresnadillo aus der Drehbuchvorlage von Nicolás Casariego und Jaime Marques nicht herausgeholt.

«Intruders» startet am 19. Januar 2012 in zahlreichen Kinos in der Bundesrepublik.

Kurz-URL: qmde.de/54386
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