You Are Cancelled

«Bette»

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Bette Midlers Ausflug ins Fernsehen wurde mit Spannung erwartet und mit Desinteresse beendet. Und zeigt zudem, warum auch die TV-Kritiker mal falsch liegen können.

Man stelle es sich einmal bildlich vor: Während der glamourösen Upfronts-Veranstaltung im Mai gibt es wilden Applaus für eine neue Serie, deren Premiere für den folgenden Herbst angekündigt ist. Der Grund für den Applaus: die Hauptdarstellerin, die sich zum ersten Mal in ihrer Karriere fürs Fernsehen hergibt, und damit den „Abstieg“ eines Hollywoodstars vom Kino zum Fernsehen einleitet. Der Name der Hauptdarstellerin, gleichzeitig auch der Titel der Serie, bewegt die Kritiker und Werbekunden, genügend Zeit und Geld zu geben, damit das Format im Herbst auch der erwartete Erfolg ist. Die Werbekunden zahlen ein, die Kritiker schreiben schwärmende Kritiken – obwohl sie alle nur ein paar Sekunden der neuen Serie während der Upfronts-Veranstaltung sahen, es lustig fanden, und glauben, dass die Hauptdarstellerin alles bringen wird, was das Fernsehen und das Business so hergibt. Und dann kommt der Herbst und die Serienpremiere. Zuschauer und Kritiker schalten ein, realisieren, dass die neue Serie nichts anderes als ein Vehikel für die komödiantischen Talente der Hauptdarstellerin ist, aber sonst gar nichts zu bieten hat. Die Zuschauer und Kritiker sind enttäuscht, fangen an schlecht über die Serie zu reden und zu schreiben. Die Werbekunden ziehen sich zurück. Aber weil es immer noch die Hauptdarstellerin war, musste die Serie irgendwie entlohnt werden.

So geschehen im Mai 2000, als CBS während der Upfronts ihre neue Sitcom «Bette» vorstellten. Die Hauptdarstellerin: Bette Midler, die sich als damals 54-Jährige nicht mehr in Hollywood wiederfinden konnte. Filmangebote waren spärlich vorhanden, dank ihres fortgeschrittenen Alters, und sie selbst fand ihre Lieblingsbeschäftigung auf der Bühne und vor dem Mikrofon. Und sie hatte sogar so viel Spaß, dass eine Pay-TV-Sparte wie HBO endlich bereit war, Midlers unzensierter, ungekürzter und ungestörter Bühnenshow eine Plattform zu geben. Warum also nicht den Schritt ins Fernsehen wagen, wenn der kleine Bildschirm schon damals als letzte Hoffnung für Darsteller galt, die sonst keine Arbeit mehr finden konnten? CBS brachte Midler unter ihre Dächer und wollte eine extra für sie zugeschnittene Sitcom entwickeln. Midler hatte gute Erfahrungen mit CBS: 1993 hatte sie eine Hauptrolle im TV-Musical «Gypsy» und gewann einen Golden Globe. Lange hatte es gedauert, es benötigte mehr als fünf Drehbücher, um ihre zukünftige Serie zu finden, und schlussendlich wurde sie engagiert, um eine überbordende Version ihrer Selbst zu spielen. Und Jedermann war heiß auf die neue Sitcom.

«Bette» fand seine Premiere am 11. Oktober 2000 vor einer TV-Audienz von 15,7 Millionen Zuschauern, was einem Marktanteil von 18 Prozent entsprach. Gut genug für CBS, um auf einen Langzeiterfolg zu hoffen und als hartnäckige Konkurrenz für ABCs «Who Wants To Be A Millionaire?» gesehen zu werden. Doch es gab schon nach der Pilotfolge einige Schwierigkeiten hinter den Kameras. Die Produktion zog von New York nach Los Angeles und machte das Privatleben von zwei seiner Hauptdarsteller etwas schwieriger: Midler und ihre Sitcom-Tochter Lindsay Lohan mussten für die Produktion nach L.A. ziehen. Während Midler den Umzug jedoch akzeptierte (auf Grund der Tatsache, dass die Produktion während der zweiten Staffel wieder nach New York ziehen würde), verzichtete Lohan auf die Rolle in der Sitcom und wurde in der zweiten Episode durch Marina Malota ersetzt. Auf halben Weg in der Staffelproduktion hat auch Midlers Sitcom-Ehemann Kevin Dunn sich für einen Rückzug aus der Serie entschieden. Unglücklich war er mit der Entwicklung seines Charakters, unzufrieden war er als Darsteller neben der großen Bette Midler. Die zehnte Episode war seine letzte, sein Charakter bekam in Episode 16 mit Robert Hays einen neuen Darsteller.

Das kümmerte jedoch keinen mehr, weil «Bette» zu diesem Zeitpunkt schon mit eineinhalb Beinen auf dem TV-Friedhof stand. Während die Sitcom in ihren ersten Wochen noch recht erfolgreich war und regelmäßig ihren Sendeplatz bei der Zielgruppe gewann (ein selten erreichtes Ziel für CBS, welches damals wie heute eher das alte Publikum anzieht), stürzten die Quoten nach und nach ein. Zwei Wochen nach der Premiere gingen fast ein Viertel der jungen Zuschauer verloren, im November erreichte «Bette» nur eine Reichweite von rund sechs Millionen Zuschauern, im Dezember verzichteten mehr als 50 Prozent der Zuschauer auf die Midler-Sitcom, und machten damit klar, dass nicht mal ein Hollywoodstar mit einem tiefen Dekolleté eine TV-Serie retten kann. Dabei hatte CBS noch so viel Hoffnung in «Bette», dass der Sender Ende Oktober mit Stolz eine volle Staffel verkündete. Vier Monate später wurde die Produktion nach der 18. Episode abgebrochen, die Absetzung kam Anfang März, nach Episode 16 – ausgerechnet die Episode, in welcher der neue Darsteller von Bettes Ehemann vorgestellt wurde. Die letzten beiden Episoden blieben bis heute unausgestrahlt.

Natürlich waren die Erwartungen der Kritiker und Zuschauer schuld am schlechten Abschneiden der Serie. Wer hätte schon gedacht, dass ein Star wie Midler sich mit generischen Storylines einer 90er-Jahre-Sitcom auseinandersetzen muss, und dann auch noch das Repertoire ihrer eigenen Bühnenprogramme ins Drehbuch schmeißt? Und warum hat es keiner vorhergesehen, dass Midler als Komödiantin mit einem innovativen Mix aus theatralischer Zurückweisung und authentischer Sentimentalität sowie ihrer gewichtigen Singstimme keine fiktionale Serie am Leben erhalten kann? Manch einer behauptete sogar, dass Midler im Fernsehen fehlbesetzt und auf der Bühne besser aufgehoben sei. Kritiker fanden mit Midlers Darstellung sogar handfeste Beweise, dass selbst ein Darsteller, der sich selbst spielt, im Endprodukt völlig übertrieben wirkt. Das merkte offenbar auch der Star der Serie schnell. Bei David Letterman ließ sie ihren Frust über den Stress, wöchentlich eine Serienepisode von Grund auf auf die Beine zu stellen, freien Lauf: „Ich dachte immer, es wäre ein Stück und ich musste textsicher sein. Heute fühle ich mich nicht so ausgeflippt, aber es ist nur Montag. Am Freitag werde ich wieder ausflippen.“

Das Ergebnis von 16 Episoden «Bette» ist, dass Kritiker nicht immer von Anfang an auf einen sicheren Erfolg setzen sollten. Ein Fehler, der jedoch immer wieder eine Realisierung erfährt, wenn der Herbst ein neues Fernsehjahr an den Start bringt. «Bette» zeigte, wie schnell aus Buzz ein Flop werden kann. «Bette» ist ein Beweis, dass selbst eine Serie auf den Titelseiten der berichtenden Magazine kein garantierter Erfolg bei den Zuschauern ist. «Bette» zeigte damals auch, dass selbst das Fernsehen für alternde Hollywoodstars nicht als letzter Anker gesehen werden sollte. Bette Midler selbst hatte nach dem Serienflop keine unbedingt rosige Karriere vor den Kameras mehr und kehrte auf die Bühne zurück. Ihre Nominierung für einen Golden Globe als beste Hauptdarstellerin in einer Comedyserie sowie einen People's Choice Award als Lieblingsdarstellerin in einer neuen TV-Serie brachten Midler immerhin ein süßes Happy End für die kurze, aber stressige Zeit in einer TV-Produktion.

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