Sonntagsfragen

'«DSDS» vs. «The Voice»? Das ist wie Discounter- gegen Premium-Joghurt'

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Nach dem Start von «The Voice of Germany» kommt nach der aktuellen «X-Factor»-Staffel bald auch Castingshow-Flaggschiff «DSDS» zurück ins Fernsehen. Wir sprachen mit Borris Brandt, der selbst auch viele Jahre Geschäftsführer von Endemol Deutschland war.

John de Mol erfand nicht nur weltweite TV-Erfolge wie «Big Brother», sondern auch «The Voice». Aus der Endemol-Zeit kennen Sie sich. Welchen Einfluss nimmt er als Medienunternehmer heute noch bei der Realisierung seiner Formate?
Es wird nichts On Air gehen, dass John de Mol nicht genau kennt oder gesehen hat. Er wird nicht zulassen, dass in Deutschland wieder das passiert, was zum Beispiel mit «American Idol» passiert ist. Ich bin mir sicher, dass er sein Baby gut beschützt, zumal es ja dieses Jahr in über 20 Ländern stattfinden wird.

Als was für einen Menschen würden Sie John de Mol also beschreiben?
Über John kann man so viel sagen, aber keiner wird sagen, er kümmert sich nicht um seine Formate. Was ich am John am meisten bewundere ist, dass er einen Satz hört und daraus ein ganzes Format macht. Er hat den größten Riecher, was im Fernsehen funktioniert. Er hat viele kreative Leute um sich rum, aber er zieht die Fäden und findet die Essenz.

John de Mol vermarktet mit seiner Firma Talpa das «The Voice»-Format international. In Deutschland ist Schwartzkopff TV exklusiver Produktionspartner – und nicht Endemol Deutschland, was auf den ersten Blick vielleicht naheliegender wäre?
In der damaligen Zeit, als Partner gesucht wurden, war ich sogar noch involviert. Da waren ein paar zur Auswahl, die die Formate exklusiv vertreiben sollten. Damals war die Partnerschaft mit Schwartzkopff TV auch in Verbindung zu Springer dann wohl die attraktivste. Letztlich ist ja gutes Fernsehen keine Zauberei, sondern nur Handwerk und das können unter deutlicher Führung einige…

«The Voice» ist weltweit ein Quoten-Erfolg. Inwieweit sind gute Format-Ideen in andere Länder adaptierbar?
In der heutigen Zeit kann man gute Konzepte, die einmal eingeführt wurden, eins zu eins übernehmen. Es gibt ab und zu noch lokale Gegebenheiten, wie zum Beispiel in der Ukraine, wo Tanzen viel wichtiger ist als Singen. Bei uns ist das andersrum. Aber in der Regel würde ich das Konzept nicht verändern, sodass die Formate auch international funktionieren.

Was bedeutet RTLs Kampfprogrammierung zum «The Voice of Germany»-Auftakt für die Sender?
Es zeigt, dass die Angst haben - aber es schadet «The Voice» nicht, was man an den guten Quoten gesehen hat. Wenn ein Sender sagt, wir wollen eine neue Marke konsequent durchsetzen und konzentriert sich handwerklich darauf, dann wird ein anderer Sender es nicht schaffen, das mit Gegenprogrammierung kaputt zu machen. Das ist wie beim Schach: Wenn ich nur noch anfange dem Gegner den nächsten Schritt schwer zu machen, bin ich ja abhängig und habe keine eigene Strategie mehr. Daher sollte ProSiebenSat.1 langfristig mit dem Format planen.

Wie wichtig ist die Cross-Promotion und Markenpflege für die Formate, das beispielsweise RTL als Parade-Beispiel nicht nur in seinen «Punkt»-News-Sendungen konsequent durchführt?
Cross-Promo ist nicht für das Format, sondern für den Sender wichtig. Denn Wiederholungen helfen Geld zu sparen. Klar treffe ich auch mal andere Zielgruppen, das gehört dazu, aber eigentlich spart jede wiederholte Sendeminute Geld!

ProSieben und Sat.1 teilen sich die Marke «The Voice of Germany» – ähnlich wie zum Start von «X-Factor» bei VOX und RTL. Was steckt hinter dieser Strategie?
Als Sendergruppe muss man sich um mehrere Sender kümmern und somit sollen alle von starken Hits profitieren – gar keine Frage. Das nur auf Sat.1 zu machen ist schwierig, da die aktuell kein Image haben. ProSieben dagegen hat allein schon durch Raab die höchste Musikkompetenz. Ich glaube tatsächlich, dass die Leute heute nicht mehr so sehr auf einen Sender fixiert sind. Wenn ich das Format mag, gucke ich das auch auf dem anderen Sender. Den ganzen Tag zappen wir rum, bei Werbung schalten wir um – daher sind die das gewöhnt. Von außen betrachtet ist diese Cross-Promo und das Teilen dieser sehr teuren Marke mit beiden Sendern sicherlich ganz geschickt.

Zum Abschluss zu einer anderen John de Mol-Idee: Sie als «Big Brother»-Vater in Deutschland und Ex-Endemol-Geschäftsführer kann ich natürlich nicht aus dem Interview entlassen, ohne dass wir noch obligatorisch auf die eher überraschende Quotenentwicklung von «Berlin - Tag & Nacht» eingehen, das mittlerweile auf dem «Big Brother»-Slot gute Quoten einfährt und Endemol unter Druck setzt…
Ja, ich hätte keinen Pfefferling darauf gesetzt, dass das Format wirklich funktioniert. Ich habe die Jugend für nicht so blöd gehalten, dass die sich das anschauen. Darüber bin ich entsetzt. Die gucken das, weil die dort Doof-Köpfe sehen, die sich asozial verhalten – auch eine Motivation zum Einschalten. Die Klientel ist für die Werbeindustrie zwar nicht so wertvoll, aber trotzdem holt RTL II solide Quoten und zahlt dafür wenig Geld. Ich muss zugeben, dass ich unter diesen Voraussetzungen auch kein neues «Big Brother» machen würde. Trotzdem ist «Big Brother» als Marke immer noch ein Leuchtturm-Projekt für RTL II und sie müssen schauen, dass das qualitativ wieder auf die Spur gebracht wird, damit sie auch wieder attraktivere Zielgruppen für die Werbeindustrie erreichen. Die haben das gleiche Thema wie «The Voice»: Sie dürfen die Versuchung nicht eingehen, sich mal eben eine Billig-Quote durch sinkendes Niveau zu erhaschen. Die müssen auf Qualität setzen und das beständig durchziehen. Qualitätsansprüche muss ich bei «Berlin – Tag & Nacht» nicht ansetzen, das ist einfach eine reine Produzenten-Kalkulation: Billige Inhalte und billige Menschen, die für kleines Geld ihr Gesicht in die Kamera halten – und die Kids lachen drüber.

Vielen Dank für das angenehme Gespräch, Borris Brandt.

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