Popcorn & Rollenwechsel

Unwort „Fanboy“

von
Es gibt Wörter, die unser Filmkolumnist einfach nicht mehr lesen möchte. Dies ist eins davon.

Unwörter im großen Bereich der Film-Materie. Es gibt davon so einige, und sehr viele würden wohl „Fortsetzung“, „Remake“ oder „Reboot“ an vorderster Front nennen. Eines meiner persönlichen Unwörter kommt jedoch nicht aus dem Segment der Filmproduktion, sondern aus der Filmrezeption: „Fanboy“!

Es genügt, sich in ein Filmforum zu verirren, und man wird abfällige Wertungen vorfinden. „Was weißt du schon, du blöder Fanboy?“, „Wenn dieser Fanboy 9 von 10 Punkten gibt, heißt dass eigentlich, dass er maximal 5 von 10 verdient hat!“, und so weiter, und so weiter. Wer im Internet etwas mag, wird zwangsläufig zum Fanboy degradiert. Und das lässt mir so langsam die Hutschnur platzen. Was ist denn bitteschön aus dem guten, alten Begriff „Fan“ geworden?

Um vielleicht zur Erläuterung etwas auszuholen: Als mir vor Jahren der Terminus „Fanboy“ erstmals in Film- und Fernsehforen begegnete, galt er noch für besonders unkritische Fans, die einfach alles schlucken. George-Lucas-Fanboys bejubelten einfach jede Änderung an den «Star Wars»-Filmen. Michael-Bay-Fanboys freuten sich schlicht einen Ast ab, wenn in seinen Filmen Helikopter in Zeitlupe vor einem Sonnenuntergang umher flogen, die Story und die Figuren sind für sie redundant. Und Keira-Knightley-Fanboys ignorierten den restlichen Film, solange Knightley gut darin aussieht, ist es ein Kandidat für die Jahres-Bestenliste.

„Fanboy“, das stand ursprünglich analog zum „Fangirl“, und ein „Fangirl“ ist ja eigentlich nichts anderes, als ein „Groupie“ auf Distanz. Groupies campieren vor dem Backstage-Bereich eines Konzertsaals, hoffnungsvoll darauf wartend, von den Boygroup-Mitgliedern mit aufs Hotelzimmer genommen zu werden und dort Körperflüssigkeiten auszutauschen. Das Fangirl wiederum spamt Internetforen mit Herzchensmileys voll, weil ihr Lieblingsschauspieler im neusten Kinotrailer ja supersüß aussieht. Ein Fangirl wirft keine Unterhöschen auf die Bühne, sondern schreit in der Mittagsvorstellung von «High School Musical 3: Senior Year» bei jeder Oben-ohne-Szene von Hauptdarsteller Zac Efron: „Troy! Ich liebe deinen geilen Body!“

Natürlich würden sich die wenigsten Menschen freiwillig selbst als „Fanboy“ oder „Fangirl“ bezeichnen. Doch mittlerweile scheinen mehr und mehr Internetuser zu vergessen, dass es zwischen Gleichgültigkeit und unkritischer Besessenheit auch Zwischenstufen gibt. Und ich wünschte mir, dass dem armen, guten und alten Fan-Sein wieder mehr Respekt geschenkt wird. Denn ein Fan schluckt nicht einfach alles, was das Objekt seines Fanherzens so veranstaltet. Fans sind eigentlich sogar viel schwierigere Medienkonsumenten, als Nichtfans. Fans finden Kontinuitätsfehler, die andere Menschen nie im Leben entdecken würden. Fans sind enttäuscht, wenn das musikalische Leitmotiv einer Figur urplötzlich für eine gänzlich andere Figur „missbraucht“ wird. Doch Fans sind zugleich dankbarer als andere Zuschauer. Sie verzeihen eine maue Dramaturgie, wenn sie im Austausch einige Insider-Gags geliefert bekommen, die nur sie verstehen. Sie schätzen es, wenn beliebte Musikstücke in Fortsetzungen ausgebaut und umarrangiert werden, während Otto-Normalzuschauer sagt: „Also, die Musik war ja 1:1 die gleiche, wie im letzten Teil!“

Aber wie mir scheint, wird dies in Internetforen völlig vergessen. Jeder, der etwas überdurchschnittlich gerne sieht, ist gleich ein blinder Fanboy oder ein notgeiles Fangirl.

Ich zumindest weiß, was ich ab jetzt mache: Wenn mir das nächste Mal in einem Forum nach der Bezeichung „Fan“ eine überflüssige Silbe begegnet, dann krall’ ich sie mir, und hau sie dem User um die Ohren, der sie verbrochen hat. Fankrawalle gibt’s halt nicht bloß beim Fußball.

Kurz-URL: qmde.de/53183
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