Die Kritiker

«Gläubig auf Probe»

von

Handlung


Mit 69 Jahren ist der pensionierte Journalist und Moderator Sven Kuntze noch weit davon entfernt, seine letzten Stunden im Seniorenheim zu fristen. Stattdessen begibt er sich auf Sinnsuche und hinterfragt eines der zentralsten Elemente des menschlichen Daseins: den Glauben an eine höhere Macht, an einen Gott und an ein Jenseits. Um herauszufinden, was es heißt zu glauben, reist er vierzig Tage lang durch Deutschland und verbringt seine Zeit in einem katholischen Kloster, auf den Wegen buddhistischer Waldmönche, mit einem esoterischen Engelsmedium, auf einem Bauernhof für straffällige Jugendliche und mit einer muslimischen Familie während des Ramadans.

Kritik


Seit vielen Jahren findet Religion in den Massenmedien vor allem in negativ besetzten Schlagzeilen statt: Religiös motivierte Attentate, die Abstimmung über ein Minarettverbot in der Schweiz und steigende Zahlen von Kirchenaustritten bestimmen das Meinungsumfeld derjenigen, die mit der Institution Glauben nur am Rande zu tun haben. Der rudimentärste, dabei aber elementarste Bestandteil einer jeden Religion wird dabei oft im Hinterzimmer verscharrt, denn im Vordergrund eines religiösen Menschen stehen keine Gebäude, keine verbrecherischen Individuen und keine Phallusstatistiken – im Vordergrund steht der gemeinschaftlich erlebte Glauben.

Was genau Glauben überhaupt bedeutet, ist schwer zu fassen – und damit bestens geeignet für eine medial inszenierte Auseinandersetzung von und mit dem pensionierten Journalisten und Moderator Sven Kuntze. Der wagt sich nach seinen ausgezeichneten Reportagen «Alt sein auf Probe» und «Gut sein auf Probe» erneut an eine Thematik, die wissenschaftlich zwar zu benennen ist, letztendlich aber eine individuelle Lebenseinstellung und Lebensphilosophie voraussetzt. Theoretisch und philosophisch ist es hochspannend, wenn ein bekennender Atheist wie Kuntze die Gesellschaft über viele tausend Jahre bestimmende Normen hinterfragt und kindlich naiv nach dem Ziel, dem Sinn und Zweck, der Leistung von Glauben forscht.

Das mag bei einem Henryk M. Broder auch funktionieren, der auf Deutschlandsafari die Engstirnigkeit des Volkes entlarvt – weil er sich im richtigen Moment als interessierter Zuhörer beweist und seinen Standpunkt relativiert. Das funktioniert nicht bei einem Sven Kuntze, der sich beim kleinsten Anzeichen von Widerstand in sein Schneckenhaus aus Klischees zurückzieht und mit süffisanten Off-Kommentaren im Ton irgendwo zwischen Peter Lustig und Armin aus der «Sendung mit der Maus» seine Skepsis verteilt. Das liegt nicht an den involvierten Personen, denn von katholischen Mönchen über Franziskaner-Schwestern bis hin zu buddhistischen Waldmönchen und einer muslimischen Familie während des Ramadans gibt es zahlreiche individuelle und spannende Antworten auf die Frage nach der Kraft des Glaubens.

Das Problem ist Kuntze selbst, der sich nicht so recht auf seine Gesprächspartner einlassen will. Inhaltlich enttäuscht die Umsetzung daher auf der ganzen Linie: «Gläubig auf Probe» kann sich nicht recht entscheiden, ob es Satire oder ernstgemeinte Reportage sein will. Vom WDR zwar großspurig als «Hochglanz-Reportage» angekündigt, überkommt den Zuschauer immer wieder das schale Gefühl, dass sich hier ein satirischer Religionstourist seinen persönlichen Instant-Glauben mischen möchte und dann aus Bequemlichkeit, sich auch bloß auf einen einzigen gutgemeinten Ratschlag einzulassen, lieber in omnipräsenten Wortwitz ergießt. Aufgrund der unterschiedlichen Sichtweisen auf die Frage nach dem Glauben ist die Reportage durchaus sehenswert – nur Kuntze sollte seine pubertäre Sinnsuche künftig im privaten Rahmen abhalten oder aber etwas weltoffener agieren.

Der WDR zeigt «Gläubig auf Probe» am Montag, den 31. Oktober 2011, um 22:45 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/52910
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