Popcorn & Rollenwechsel

Kaufmanns Hollywood

von
Charlie Kaufmann, der Meister der intellektuellen, surrealen Tragikomödie, dreht eine Hollywood-Satire mit Nicolas Cage und Kevin Kline.

Charlie Kaufmann bereitet sein möglicherweise spannendstes Projekt vor. Der Drehbuchautor von Filmen wie «Being John Malkovich» und «Vergiss mein nicht!» setzt sich nach «Synecdoche, New York» ein zweites Mal auf den Regiestuhl. Und dieses Mal lässt er sein gewohnt surreales wie tragisches Geschehen auf einer diesem Kolumnisten besonders nahe stehenden Bühne abspielen: der Welt der Online-Filmkritiker.

«Frank or Francis», so der Titel des Films, ist mit Nicolas Cage, Kevin Kline, Jack Black und Steve Carell prominent besetzt, und allein schon die Rollenbeschreibungen lassen mich selig grinsen. Jack Black übernimmt die Hauptrolle des uncharmanten, jedoch extrem intelligenten Internet-Trolls Francis. Dieser hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, gegen den erfolgreichen, wenngleich etwas prätentiösen Filmemacher Frank (Steve Carell) vom Leder zu ziehen. Cage spielt derweil den hoch angesehenen Schauspieler The Emcee. Damit wechselt Cage in der Leinwandwelt Kaufmanns die Seiten, tauscht das glanzlose Hollywoodleben gegen den Glamour vor der Kamera aus: In «Adaption» verkörperte er noch Charlie & Donald Kaufmann, zwei sich als Drehbuchautoren verdingende Brüder mit unterschiedlich hohem Talent.

Ein bisschen scheint sich Charlie Kaufmann (der echte, nicht der von Nicolas Cage gespielte) bei sich selbst inspiriert zu haben. Denn Kevin Kline übernimmt, wie einst Nicolas Cage, eine Doppelrolle. Und eine der beiden Figuren ist ein Rädchen im Getriebe anspruchsloser Hollywood-Unterhaltung: Richard Waller, der Bruder von Jonathan Waller. Dieser ist der Regisseur des erfolgreichsten Films aller Zeiten und möchte seinen Welterfolg mittels elektronischer Wunderwaffen übertrumpfen. Klines zweite Rolle ist nicht etwa die des Jonathan, sondern die des sprechenden Autorenroboters, welches das massentauglichste und zugleich künstlerisch anspruchloseste Drehbuch der Kinogeschichte schreiben soll. Tut mir leid, aber ich glaube, ich war etwas schneller

Das alles war wahrscheinlich nur die Spitze des Eisberges. «Frank or Francis» soll angeblich auch Musical-Einlagen beinhalten und sich gepflegt Filmbloggern, der Hölle der PR-Maschinerie, selbstverliebten Autoren und der egomanischen Subkultur der Academy Awards annehmen. Kurzum: Für jeden, der gerne Kinofilme über das Thema Film ansieht, könnte dies ein kleines Paradies werden. Und auch für das restliche Publikum soll gesorgt sein. Denn es wäre nicht Charlie Kaufmann, wäre das ganze Gezeter über wütende Schreiberlinge aus dem Internet und stocksteife Möchtegernkünstler nicht bloß eine Allegorie. Kaufmann verspricht, dass «Frank or Francis» mittels dieser Themen über die westliche Kultur referieren wird. Genauer gesagt über den sozialen, kulturellen und individuellen Umgang mit Wut, Wettstreit und Isolation.

Wer nun aufschreit, dass das alles so klingt, als sei Kaufmann selbst einer dieser prätentiösen, selbstverliebten Autoren… der scheint keinen seiner Filme zu kennen. Gewiss, sie sind nicht jedermanns Geschmack, und das müssen sie auch keinesfalls sein. Aber Kaufmanns liebevoll-verschrobenen Drehbücher verfügen über eine Selbsterkenntnis, die wirklich beneidenswert ist. Es ist nicht zwingend Selbstironie, aber ein gewisses Schmunzeln über sich selbst. Und «Frank or Francis» klingt in dieser frühen Produktionsphase so, als würde der Humoranteil noch mal stark erhöht. Es könnte der geisige Nachfolger von Arthur Hillers legendärem Flop «Die Hölle Hollywood» werden. Nur intellektueller und mit mehr Respekt. Denn genauso, wie Michel Gondry (Regie bei «Vergiss mein nicht!») sich nicht zu schade für Actionkomödien wie «The Green Hornet» ist, respektiert Kaufmann auch die niedere Unterhaltung. Wie man in seinem Drehbuch «Geständnisse - Confessions of a Dangerous Mind» bemerkt. Und exakt dies braucht jede bissige Parodie: einen Funken Grundrespekt vor seinem Opfer.

«Frank or Francis» will sich also über halb Hollywood und Online-Filmkritiker lustig machen? Tja, Charlie Kaufmann darf das von mir aus gerne. Und wenn er James Cameron zu einem Gastauftritt als Mega-Erfolgsregisseur überreden kann, dann sollten wir uns auf die beste Hollywoodparodie aller Zeiten gefasst machen.

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