Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Wenn Talks einsam machen

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Die ARD-Talker starten mit Zuschauerverlusten in ihre neue Saison. Grund zur Beunruhigung?

Plasbergs, Wills und Maischbergers erste Quoten der Talkshow-Reform sind da – und sie sind größtenteils herausfordernd, um es euphemistisch zu beschreiben. Denn beispielsweise hatte «Menschen bei Maischberger» vergangene Woche die schlechtesten Zahlen seit 2007, «Hart aber fair» ebenso wie «Anne Will» einen unterdurchschnittlichen, einstelligen Marktanteil beim Gesamtpublikum ab drei Jahren. Natürlich ist erst eine Woche vergangen, doch klar ist schon jetzt, dass es jeder auf seinem Sendeplatz richtig schwer haben wird – schwerer als zuvor.

Bei «Anne Will» ist dies unumstritten, hatte die Sendung mit dem «Tatort» das erfolgreichste Fernsehformat im Vorprogramm. Nun sind es, wie bei Maischberger und Beckmann, die «Tagesthemen». Diese sind von der Nachrichtenlage abhängig und an den jeweiligen Wochentagen unterschiedlich stark. Ein starkes Vorprogramm genießt nur noch Günther Jauch, der am Sonntagabend talken wird. Auch bei «hart aber fair» muss man nun neue Wege gehen.

Frank Plasberg konnte in der vergangenen Saison insbesondere auch dann hervorragende Quoten erzielen, wenn er Synergieeffekte mit dem Primetime-Spielfilm nutzte: Der Scientology-Film «Bis nichts mehr geht» veranlasste Plasberg zu einer Diskussionsrunde zu Scientology im Anschluss – und er holte damit eine Rekordquote. Ähnlich war es beim Wedel-Streifen «Gier» und der darauffolgenden Diskussion zum Thema. Auf dieses Zusammenspiel kann Plasberg nun nicht mehr bauen; es sei denn, Das Erste nutzt den Doku-Sendeplatz am Montag um 20.15 Uhr nicht mehr für Naturfilme, sondern beispielsweise für politische Reportagen. Dies aber wäre schade um die hervorragenden Sendungen, die zudem auch meist erfolgreich laufen. Warum also dies ändern, nur um hin und wieder einen Themenabend gestalten zu können?

Nein, «Hart aber fair» muss sich aus eigener Kraft beweisen und steht damit vor einer großen Herausforderung – der größten, nachdem die Talksendung ins Erste verlegt wurde. Denn oftmals dürfte Günther Jauch, der am Sonntag sendet, das brisanteste politische Thema der vergangenen Woche abgraben. Sollte sich also nicht gerade am Montag, dem Sendetag von «Hart aber fair», etwas Außergewöhnliches ereignen, muss Plasberg auf andere – wahrscheinlich weniger politische, sondern eher gesellschaftlich-soziale – Themen zurückgreifen. Dies zeigt auch die Premierensendung nach der Sommerpause, die das Patchwork-Familienkonzept zum Thema machte. Darauf hat sich die Redaktion schon im ganzen Jahr 2011 eingestellt; die meisten Sendungen hatten keine primär politische Diskussion. Plasberg muss den Nerv der Zeit treffen, aber auch das Gespür für kontroverse Themen haben, die vielleicht aus dem Fokus der Öffentlichkeit geraten sind – nur so kann man sich von den anderen Talks absetzen.

Die neuen Talkshow-Sendeplätze und ihre Quoten: Sie zeigen, dass die Redaktionen einen unglaublich schweren Job haben, um Themen nicht nur aufeinander abzustimmen, sondern solche überhaupt erst einmal zu finden, die vielen Zuschauern schmackhaft gemacht werden können. Vielleicht ist damit auch die Zeit der floskelreichen Allerwelts-Talks vorbei – denn Konkurrenz belebt das Geschäft, das in diesem Fall heißt, höchste Qualität auf den Sender zu bringen. Am Ende des Jahres wird es eindeutige Gewinner und Verlierer der Talkshow-Reform geben – inhaltlich und quotentechnisch.

Und was erwarten wir schließlich von Günther Jauch? Dass er zumindest langfristig bessere Reichweiten holt als Anne Will, die im Durchschnitt gut vier Millionen Zuschauer fand. Schafft Jauch nicht signifikant mehr, wäre dies eine mittelschwere Katastrophe. Denn dann hätte dieser ganze Aufwand nicht allzu viel gebracht. Und möglicherweise sogar geschadet, wenn insgesamt weniger Menschen pro Woche die ARD-Talks verfolgen als zuvor.

An dieser Stelle sei an die Kollegen des Online-Meinungsmagazins theeuropean.de verwiesen, bei denen ich meine Meinung in einem Gastkommentar zur Debatte „Die Zukunft im TV“ kundtun durfte. Den Text unter der Überschrift „Der Letzte macht das Licht aus“ finden Sie hier.

Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.

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