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Das Erfolgsgeheimnis von «The Walking Dead»

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Mit der Zombieserie «The Walking Dead» erzielte der US-Sender AMC außergewöhnliche Quoten. Wie ist der überraschende Erfolg einer Serie zu erklären, die sich eigentlich an ein Nischenpublikum richtet?

Im Oktober 2003 wurde die ersten Ausgabe der Comicreihe «The Walking Dead», erdacht von Autor Robert Kirkman und dem später ausgetauschten Zeichner Tony Moore, veröffentlicht und erscheint bis heute mit überwältigendem Erfolg. Rund sechs Jahre nach dem Start begannen sich die Zeichen für eine TV-Adaption zu mehren: Der US-amerikanische Kabelsender AMC bestellte schließlich im Januar 2010 einen Piloten und war so vom Stoff überzeugt, dass kurz darauf insgesamt sechs Episoden geordert wurden ohne dass die Dreharbeiten an der Pilotfolge überhaupt begonnen hatten.

Eine Dramaserie rund um eine Zombie-Apokalype - das war etwas neues und schlug Wellen in der Fantasy-Szene. Zumal der AMC eine einwandfreie Reputation vorzuweisen hatte: Mit «Breaking Bad» und «Mad Men» hat der Sender zwei Serien im Programm, die in den letzten Jahren die großen Preisverleihungen prägten und in ihren vier bzw. drei Staffeln zusammen auf 65 Emmy-Nominierungen kommen und 19 mal sogar gewannen, darunter drei Preise als Beste Dramaserie für «Mad Men». Mit dem hochdekorierten Sender, den Freiräumen des Kabelfernsehens in Sachen Sprache und Gewaltdarstellung und der gepriesenen Vorlage schraubten sich die Erwartungen schon Monate vorher ins Unermessliche.

Und wurden auf Senderseite sicherlich sogar noch übertroffen, als die Quoten der ersten Folge reinkamen: 5,35 Millionen Zuschauer hatten zugesehen und «The Walking Dead» die meistgesehene Pilotepisode des Senders beschert. In der Zielgruppe der 18- bis 49-Jährigen wurden 7 Prozent Marktanteil gemessen - ein Wert, mit dem die Serie des kleinen Senders selbst bei den großen Networks hätte überleben können. Nach dem üblichen geringfügigen Quotenschwund in den ersten regulären Folgen legte die Zombieserie am Ende der kurzen Staffel sogar schon deutlich zu, das Finale wurde in der Zielgruppe mit rund 4 Millionen jungen Zuschauern zur erfolgreichsten Drama-Serienfolge aller Zeiten im Kabelfernsehen. Da war die nächste Staffel längst beschlossen: Bereits nach nur zwei gesendeten Folgen orderte AMC 13 weitere Episoden.

Die Frage, wie «The Walking Dead» so erfolgreich werden konnte, ist gar nicht so simpel zu beantworten, wie es zunächst scheint. Denn eine Serie, die im Vorfeld einen solchen Hype erfährt, kann eigentlich nur enttäuschen und abstürzen. Tatsächlich weist die erste Staffel vor allem in den mittleren Episoden, ab denen die Quoten durchstarteten, einige Schwächen auf: Die Story kommt nicht richtig in Tritt, die Serie bedient sich hemmungslos Klischees, offenbart Schwächen in der Charakterarbeit und darin, einen eigenen Stil zu finden. Viel zu viel Pulver wird im grandiosen Pilotfilm verschossen. Es ist schwer, Stimmen zu finden, die restlos begeistert sind. Oft wird die Qualität der Serie gepriesen, aber zwischen den Zeilen klingt berechtigte Enttäuschung durch.

Wie konnte also diese Serie, die es bislang noch nicht schaffte, die Erwartungen, die sie selbst schürte, ausreichend zu erfüllen, es zum erfolgreichsten Zielgruppendrama im Kabelfernsehen schaffen? Produzentin Gale Anne Hurd erklärt sich den überraschenden Erfolg damit, dass es der Serie gelingt, über die Genre-Fans hinaus Zuschauer anzusprechen, denen an Zombiegeschichten eigentlich nicht viel liegt. Das kann bestenfalls ein Teil der Wahrheit sein, denn eine Serie für das breite Publikum ist «The Walking Dead» trotz allem wahrlich nicht.

Die Serie stellt ihre Welt mit einer visuellen Kompromisslosigkeit dar, wie sie im Programm der großen Broadcaster nicht möglich ist, und sie bedient ein Genre, das im Fernsehen brach lag während es sich im Kino beinahe erschöpfte. Hier gibt es eine Nische, die «The Walking Dead» für sich alleine hat. Zugleich behandelt die Serie ihre Zuschauer ehrlich. Nie wird dramaturgisches Brimborium über den Inhalt gestellt, keine Geheimnisse werden großspurig aufgeworfen und niemals zufriedenstellend geklärt. Dinge, die in den letzten Jahren viele Genre-Serien wie «FlashForward» und aktuell «The Event» schnell zu Fall brachten.

«The Walking Dead» hat nach sechs Folgen eine beachtliche Fangemeinde hinter sich und sein Potential bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Es kann kaum eine bessere Ausgangsbasis für die Zukunft einer Serie geben.

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