Die Kritiker

«Nachtschicht: Das tote Mädchen»

von

Story


Der Killer wollte auf Nummer sicher gehen. Ein Schuss in den Kopf, dann wurde die Leiche mitsamt dem Auto versenkt. Das Opfer: eine Edelprostituierte, bekleidet mit Daunenjacke, Pyjama und Badelatschen. Am Körper der Toten finden sich Filzstift-Markierungen, die darauf hinweisen, dass die junge Frau sich einer Schönheitsoperation unterziehen wollte. Offenbar hat sie die Schönheitsklinik überstürzt verlassen. Von Klinikchef Dr. Prinz erfährt Polizeipsychologin Lisa Brenner, dass die junge Frau namens Olga in Begleitung eines älteren Mannes in der Klinik war, mit dem sie Russisch gesprochen hat. Olga, die aus Sibirien kam, war schon einmal ausgewiesen worden, jedoch mit Hilfe des Schleusers Sebastopol wieder zurück nach Deutschland gekommen. Bei ihrem Begleiter handelte sich um Friedrich Otto Winterstein, den Chef einer namhaften Privatbank, verheiratet mit einer Baronin. Beide werden sofort zu Hauptverdächtigen. Sie sitzen sich in den ungemütlichen Räumen des Kriminaldauerdienstes ihren Hintern platt. Doch auch ein gefeuerter Kundenbetreuer von Wintersteins Privatbank könnte zu einem Mord fähig sein. Und er hatte Kontakt zur Toten. Jetzt bestellt er sich das zweite Callgirl: er lässt jene Marcella, die einst seine Kundin war, mit Dienstkittel den Boden wienern. Normal macht ihr das nichts aus, doch nicht zahlen und dann noch Russisch Roulette spielen wollen – das geht gar nicht…

Darsteller


Armin Rohde («Der Meisterdieb») ist Erichsen
Barbara Auer («Die letzten 30 Jahre») ist Lisa Brenner
Minh-Khai Phan-Thi («Post Mortem») ist Mimi Hu
Pierre Semmler («Das Traumschiff») ist Walter Jülich
Dietmar Bär («Tatort») ist Dicky Mangold
Jürgen Prochnow («Amigo») ist Friedrich Otto Winterstein
Lisa Maria Potthoff («Wolfsfährte») ist Marcella
Sascha Göpel («Ein Fall für Zwei») ist Simon Jacobs
Ioana Jacob («Im Angesicht des Verbrechens») ist Irina Stolpovskaja
Aleksandra Odic («Tatort») ist Olga Lukalenko
Jevgenij Sitochin («Kreutzer kommt») ist Vadim Sebastopol
Jürgen Rißmann («Das Glück kommt unverhofft») ist Bertram Rodekamp
Anna Schudt («Der Mann, der übers Auto sprang») ist Pauline Rodekamp
Kai Wiesinger («Die Jagd nach der heiligen Lanze») ist Dr. Prinz

Kritik


Immer wieder, wenn es Nacht wird, legen die Ermittler des Kriminaldauerdiensts in Hamburg eine Nachtschicht ein. Bis zum Morgengrauen soll der Täter überführt sein. Eine nicht immer leichte Aufgabe, doch macht dieser Umstand den Film so interessant, haben die KDD-Ermittler doch eine zeitliche Vorgabe von nur 12 Stunden. Es ist bereits die achte «Nachtschicht», die für Achim Rhode & Co. beginnt. Wie immer stammt das Buch zum Film von Lars Becker, der auch Regie führt. Die Nacht über verbringen die Ermittler auch tatsächlich fast nur in der KDD-Einsatzzentrale. Dort werden Verhöre geführt. Die Dialoge dort können sich sehen lassen. Nur das sparsame Licht erhellt den Raum, es entwickelt sich so zwar wenig Action im gesamten Film, doch sind es vor allem die Gespräche zwischen den Charakteren, allen voran eben in den Verhören, die den Film aufleben lassen. Lars Becker hat hierauf den Fokus gelegt und fährt damit ganz gut, zumal manche Aussagen doch schon sehr tief blicken lassen. Diese Tiefgründigkeit in den Dialogen macht einen guten Eindruck.

Die Ermittlungen beginnen aber letztlich noch bei Tageslicht und enden auch in den frühestens Morgenstunden, wo die Sonne wieder aufgeht. Doch von der eigentlichen Nacht bekommt der Zuschauer nur wenig zu sehen, vielmehr muten die späten Abend- und frühen Morgenstunden im Film so an, als seien sie am helllichten Tag gedreht worden. Obwohl Darsteller und Filmcrew also tatsächlich ein paar Nachtschichten eingelegt haben, lässt sich nicht genau sagen. Es kommt jedenfalls nicht immer so rüber. Das tut der Geschichte im Drehbuch von Lars Becker, der selbiges auch noch inszenieren wollte, keinen Abbruch. Der brutale Mord an einer Edelprostituierten sowie ein exklusiver Kunde, ein ehemaliger Bankangestellter, liefern die ersten packenden Szenen. Erst im Verlauf wird klar, dass der Regisseur hier eine falsche Fährte gelegt hat, denn obwohl er das Callgirl den Boden wienern lässt und mit ihr Russisch Roulette spielt, entwickelt sich die Geschichte doch in eine ganz andere Richtung.

Denn die Spannung hält man konstant auf einem guten Level. Nach und nach werden dem Publikum ein paar Häppchen zur Rätsels Lösung im Kriminalfall geliefert, doch zum eigentlichen Showdown kommt es erst ganz am Ende. Obwohl man doch recht früh erkennen kann, wer der eigentliche Täter ist, hat man zum Schluss noch eine interessante Wendung eingebaut, die die Szenerie nochmal komplett auf den Kopf stellt. Die Story der ermordeten Prostituierten und die Rolle eines hochrangigen Bankers als Freier im großen Stil lässt zwei Themenschwerpunkt erzählen. So kommt sowohl eine Perspektive der Prostituierten, ihrer Arbeit, ihrer Existenz-Angst, aber auch ihrer Romantik zur Geltung. Das „Milieu“ wird aber auch von einer zweiten Seite betrachtet, nämlich der, der skrupellosen Freier. Und ein stückweit bekommt auch das wohlhabende Bankertum sein Fett weg. Denn je, die sich alles leisten können und alles kaufen wollen, die ganz hohen Tiere unserer Gesellschaft, werden von den KDD-Ermittlern im Verhörraum auf einen Ebene zurück geholt, die für sie befremdlich wirkt. Umso mehr bleibt der Kontrast haften, wenn der hochrangige Banker in der KDD-Zentrale neben Kleinkriminellen in der Zelle sitzt. Dies ist zugleich mit dem Mut der Beamten zu honorieren, die hier auch vor großen Tieren nicht Halt machen, obwohl deren Beziehungen in die oberen Polizeietage Karrieren beenden könnten.

Es ist zweifellos ein großer Pluspunkt, dass «Nachtschicht: Das tote Mädchen» seine Geschichte aus mehreren Perspektiven erzählt und lange Zeit auf den eigentlich Showdown hinarbeitet. Tiefgründig werden Themen behandelt, was auch erforderlich ist. Denn nur durch die vielsagenden Blicke der Charaktere, ihre engen Beziehungsgeflechte und viele markante Sprüche sowie interessante Dialoge halten den Zuschauer letztlich am Ball. «Nachtschicht» glänzt also vielmehr mit Anspruch und Tiefe als mit actionreichen Szenen und einem besonders neuwertigen Mordfall. Man setzt also mehr auf Dramaturgie als auch hausgemachte Spannung, doch langweilig wird der Film trotzdem zu keinem Zeitpunkt. Aufgelockert wird der Kriminalfall durch zwischenzeitliche Sprüche wie „Ich bin Frauenbeauftragter bei uns im Viertel“ (Zuhälter „Dicky“, Dietmar Bär). Doch bedient Regisseur und Autor Lars Becker mit seiner «Nachtschicht: Das tote Mädchen» vielleicht zu viele Genre-Typen auf einmal, während sein Film hauptsächlich im tristen Verhörzimmer spielt.

Den Film «Nachtschicht: Das tote Mädchen» zeigt ZDFneo am Donnerstag, 18. November um 20.15 Uhr, in Erstausstrahlung.
Er wird zusätzlich im ZDF am Montag, 22. November um 20.15 Uhr, als Fernsehfilm der Woche ausgestrahlt.

Kurz-URL: qmde.de/45860
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