Statistisch gesehen

Quoten und Kritiker

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Von Kritikern wird «X Factor» gelobt. Führte der gute Ruf zum Erfolg oder zehrt die Sendung bloß noch vom tollen Start und verliert ihr Publikum?

Statistisch gesehen gibt es in Deutschland genauso viele TV-Kritiker wie Fußball-Bundestrainer: gut 81 Millionen. Wenn jeder Zuschauer ein Kritiker ist, ist dann auch jeder Kritiker ein Zuschauer?

Vom Start weg hat es die deutsche Adaption der britischen Erfolgsshow «X Factor» auf VOX zum Kritikerliebling unter den deutschen Castingsshows gebracht. Endlich stand mal wieder das wahre Talent im Vordergrund statt nur nach schrägen Typen mit traurigen Familiengeschichten zu casten wie bei «Deutschland sucht den Superstar» oder die Jury in gottgleicher Richterpose über einem Feld immer neuen Psychospielchen ausgesetzter Kandidatinnen zu präsentieren wie bei ProSiebens «Popstars».

«X Factor» steht bei vielen Fans für eine Neudefinition und Rückbesinnung des deutschen Castingfernsehens. Ein Genre, das oft verschrien und per se verdammt wurde als Unterschichten-TV und an seinem schlechten Ruf auch wahrlich nicht unschuldig ist. Dass «X Factor» auch aus Quotensicht nach dem Finale in der kommenden Woche als Erfolg gewertet werden kann, steht bereits fest. Nicht eine einzige Folge fiel in der Zielgruppe bislang unter den Senderschnitt. Aber ist «X Factor» wirklich die Zukunft des Gesangscastings oder doch nur ein Nischenprogramm für das etwas anspruchsvollere Publikum?

Und vor allem: Ist Kritikerlob auf Zuschauerwahrnehmung umzumünzen? War der Durchschnittszuschauer ähnlich begeistert oder reichte irgendwann doch wieder das samstägliche Kuriositätenkabinett auf dem großen Bruder RTL zur Befriedigung der Casting-Lust? Sieht man sich den Quotenverlauf von «X-Factor» über die erste Staffel an, so ist schon festzustellen: Wie ein von Mundpropaganda in luftige Höhen getragenes Format schaut das nicht aus.

Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass «X Factor» kontinuierlich Marktanteile über die erste Staffel hinweg abgeben musste und zuletzt gar nicht mehr so deutlich über dem Sollwert lief wie man es sich bei VOX vielleicht gewünscht hat. Bei der «Deutschland sucht den Superstar»-Staffel im Frühjahr und der aktuellen «Popstars»-Runde sieht das anders aus: Ein Sinkflug ist nicht auszumachen. Zugegeben: Hier wussten die Zuschauer natürlich von vornherein, auf was sie sich einlassen.

Vor allem fällt aber auf: Castingshows boomen immer noch. Keines der drei abgebildeten Formate hat in diesem Jahr auch nur eine einzige Folge unterhalb des Senderschnitts platziert. Und der Markt hat ja mit «Germany's Next Topmodel» und «Das Supertalent» noch einiges mehr zu werten, wobei die exorbitanten Quoten von letzterem allerdings die obige Grafik gesprengt hätten. Lediglich den kläglichen Versuch von Sat.1, Deutschlands besten Koch zu casten, darf man in diese Rechnung nicht mit aufnehmen.

«X Factor» wird im nächsten Jahr zurückkehren und dann wird sich zeigen, wieviel das Format langfristig wert ist, das in diesem Jahr sicherlich auch ein wenig von «Unser Star für Oslo» hat profitieren können, in dem Stefan Raab bereits im Frühjahr vormachte, dass Casting mit Anspruch und ohne Erniedrigung der Kandidaten funktioniert - sowohl was künstlerischen als auch Erfolg beim Publikum betrifft. Vielleicht sollte sich VOX schon mal nach einem intellektuellen Model-Casting umschauen. Denn wie man Models castet ohne auf die bloßen Äußerlichkeiten zu achten, auch das wird Stefan Raab uns in Kürze zeigen.

Oft steckt mehr hinter den Zahlen des TV-Geschäfts als man auf den ersten Blick sieht. Oder weniger. Statistisch gesehen nimmt sie unter die Lupe.

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