Hingeschaut

ARD-Themenwoche: Beckmannsche Aufklärung

von
Reinhold Beckmann klärte am Montagabend zum Thema Essen auf.

Zu einem gepflegten Fernsehabend gehört auch hin und wieder eine Tüte Chips, ein Butterbrot mit Schinken oder auch eine Gemüsepfanne aus dem Tiefkühlregal. Aber fast niemand weiß, was er da genau auf dem Teller hat und isst: Ob Geschmacksverstärker, Konservierungsstoffe, E-Nummern und Glutamate – wir alle kennen die ominösen Bezeichnungen für das, was unser tägliches Essen heutzutage beinhaltet. Doch was bedeuten diese wirklich? Seit Samstag präsentiert die ARD eine Themenwoche unter dem Banner „Essen ist Leben“. Am Montagabend moderierte Reinhold Beckmann zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr im Ersten eine Spezialsendung, die mehrere Probleme des Lebensmittelsystems ansprach.

In einem großen Studio und vor Publikum begrüßte der ARD-Moderator zunächst Fernsehkoch Tim Mälzer, der die gesamte Sendung begleitete und hauptsächlich als Experte an Beckmanns Seite auftrat. Als erstes Thema wurde der legale Etikettenschwindel angesprochen, in dem der foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode über die dubiosen Methoden der Nahrungshersteller aufklärte. Es wurde beantwortet, was alltägliche Lebensmittel-Begriffe wie Hefeextrakt bedeuten (nämlich eine versteckte Bezeichnung für Glutamat, also Geschmacksverstärker) oder welche Inhaltsstoffe eigentlich das sogenannte Formfleisch hat. Selbst vor den als Gourmet-Produkte angepriesenen Dosensuppen von Fernsehkoch Alfons Schuhbeck machte die Kritik nicht halt. Dieses Etikettenschwindel-Segment wurde in fast identischer Form allerdings schon in diversen Magazinen (beispielsweise «Markus Lanz») behandelt, sodass man sich hier alter Methoden bediente. Dennoch: Je mehr Zuschauer über die Problematik aufgeklärt werden, desto besser – in dieser Hinsicht ist diese erneute Thematisierung zur besten Sendezeit also löblich und wichtig.

Irreführende Produkte sind ein großes Problem für die Verbraucher. Dass die im Studio anwesende Bundesernährungsministerin Ilse Aigner aber von einem seichten Talker wie Reinhold Beckmann symbolisch an den Pranger gestellt wird, wäre zu viel der Erwartungen gewesen. Dies übernahm der foodwatch-Experte, der von der Ministerin mehrmals Gesetzesänderungen forderte. Seine Argumentationskette vermittelte er dabei entwaffnend plausibel: Weil Aigner im kommenden Jahr eine Internetseite startet, auf der Verbraucher irreführende Produkte und Verpackungen anprangern können, gesteht sie den legalen Etikettenschwindel indirekt selbst ein. Tut sie dies, müsste sie aber dessen Ursache bekämpfen und die schwammigen Kennzeichnungs-Gesetze ändern. Dieses Fazit ist für den Verbraucher und Zuschauer interessant, aber ernüchternd – denn er kann weiterhin nichts gegen die Irreführung tun, solange Gesetze wie jene der Lebensmittelampel oder der transparenten Kennzeichnung abgelehnt werden.

Im nächsten Block thematisierte Beckmann die Massentierhaltung. Nach dem Buch „Tiere essen“ von Jonathan Safran Foer, das über die Methoden der Massentierhaltung und –schlachtung in unserer heutigen Gesellschaft aufklärt, ist dieses Thema zuletzt wieder kontrovers diskutiert worden. ARD-Reporter Tobi Schlegl besuchte in einem Einspielfilm einen Schlachthof und versuchte über die Methoden der oft als nicht artgerechten Haltung und Tötung der Tiere zu informieren. Leider kam dabei nicht mehr als ein wenig aussagekräftiges Interview mit einem Verantwortlichen heraus, der die gängigen Vorwürfe abstritt, mit denen er konfrontiert wurde. Schlegl wirkte hier wie ein hilfloser Boulevard-Reporter, der mit provokanten Fragen strittige Aussagen entlocken wollte. Aber auch hier der Aufruf zu mehr Aufmerksamkeit und Eigeninitiative: Genau hinschauen, was man isst. Schlegl betonte zudem, dass das Unternehmen Tönnies Führungen durch die eigenen Fabriken anbiete und man sich selbst ein Bild von der Haltung und Schlachtung der Tiere machen könne. Dieses sehr sensible und kontroverse Thema der Massentierhaltung wurde allerdings insgesamt zu schnell, zu brav und zu gehetzt abgehandelt.

Schließlich wurde darüber informiert, wie der Verbraucher besser und bewusster essen kann: Dazu lud Beckmann «Tatort»-Kommissar Andreas Hoppe ein, der sich im Selbstversuch ein Jahr lang nur von regionalen und saisonalen Lebensmitteln ernährte. Seine Erfahrungen schilderte der Schauspieler im Talk und bewies damit, dass es sich besser essen, damit besser leben lässt, wenn nur etwas mehr Zeit und Geld in die eigene Nahrung investiert wird. Hoppe fungierte also als Vorbild für den Zuschauer – sein Fazit: Auch nach dem ein Jahr lang gemachten Experiment werde er seine neu gewonnene Essensweise mit Bio- und Regionalprodukten beibehalten.

Insgesamt informierte das «Beckmann Spezial» mit einem souveränen Moderator kurzweilig und informativ über die diversen Probleme, mit denen sich der Verbraucher beim Thema Lebensmittel und Essen konfrontiert sieht. Schade daher, dass diesem wichtigen Programm innerhalb der ARD-Themenwoche nur eine Stunde Sendezeit zugesprochen wurde. Eine doppelt so lange Dauer hätte die Möglichkeit gegeben, die viel zu schnell und oberflächlich abgehandelten Themen Massentierhaltung sowie bewusste Ernährung intensiver zu beleuchten. Lediglich das Etikettenschwindel-Problem wurde ausführlich sowohl im Praxistest als auch im Talk besprochen. Allein aber die Aufklärung darüber, wie die Industrie uns ihre Produkte schmackhaft macht, wie man sich mit regionalen Produkten besser ernähren kann und inwiefern die Regierung transparente Verpackungskennzeichnungen verhindert, lässt einige Zuschauer beim nächsten Supermarktbesuch sicherlich aufmerksamer darüber nachdenken, welche sogenannten „Nahrungsmittel“ in den Einkaufswagen kommen. Für diese mutige Aufklärung gebührt der ARD ein wirklich großes Lob.

Die ARD informiert bis einschließlich Freitag in diversen Sendungen innerhalb der Themenwoche „Essen ist Leben“ bis einschließlich Freitag im Ersten, den dritten Programmen sowie im Radio. Eine Programmübersicht gibt es auf der Internetseite themenwoche.ard.de

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