Sonntagsfragen

Petra Bodenbach: 'Thema Schule im deutschen Fernsehen unterrepräsentiert'

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Zum Start der neuen täglichen Sat.1-Serie «Hand aufs Herz» mit Vanessa Jung (Foto) sprachen wir mit Producerin Petra Bodenbach. Sie erzählt, wie die Idee entstand und warum man in einer ehemaligen Kaserne dreht.

Frau Bodenbach, augenzwinkernd gefragt: Sie haben «Wege zum Glück» gemacht, dann «Anna und die Liebe» und jetzt «Hand aufs Herz»: Sehen Sie sich als Deutschlands Telenovela-Mutter?
Nein, das waren ja alles sehr unterschiedliche Formate. «Hand aufs Herz» wird jetzt eine ganz neue und andere Serie. Wir gehen darin neue Wege, nutzen neue Elemente. Ich denke nicht, dass ich eine Telenovela-Mutter bin, aber durchaus ein großer Serienfan.

Welche Serien mögen Sie denn?
Ganz unterschiedliche: Ich gucke «Grey’s Anatomy» von Beginn an und liebe die starken Emotionen, die die Macher wecken. Ich finde auch «Fringe» zur Zeit hervorragend und kann mich für britische Serien begeistern. «Skins» ist einer meiner Lieblinge, auch wenn es in England immer nur sehr wenige Folgen pro Staffel gibt.

Eine sehr mutige Serie, die so in Deutschland wohl nie funktionieren würde…
«Skins» macht ja alle Erwachsenen zu Antagonisten – zumindest haben sie alle Züge davon. Dass man so etwas in der Primetime ausstrahlt, ist in der Tat sehr mutig.

Sie haben «Anna und die Liebe» im Sommer 2009 verlassen – was haben Sie danach alles gemacht?
Ich habe sofort mit «Hand aufs Herz» weitergemacht. Im August 2009 haben wir erste Überlegungen zur neuen Daily angestellt, erste Konzeptionen entworfen. Ich wollte schon immer eine Serie rund um eine Schule machen, weil das ein sehr relevantes Thema ist. Zudem ist das Thema im deutschen Fernsehen auch unterrepräsentiert. Dabei lassen sich dort aktuelle und gesellschaftliche Probleme sehr gut erzählen. Wir werden ganz breite Geschichten erzählen, die auch Sorgen innerhalb von Familien behandeln. Außerdem glaube ich, dass Schule ein Ort ist, der auch mit einer gewissen Sehnsucht verbunden ist.

Inwiefern?
Jeder erinnert sich doch gern an seine Schulzeit zurück – das war eine Zeit, in der noch alles möglich war. Man hatte große Pläne. Ein Stück weit ist das auch ein Lebensabschnitt, in dem noch alles einfach und aufregend war. Daraus ein Setting zu schaffen, ist eine wunderbare Sache, aber eben auch kein einfaches Unterfangen, wie wir sehr bald festgestellt haben.

Immerhin laufen in einer normalen Schule sehr viele Schüler `rum…
Wir haben recht viele Komparsen. Wir haben damals mit der Überlegung begonnen, wie wir die Schulwelt abbilden und sind bald zu dem Entschluss gekommen, dass wir unsere Sets kaum in ein normales Studio bauen können. Wir haben uns daher entschieden, in diesem Punkt etwas Neues zu probieren und on Location zu drehen. Jeder hierzulande weiß wie Schulen aussehen – das ist nicht wie in einer Werbeagentur oder in einer Manufaktur. Wir haben also unsere Sets nicht in eine große Halle, sondern in ein echtes Gebäude hineingebaut und haben jetzt nicht nur ein sehr realistisches Feeling, sondern auch 360 Grad-Sets, die großen Spielraum für Schauspieler und Regisseure bieten.

Kann man denn sagen, dass «Hand aufs Herz» ein jüngeres Publikum anspricht als beispielsweise «Anna und die Liebe»?
Nein, denke ich nicht. Das ist das tolle an einem Schulsetting – wir wollen unsere Geschichten ganz breit aufstellen und alle Altersgruppen bedienen. Wir haben sowohl bei den Schülern, als auch bei den Lehrern und Eltern eine sehr breite Storydichte. Die Lehrer sind alle um die 30, ähnlich wie die Eltern. Und natürlich haben die Lehrer in der Serie andere Konflikte zu bewältigen als beispielsweise die Schüler.

Es gibt da eine schöne Geschichte rund um Alkoholabhängigkeit, die für dies ein gutes Beispiel ist…
Mir gefällt zum Beispiel auch die Geschichte rund um die Teenie-Schwangerschaft sehr gut. Wir haben diese ganz anders aufgerollt. Miri und Piet wurden sehr jung Eltern, sind jetzt knapp über 30 und haben eine Tochter im Teenie-Alter. Sie fragen, was sie in ihrem Leben dadurch verpasst haben und was noch auf sie zukommen kann. Ich glaube, dass das zum Beispiel ein Thema ist, das in einer Schulserie überaus relevant ist – eine sehr frühe Schwangerschaft und all das, was danach passiert.

Vor dem Beginn von «Eine wie keine» sagte uns Producer Jonas Baur durchaus bewusst ein unterschiedliches Feeling als bei «Anna und die Liebe» aufgebaut zu haben. War das auch Ihr Ziel?
Nein, das war es grundsätzlich nicht. Was wir wollten: Eine tägliche Serie, die andere Geschichten und ein anderes Grundthema erzählt. Wir erzählen starke Alltagsprobleme – und zwar auf recht emotionale Art und Weise. Als wir uns dann entschieden haben, die Serie on Location zu drehen, war es natürlich klar, dass wir einen anderen Look bekommen werden als «Anna und die Liebe». Genau das war für uns aber auch eine spannende Erfahrung: Wie bekommt man eine solche Serie im industriellen Seriengeschäft on Location hin?

Welche Lehren konnten Sie aus dem Vorgänger «Eine wie keine» ziehen, der ja die gesamte Laufzeit über nicht die gewünschten Quoten erreichte?
Das ist schwierig. Ich nehme ungern Vorgänger als Vorbild um mir dann Gedanken zu machen, was ich anders machen würde. Man steckt ja in so einer Produktion nie drin. Zuzuschauen und zu gucken, was dort nicht klappt, das wäre kein richtiger Ansatz. Ich verlasse mich auf den eigenen Erfahrungsschatz.

Aber dennoch: «Eine wie keine» hatte bei den Zuschauern unter – sagen wir 35 – doch größere Probleme. Darauf müssen Sie doch eingestellt sein – kommt Ihnen da das Schulsetting ganz recht?
Ich glaube schon, dass jüngere Altersschichten vom Schulsetting ganz besonders angesprochen werden. Dennoch wollen wir eine breite Masse ansprechen und bieten daher eine breite Themenvielfalt. «Hand aufs Herz» wird auch für die Zuschauer über 35 Identifikationsfiguren bieten.

Ist es denn Zufall, dass Sie zwei Darsteller aus «Verbotene Liebe» dabei haben?
Ja, das ist Zufall. Vanessa Jung und Andreas Jancke waren für die jeweiligen Rollen die allerbeste Wahl, haben uns im Casting sofort überzeugt. Genauso haben wir uns die Rollen der Bea Vogel und Michael Heisig vorgestellt. Wir hatten ein fast schon irrsinniges Casting, haben uns etliche Schauspieler angeschaut. Vor allem bei den jungen Rollen haben wir sehr, sehr lange gesucht.

Wie würden Sie «Hand aufs Herz» selbst nennen? Tägliche Serie, Daily Soap, Telenovela?
Das ist eine tägliche Serie mit verschiedenen Elementen aus einer Telenovela. Wir erzählen eine große romantische Geschichte zwischen Bea und einem Schüler – also eigentlich eine verbotene Liebe. Aber auch ein Kollege von Bea mischt da mit, es ist letztlich die Story einer Frau zwischen zwei Männern. Bei anderen Storys orientieren wir uns an den Strukturen der täglichen Serie. Wir werden zum Beispiel keine so zentrale Figur haben, wie die Zuschauer es aus einer Telenovela kennen. Ich glaube sowieso, dass sich da inzwischen vieles vermischt hat. Wenn ich nachmittags Serien einschalte, dann sind verschiedene Telenovelas inzwischen eher eine tägliche Serie.

Das heißt also auch, dass Ihre Hauptdarstellerin nicht das Drehpensum hat wie beispielsweise Jeanette Biedermann in «Anna und die Liebe».
Richtig – wir wollen mehr Abwechslung und sind auch breiter aufgestellt.

Wie sieht es mit dem großen Happy End-Versprechen aus und dementsprechend auch mit dem Magic Moment zu Beginn?
Das gibt es nicht. Wir haben zwar anfangs schon einige besondere Momente, lassen das Ende aber komplett offen. Wir werden auch nicht den klassischen Ein-Jahres-Bogen erzählen, an dessen Finale dann eine Hochzeit steht. Auch hier bei uns gibt es immer wieder Diskussionen, wer denn besser zu Bea passt. Ich persönlich muss sagen, dass ich die Liebesgeschichte von Bea vielleicht auch deshalb wirklich sehr spannend finde.

Sie haben das Setting schon angesprochen und auch die Tatsache, dass Sie on Location drehen. Betrachtet man den Look von «Anna», dann denkt man an die kräftigen Farben in den Agentur, bei «Hand aufs Herz» hingegen sind die Farben schwächer – wie Schulen halt so aussehen. Kann das ein Problem werden?
Wir haben nicht die bunte, knallige Welt von Broda & Broda – das stimmt. Unser Look ist sehr authentisch, wir haben in der Schule eine leichte Patina. Dennoch haben wir darauf geachtet, dass es Kontraste gibt. Zu sagen, dass «Hand aufs Herz» keine Farbigkeit besitzt, wäre also falsch. Sie ist beispielsweise in den Privatwohnungen zu sehen.

Über ein Thema haben wir bislang noch gar nicht gesprochen – und das ist die Musik, die so groß angekündigt wurde. Wie viel «Glee» steckt denn in der Serie?
Wir haben mit den Entwicklungen im vergangenen August angefangen, als der Erfolg von «Glee» noch nicht absehbar war und auch niemand eine Folge der Serie gesehen hatte. In «Glee», eine klassische Musical-Serie, brechen die Leute plötzlich in Gesang aus – das gibt es bei uns in keinster Weise. Wir haben uns viel eher an unsere eigene Schulzeit zurückerinnert. Wo im Schullalltag kann eine Lehrerin ihren Schülern wirklich etwas beibringen? Wo werden sie inspiriert, wo werden Talente aufgedeckt, die man selbst bei sich gar nicht vermutet? Für uns waren das der Sport und die Musik, aber auch der darstellende Bereich. Das waren auch die AG’s, die mir persönlich immer am meisten Spaß gemacht haben. Zudem – um ehrlich zu sein: Mathe oder Deutschunterricht wäre für unsere Serie ein bisschen langweilig gewesen.

Musik dient zudem noch dem Transport von Emotionen…
Gut, dass Sie das ansprechen. Wir transportieren damit Gefühle. Es war übrigens sehr schwierig, Schauspieler zu finden, die wirklich so gut singen können, dass wir mit ihnen arbeiten können. Wir waren nicht bereit mit Playbacks zu arbeiten und dann im Off Leute zu haben, die für unsere Schauspieler singen. Die Musikszenen sind für uns Woche für Woche eine sehr große logistische Herausforderung – da wir pro Block ein bis zwei Musikproduktionen haben.

Welche Quotenerwartungen haben Sie? «Anna» hat um 18.00 Uhr ganz gut vorgelegt.
Die Erfahrungen haben ja gezeigt, dass sich eine neue Serie anfangs immer schwer tut – das ging «Anna» nicht anders. Wir sind aber froh, dass wir bei Sat.1 mit Joachim Kosack einen Partner haben, der da geduldig ist und neuen Formaten die Zeit gibt, die sie benötigen.

Wir freuen uns auf den Start und wünschen natürlich gutes Gelingen. Danke für das Interview.

Kurz-URL: qmde.de/44901
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