Die Experten

Die Experten Sommerspezial: Hinter den Kulissen...

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Seite 2
...des TV-Business: Mit «GZSZ» und «Desperate Houswives» backstage und Stefan Raabs Sport-Events.

Torben: Wieso ist der Videotext eigentlich so hässlich? Es muss doch in Zeiten von HDTV mittlerweile besser möglich sein.

Christian Richter:
Eine ähnliche Frage stellte auch Rosi. Die Ursache liegt im Übertragungsweg für den Dienst. Als der Teletext im Jahr 1980 von ARD und ZDF eingeführt wurde, gab es ausschließlich analoges Fernsehen. Die Inhalte des Textes wurden daher über die sogenannte Austastlücke übertragen. Dahinter verbirgt sich der Zeitraum, den der Elektronenstrahl in der Bildröhre eines analogen Fernsehgeräts benötigt, um wieder an seinen Ausgangspunkt zurückzukehren. In dieser Zeit wird das Bild dunkel geschaltet, was jedoch so schnell abläuft, dass es für das menschliche Auge unsichtbar ist. In dieser Lücke, die eben nicht für das eigentliche Fernsehbild genutzt werden kann, lassen sich weitere Informationen wie z.B. ein VPS-Signal, ein EPG oder eben auch der Teletext verbreiten. Da diese Lücke jedoch nur sehr „klein“ ist, können dort nur sehr geringe Menge an Daten übertragen werden. Insgesamt stehen für den Text 25 sichtbare Zeilen mit je 40 Zeichen zur Verfügung. Zwei davon sind jedoch für Kopf- und Fußzeile reserviert. Bei digitalen Programmen ist eine wesentlich umfangreichere Übertragung solcher Informationen und damit auch ein ansprechenderes Design möglich. Da jedoch noch immer ein großer Anteil der deutschen Bevölkerung analogen Rundfunk nutzt, kann eine vollständige digitale Umstellung noch nicht erfolgen.

Romi: Ich habe vor kurzem den Ausdruck „Jump the Shark“ gehört. Was heißt der genau?

Christian Richter:
Dahinter verbirgt sich Terminus, der hauptsächlich in den USA verwendet wird. Er bezeichnet den Punkt im Laufe einer Serie, wenn diese ihren Zenith überschritten hat und sich langsam dem Ende nähert. Dies bezieht sich jedoch nicht nur auf die Einschaltquoten, sondern vor allem auf die Inhalte. Die Storys werden dabei meist abgedrehter und unrealistischer bzw. die Entwicklung der Serie schlägt ein abwegige Richtung ein. Dafür gibt es mehrere Anhaltspunkt. Ein deutliches Anzeichen ist oft die unerwartete Einführung von neuen Figuren. Ein Beispiel wäre dafür das plötzliche Auftauchen von «Ally McBeal»s jugendlicher Tochter oder das plötzliche Erscheinen von Sieben bei «Eine schrecklich nette Familie». Häufig tauchen dabei neue Kinder auf, die den Charme der mittlerweile erwachsenen Kinderdarsteller ersetzen sollen. (z.B. «Bill Cosby Show», «Full House») Bei Formaten, die auf einer geheimen Anziehungskraft der Hauptdarsteller basieren, ist der Zenith meist dann überschritten, wenn sich das geheime Paar endlich kriegt. («Die Nanny», «Wer ist hier der Boss?», «Superman – Die Abenteuer von Lois & Clark») Der Ausstieg eines Hauptdarstellers kann ebenfalls einen solchen Punkt darstellen. Dies war im Ableben von John Ritter für die Serie «Meine wilden Töchter» der Fall und ist mit dem Ausstieg von Zach Braff bei «Scrubs» zu befürchten. Das deutlichste Anzeichen ist jedoch eine drastische Veränderung der Grundsituation der Figuren, wie es damals bei «Roseanne»s Lottogewinn oder dem Umzug von Rory nach Yale bei den «Gilmore Girls» passierte. In einigen Fällen tauchten zudem bereits totgeglaubte Charaktere wieder auf («Dallas»).

Der Begriff „Jump the Shark“ basiert dabei auf der Serie «Happy Days», bei der dieses Phänomen zum ersten Mal deutlich zu spüren war. In einer Episode sprang die Figur Fronzie dabei mit Wasserski über einen Hai. Diese Aktion wurde von den Zuschauern als lächerlich angesehen und markierte den Wendepunkt der Serie. Ab diesem Punkt ließ das Interesse deutlich nach.

Rahdi: Was sind eigentlich in den USA die November Sweeps?

Christian Richter:
Die November Sweeps dauern vom 01. bis zum 30. November und sind der Zeitraum, in dem die Fernsehsendungen unter besonderer Beobachtung stehen. Sie sind deshalb besonders interessant, weil die im September neu gestarteten Formate erstmals richtig bewertet werden. Nach den November Sweeps legen die großen TV-Sender ihre Werbepreise für die Zeit bis Februar exakt fest – werden Spots während eines Formats also billiger, kann man davon ausgehen, dass der Sender mit einem besseren Abschneiden gerechnet hat. Während der Sweeps laufen in der Regel nur Erstausstrahlungen, weil diese die meisten Zuschauer anziehen und somit ein möglichst positives Bild von der jeweiligen Sendung entsteht. Weitere Sweeps gibt es zudem im Februar und im Mai.

Brian: Ich habe mich schon immer gefragt, ob alle ausgestrahlten Sendungen irgendwo aufgehoben oder gespeichert werden?

Christian Richter:
Die meisten Fernsehsender führen eigene Rundfunk-Archive. Unter anderem sammeln alle öffentlich-rechtlichen Anstalten ihre Produktionen in jeweils eigenen Archiven. Aufgrund der großen Fülle an Sendungen werden jedoch auch längst nicht alle Produktionen aufgehoben. In den öffentlich-rechtlichen Archiven werden nur etwa zehn Prozent des Programms dauerhaft vorgehalten. Bei den Sammlungen handelt es sich jedoch in der Regel um Produktionsarchive, d.h. dort werden die Programme nicht zur Historisierung vorgehalten, sondern um aus ihnen das Programm bestücken zu können. Daher werden hauptsächlich Sendungen archiviert, die keinen aktuellen Themenbezug haben, sondern solche, die man jederzeit wieder zeigen kann. Dazu zählen vor allem Krimis und Naturdokumentationen. Ausnahmen sind natürlich besonders historische und denkwürdige Ereignisse, die in Rückblicken verwendetet werden könnten. Die Anstalten der ARD betreiben jedoch zusätzlich das Deutsche Rundfunk Archiv (DRA), das eine historische Funktion hat. Dort werden unter anderem alle noch erhaltenen Sendungen des DDR-Fernsehens, sowie alle verfügbaren Programme vor 1945 bewahrt.

Maik: Warum muss bei Stefan Raabs Events „Dauerwerbesendung“ eingeblendet werden, aber nicht bei der «Formel 1» oder Fußball-WM.

Christian Richter:
Die Raab-Events gleichen zwar einer großen Sportveranstaltung, man muss aber unterscheiden, dass es Veranstaltungen, die von Sportorganisationen ausgerichtet werden. Die TV-Sender übertragen diese unter den Gegebenheiten, die die Veranstalter festlegen. Anders ist es bei Stefan Raabs Shows. Das ist keine von unabhängigen Veranstaltern veranstaltete allgemeine Sportart, sondern ein von ProSieben und Stefan Raab erfundenes und hergestelltes TV-Event. Deshalb gelten dafür andere Richtlinien. Es geht letztlich also nur um die Frage, was eine wirkliche Sportübertragungen und was eben eine selbst vom Sender produzierte Fernsehshow ist. Es wäre also beispielsweise nicht möglich zu fordern, dass auch die Formel 1 künftig als Dauerwerbesendung deklariert wird.

Dirk: Wieso endet die Zielgruppe schon bei 49 Jahren. Ältere Menschen schauen doch viel mehr Fernsehen?

Christian Richter:
In der Tat verfügen ältere Menschen im Durchschnitt über ein deutlich höheres Einkommen. Allerdings hat sich gezeigt, dass diese Bevölkerungsgruppe sehr sparsam mit ihrem Geld umgeht. Außerdem sind vieler dieser Zuschauer werberesistent. Wer seit 30 Jahren das selbe Waschmittel benutzt, wird sich auch durch einen TV-Spot nur schwer umstimmen lassen. Am Ende haben die Werbekunden daher nur wenig Nutzen von der höheren Kaufkraft der älteren Zuschauer und konzentrieren sich eher auf die jungen Menschen, die ihr Geld bereitwilliger ausgeben.

Um die Festlegung der sogenannten werberelevanten Zielgruppe gibt es immer wieder Diskussionen. Kritische Stimmen behaupten, der ehemalige RTL-Chef Helmut Thoma habe sie damals erfunden, weil sein Sender genau bei diesen Zuschauer am erfolgreichsten war und er damit eine Marktführerschaft herbei definieren konnte. Ob dies nun stimmt sei dahin gestellt, fest steht, dass trotz einer nachweisbaren Veränderung in den Bevölkerungsstrukturen und bei den beschriebenen Verhaltensmustern, die Werbewirtschaft noch keine Neufestlegung der Altergrenzen umsetzen wollte. Vorstöße einiger Sender gab es dazu bereits.

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Die nächste und letzte Experten-Sommer-Ausgabe erscheint am Montag, den 06. September 2010.


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