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«Stern TV»-Nachfolge: Auf der Suche nach dem goldenen Kind

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Vor wenigen Tagen überraschte die Sensationsmeldung, dass Günther Jauch in der ARD einen Talk starten und dafür die Moderation von «stern TV» abgeben wird. Wer könnte der Nachfolger des erfolgreichsten Infotainment-Magazins im deutschen Fernsehen werden?

Erst im April 2010 feierte das Magazin «stern TV» sein 20-jähriges Jubiläum. Jahrelang war die seit Beginn von Günther Jauch moderierte Sendung gesellschaftlich relevant und eine feste Institution bei RTL und für Millionen von Zuschauern. Im besagten April ahnte wohl noch niemand außer vielleicht Jauch selbst, dass «stern TV» in dieser Form bald Geschichte sein wird. Denn in der vergangenen Woche verkündeten er und die ARD eine gemeinsame Zusammenarbeit in Form eines politischen Talks am Sonntagabend ab Herbst 2011 – und die Moderation des RTL-Magazins wird der beliebteste deutsche TV-Moderator dafür aufgeben. Während die ARD nur Sendeplätze verschieben muss, liegt die eigentliche Aufgabe für diesen Wechsel bei Jauch und RTL selber: Sie müssen einen geeigneten Nachfolger für das erfolgreichste wöchentliche Infotainment-Magazin finden.

Da «stern TV» wie kein anderes Fernsehformat ein Bindeglied zwischen Unterhaltung und Information, zwischen Entertainment und gesellschaftlicher Relevanz, zwischen seichtem Talk und investigativem Journalismus verkörpert, gestaltet die Nachfolgesuche unheimlich schwer. Soll der neue Mann aus dem Unterhaltungs- oder Informationsbereich kommen? Jauch stand für beide Genres – doch niemand sonst erfüllt diese Kompetenzen annähernd glaubhaft. Will RTL also bei «stern TV» ein schon prominentes, eigenes Sendergesicht inthronisieren, so muss man entscheiden, in welche Richtung sich das Magazin bewegen soll.

Wenn das Format bald den Schwerpunkt auf Information und gesellschaftlichen Talk legen möchte, so kommen mehrere interne Lösungen in Frage – schließlich kann der Kölner Sender auf eine umfassende Newsredaktion zurückgreifen. Peter Kloeppel als RTL-Newsanchor und Chefredaktuer ist zwar aufgrund seiner Arbeit bei der Hauptnachrichtensendung «RTL aktuell» auszuschließen (da nicht ersetzbar), aber Moderatoren des Nachtjournals oder von Mittags- bzw. Morgenmagazinen sind vorstellbar – beispielsweise Ilka Eßmüller oder Wolfram Kons. Auch ein Moderator des Schwestersenders n-tv käme in Frage, aber letztlich sind all diese Gesichter zu unprominent, als dass sie ein solch großes Format wie «stern TV» von allein tragen und langfristig erfolgreich halten könnten.

Sollte sich «stern TV» künftig in Richtung Unterhaltung bewegen (was wahrscheinlicher ist), dann hätte RTL drei Namen in petto: Marco Schreyl, Daniel Hartwich und Oliver Geissen. Ersterer probierte sich schon einmal an einem Magazinformat: «V – Die Verbrauchershow» wurde 2007 am Sonntagvorabend ausgestrahlt und von Jauchs Produktionsfirma i&u TV hergestellt. Da dieses Programm allerdings ein Quotenflop war, wird RTL sicherlich nicht das Risiko eingehen, Schreyl an dem etablierten «stern TV» zu testen. Auch Hartwich und Geissen kommen nicht in Frage, da sie weder journalistischen noch boulevardesken Background haben; Geissen hat außerdem zu viele Flops in der jüngeren Vergangenheit gelandet. Im Umkehrschluss heißt dies: RTL wird sich wohl nach einer externen Lösung umsehen.

Wer weiß, was passiert wäre, wenn der Jauch-Deal ein oder zwei Jahre früher passiert wäre? Dann würde mit ziemlicher Sicherheit die Personalie Johannes B. Kerner für die Nachfolge hoch gehandelt. Da Kerner allerdings erst kürzlich eine neue Heimat bei Sat.1 gefunden hat, dort mittlerweile deutlich im Quotenaufwind ist und zudem ein «stern TV»-ähnliches Magazin präsentiert, ist sein Wechsel zu RTL reinste Utopie. Auch Jörg Pilawa, der die inhaltlichen Anforderungen als Informations- und Unterhaltungskoryphäe erfüllen würde, wird kein neues RTL-Gesicht: Sein Wechsel von der ARD zum ZDF ist schon längst beschlossene Sache.

Realistischer wäre in dieser Hinsicht der Name Markus Lanz, der erst seit zwei Jahren für das Zweite arbeitet. Zwar soll Lanz sich mit seinem Job beim ZDF sehr zufrieden geben, doch wenn die Chance kommt, «stern TV» zu übernehmen, wird der 41-jährige Moderator sicher nicht lange überlegen. Als früheres RTL-Gesicht kennt er das Umfeld des Kölner Senders, weiterhin besitzt er die geforderten Kompetenzen – besonders im journalistisch-informativen Bereich hat er beim ZDF sein Profil deutlich schärfen können. Die Quoten seines Talks sind ordentlich, doch bald wird er mit Pilawa erneut einen internen Konkurrenten haben und wiederum nur das zweite Glied im Magazin- und Showbereich sein. Die Übernahme der Moderation von «stern TV» wäre also ein weiterer Karriereaufstieg. Unter den großen Namen wäre er wohl der einzige, der als realistischer Kandidat in Frage kommt.

Wenig wahrscheinlich, aber zumindest denkbar ist ein Tausch: Jauch für Plasberg. Der «hart aber fair»-Moderator wird sich wohl wenig glücklich schätzen, nach der Programmreform im Jahr 2011 auf einen wahrscheinlich deutlich späteren Sendeplatz geschoben zu werden – und dies nach der mit Abstand erfolgreichsten Saison überhaupt für das Polit-Talkformat, das mittwochs teils sensationelle Reichweiten einfuhr. Plasberg besitzt unbestritten Relevanz, höchste Informationskompetenz, aber auch Fähigkeiten im Unterhaltungsbereich: Im Ersten und im NDR moderierte er mehrere Quiz- und Spielshows erfolgreich, u.a. «Die klügsten Kinder im Norden». Sollte RTL mit einem Angebot auf ihn zukommen, wird er sicherlich nicht von vornherein ablehnen.

Aus der zweiten Reihe gibt es zahlreiche Personen, die als Moderatoren in Betracht gezogen werden könnten. Zu diesen zählen u.a. Stefan Gödde von ProSieben («Galileo»), Nazan Eckes («Let’s Dance») oder auch Dirk Steffens («Faszination Erde»). Eine Diskussion über solche Namen ist reinste, unnötig sinnlose Spekulation – denn die Suche nach dem Jauch-Nachfolger dürfte ähnlich schwierig werden wie die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen oder jener nach dem goldenen Kind. Fakt ist ohnehin, dass ein Günther Jauch nicht gleichwertig ersetzt werden kann. Da Jauch «stern TV» selbst produziert, hat er sich mit seinem eigenen Wechsel wohl mit der Suche nach einem Nachfolger die größte Aufgabe beschert. Die Spekulationen werden jedenfalls noch längere Zeit anhalten: Erst Anfang 2011 soll der neue Moderator bekannt gegeben werden.

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