Statistisch gesehen

Tote Hose am Freitag?

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Der Freitag droht im US-Fernsehen zur Ablade für Reality und Wiederholungen zu verkommen. Sieht wirklich kaum jemand fern oder sind die Probleme hausgemacht?

Statistisch gesehen haben in Deutschland 30 Prozent der 16- bis 19-Jährigen in den letzten drei Monaten einen Vollrausch erlebt. Eine gute Zielgruppe für Alkoholwerbung - nur nicht während der Feierstunden, wenn niemand fernsieht.

Ab kommenden Montag finden in New York die Upfronts-Präsentationen der US-Broadcaster statt. Was wird verlängert, was wird abgesetzt, was geht im Herbst neu auf Sendung? All das wird in der nächsten Woche bekannt gegeben. Oder schon vorher, denn seit einigen Tagen geben einige Sender ihre Pläne bereits häppchenweise heraus. Bei einem Thema wird es vermutlich keine (positive) Überraschung geben: Das Programm am Freitag, das seit Jahren immer weiter degeneriert, wird auch nächste Saison wohl um einen Sender mit Ambitionen ärmer sein.

Vom einstigen Ruhm des Fernsehfreitags, der noch vor zehn Jahren ein Serienphänomen wie «CSI» hervorbrachte, das seinem Sender CBS noch heute gute Quoten beschert, ist nicht mehr viel übrig geblieben. NBC und ABC haben die Programmierung fiktionaler Serien zugunsten von Reality Shows aufgegeben, The CW sendet «Smallville» eher in Ermangelung eines besseren Sendeplatzes und kombiniert es mit Wiederholungen von «America's Next Top Model». FOX wagte diese Saison noch einmal volles Programm, setzte zu Beginn des Jahres allerdings sein gesamtes Freitagsprogramm ab und sendet seither auch nur noch Wiederholungen und Reality. Dass sich das im Herbst wieder ändert, ist nicht abzusehen. Einzig CBS hält noch frischer Serienware am Freitag fest, musste dieses Jahr aber auch herbe Einbußen hinnehmen.

Der Freitag droht zum neuen Samstag zu werden, ein Sendetag mit ebenso glorreicher Vergangenheit, an dem die Sender schon länger nur noch günstigste Restware oder kapitale Flops versenden. Was ist passiert? Feiert die Wohlstandsgesellschaft trotz Wirtschaftskrise am Freitag immer öfter außer Haus? Sehen am Freitag nur noch so wenige Menschen fern, dass sich kein teures Programm mehr lohnt oder haben die Sender die Misere gar selbst verschuldet? Und wie sieht das eigentlich in Deutschland aus: Liegen die miesen Quoten des Sat.1-Comedyprogramm gar nicht an ausgelutschten Sketchen vom Fließband, sondern daran, dass die Zielgruppe lieber feiern geht?



An der aus den 20-Uhr-Daten der letzten zwei Wochen erstellten Grafik sieht man: Der zuschauerschwache Freitag ist zumindest kein Mythos. Tatsächlich sahen hier zuletzt sogar noch weniger Amerikaner fern als am Samstag. Vor allem fällt aber auf: So ungeheuer groß ist die Diskrepanz zwischen dem Freitag und den zuschauerstarken Wochentagen nun auch wieder nicht: Freitags schalteten immerhin noch rund 75 Prozent so viele 18- bis 49-Jährige den Fernseher ein wie am Dienstag (der im Moment stark von «American Idol» profitiert) und vergleicht man mit dem Mittwoch sind es sogar über 85 Prozent. Das Zuschauerpotential ist also durchaus da.

Es sieht somit eher danach aus, als seien die Probleme der Networks zum Teil selbst geschaffen. Hat man den Freitag als weniger lukrative Option vielleicht so nachlässig behandelt, dass das Kabelfernsehen die Situation genutzt und die Zuschauer gebunden hat, die den Broadcastern nun fehlen? Auch dazu ein paar Zahlen: Freitag abends haben die fünf Networks zusammen gerade mal gut 20 Prozent Marktanteil, am Samstag sogar weniger. An den anderen Wochentagen vereinnahmen sie den Markt mit 30 bis über 40 Prozent viel stärker. Tatsächlich liegt das Hauptproblem also wohl darin, dass zwar Zuschauer da sind, diese aber mittlerweile woanders ein neues Zuhause gefunden haben. Würde eine Serie die verlorenen zehn Prozent zurück zu den Networks holen, sie wäre ein großer Erfolg. Vielleicht wäre es also Risiko wert, hier aggressiv einen Neustart zu wagen, die Konkurrenz hält sich ja in Grenzen. Für einen kleinen Sender wie The CW könnte sogar der als Todeszone verschriene Samstag eine Option sein, denn umgekehrt "funktionierte" es ja bereits: den lukrativen Sonntag gab The CW mangels Erfolg komplett auf.

Wie man ebenfalls sieht: Auch in Deutschland sind die Zahlen vom Freitag und Samstag schwächer. Trotzdem gedeihen Formate wie «Deutschland sucht den Superstar» hier prächtig. Aber vielleicht ist das auch einfach das perfekte Programm für die Zielgruppe im Vollrausch.

Oft steckt mehr hinter den Zahlen des TV-Geschäfts als man auf den ersten Blick sieht. Oder weniger. Statistisch gesehen nimmt sie unter die Lupe.

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