Statistisch gesehen

Die Macht der 50+

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Der Sat.1-Geschäftsführer will bessere Werbeerlöse für ältere Zuschauer. Wäre Sat.1 in einem solchen innovativen Werbemodell tatsächlich der große Gewinner unter den Privatsendern?

Statistisch gesehen kostete ein durchschnittliches Einfamilienhaus 2008 in Deutschland 215.000 Euro, in anderen europäischen Ländern dagegen deutlich mehr. Bis es abbezahlt ist, dauert es dennoch lange genug.

Mit der vierten Veränderung in der Geschäftsführung binnen gut drei Jahren soll endlich Ruhe ein- und der Erfolg zurückkehren bei Sat.1. Keine einfache Aufgabe für Andreas Bartl, den neuen Mann an der Spitze des Senders, laufen die Altlasten seiner Vorgänger doch mehr schlecht als recht und findet sich weiterhin eine Vielzahl an Baustellen im Programm. Vor wenigen Tagen gab Bartl die Formate seiner großen Programmoffensive bekannt, mit denen Marktanteile zurückerobert werden sollen: Ein neuer Fußball-Talk für Johannes B. Kerner, neue sowie altbewährte Comedy, ein weiterer US-Serienabend, ein Kochcasting und einiges mehr. Wirklich überraschendes oder vor allem umwerfend neues oder gar gewagtes war aber nicht dabei.

Besonders interessant ist das, was Bartl im Zuge der Programmoffensive zur Senderzielgruppe und den Werbekunden sagte: Er beschrieb die Hauptzielgruppe von Sat.1 als zwischen 30 und 59 Jahre alt, die somit gleich um zehn Jahre über die obere Grenze der gewohnte werberelevanten Zielgruppe herausragt. "Besser kapitalisieren" will Bartl die Werbung bei den Über-50-Jährigen. Das Problem ist nur: Die Werbekunden nehmen diese Zielgruppe derzeit nahezu kostenlos mit und gedenken nicht dies zu ändern. Paradox, aber selbst die Preise von Doppelherz-Spots basieren hauptsächlich auf der jungen Zielgruppe.

Vorausgesetzt, das Vorhaben, die werberelevante Zielgruppe auf die 14- bis 59-jährigen zu erweitern und die Werbekunden sich die älteren Zuschauer auch entsprechend bezahlen zu lassen, wie es in der Vergangenheit schon des Öfteren zur Sprache kam, gelänge: Wäre Sat.1 dann wirklich der große Gewinner? Könnte man den entscheidenden Schritt in Richtung RTLs Marktführerschaft tun und was würde mit ProSieben geschehen? Welcher der drei großen Sender hat das meiste ungenutzte Potential? Zur Beantwortung dieser Frage lohnt es sich, einmal anzusehen, wieviele Zuschauer der Sender nicht aus der Zielgruppe stammen:



Dargestellt ist hier von allen Primetime-Sendungen der vergangenen sieben Tage der Anteil der Zuschauer, die älter als 49 sind oder jünger als 14, was allerdings nur marginalen Einfluss haben dürfte. Außerdem habe ich die Sendungen eines jeden der drei Sender noch dem Anteil entsprechend aufsteigend geordnet, ansonsten wäre es unübersichtlich geworden.

Es fällt auf: Ein wesentlicher Unterschied zwischen RTL und Sat.1 existiert hier gar nicht. Die Zuschauer beider Sender stammen im Schnitt zu 45 Prozent von außerhalb der Zielgruppe. Das RTL-Programm ist sogar viel unausgeglichener: Auf der einen Seite findet sich mit «Dr. House» ein enorm zielgruppenaffines Programm, auf der anderen Seite «Wer wird Millionär?», dessen Zuschauer nur zu einem Drittel aus der Zielgruppe stammen. Das Quiz würde von einer Kapitalisierung älterer Zuschauer sicherlich am meisten profitieren. Bei Sat.1 wären Europa-League-Übertragungen das entsprechende Pendant. 60 Prozent der Zuschauer werden von der Werbeindustrie nicht bezahlt. Obwohl die Altersaufteilung in der Primetime bei beiden Sendern also gleich ist, würde für RTL dennoch mehr herausspringen - das Ausgangsniveau liegt schon bedeutend höher.

Nur ProSieben hätte von einer Erweiterung der Zielgruppe nicht viel. Nur etwa 23 Prozent der Primetime-Zuschauer lagen in der vergangenen Woche außerhalb, bei Sendungen wie «Grey's Anatomy» und «Private Practice» kamen sogar mehr als 90 Prozent der Zuschauer aus der Zielgruppe. Das ist dann wohl auch der Grund, weshalb man auf ProSieben keine Dokusoaps über Leute findet, die sich den Traum vom eigenen Haus erfüllen wollen: schließlich soll der eigene Zuschauerstamm nicht zum Eigenheim verführt werden. Bis das abbezahlt und der Weg zum Konsum wieder frei ist, sind die Zuschauer längst flügge geworden. Und haben bei Sat.1 und RTL neue Nester gefunden.

Oft steckt mehr hinter den Zahlen des TV-Geschäfts als man auf den ersten Blick sieht. Oder weniger. Statistisch gesehen nimmt sie unter die Lupe.

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