Die Kritiker

«Augustinus»

von
Inhalt:

"Im Innern des Menschen wohnt die Wahrheit. Der Verstand schafft die Wahrheit nicht, sondern findet sie vor." (De vera religione / 39,72 f.)

Augustinus wird im Jahre 354 in Thagaste geboren. Sein Vater zeigt sich dem Abkömmling gegenüber gleichgültig und gibt sich zudem einer Geliebten hin. Im Alter von 15 macht sich Augustinus auf den Weg nach Karthago, um dort vom angesehenen Advokaten Macrobius unterrichtet zu werden. Während er mit Valerius, dessen Anwesen sein neues Zuhauses bildet, Freundschaft schließt, sieht er sich gezwungen für die Ausbildung die Wahrheit ziehen zu lassen. An deren Stelle treten falsche Überzeugungen und Hochmut. Der junge Mann geht eine Beziehung mit der äthiopischen Sklavin Khalida ein und avanciert zum berühmten Redner.

Massen an Geschichten, Fragen und Menschen ziehen an ihm vorüber – schlussendlich steht er als alter Mann auf den Türmen Hippo Regius und fürchtet um das Leben der engstirnigen Bürger. Augustinus ist inzwischen Bischoff, Valerius sein Wiedersacher. Viel hat sich verändert, vor allem jedoch seine Glaubensrichtung. Die Vandalen unter der Führung Geiserichs belagern seit Monaten die Stadt, Hoffnung scheint verloren. Der Papst schickt eine Flotte, mit der Augustinus fliehen soll. Doch der Geistliche steht zu seinen Entscheidungen und dem Volk seines Gottes. Ein weiteres Mal erinnert er sich an sein bewegtes Leben.

Darsteller:


Alessandro Preziosi («I vicerè») ist Augustinus
Sebastian Ströbel («Countdown») ist Fabius
Dietrich Hollinderbäumer («Pastewka») ist Macrobius
Götz Otto («Der Morgen stirbt nie») ist Geiserich
Franco Nero («Django») ist Augustinus (alt)
Matteo Urzia («Cemento armato») ist Augustinus (jung)
Monica Guerritore («Sensi») ist Monica
Johannes Brandrup («Die Kreuzritter») ist Valerius
Alexander Held («Die Päpstin») ist Valerius (alt)
Jannis Niewohner («Sommer») ist Valerius (jung)
Katy Saunders («Ho voglia di te») ist Lucille
Serena Rossi («Rosafuria») ist Khalida

Kritik:


Kein Geringerer als Papst Benedikt XVI. selbst zeichnet sich für die Entstehung des Projektes «Augustinus» verantwortlich: Wenige Wochen bevor er Bayern im Jahre 2006 einen Besuch abstattete, gab er dem Bayerischen Fernsehen ein Interview und regte an, die Biographie des einflussreichen Glaubensmannes Aurelius Augustinus zu verfilmen. Durch die Zusammenarbeit des Bayerischen Rundfunks und der italienischen Sendeanstalt R.A.I. sowie viel Recherche, Hingabe und Einsatz ist ein beeindruckender Zweiteiler entstanden, der das deutsche Publikum nun an zwei Tagen einerseits unterhalten, andererseits zum Nachdenken anregen soll.

Beeindruckend trifft es. Ein beeindruckender Stab, eine beeindruckende Besetzung und beeindruckende Fakten, die Dreharbeiten betreffend, implizieren durchaus gerechtfertigte Spannung. Wenn Papst Benedikt dann zudem im Anschluss der Uraufführung im September 2009 hellauf begeistert von dem Werk ist, legt das die Messleite lediglich ein weiteres Stück nach oben, sollte man meinen. “Hoffentlich wird der Film viele dazu bringen, von der Wahrheit gefunden zu werden und die Liebe zu entdecken”, so der Kirchenvater. Nun, es sei an dieser Stelle verraten, dass sich «Augistinus» keineswegs durchgehend derart hohe Ziele anmerken lässt, vor allem im ersten Teil handelt es sich im Prinzip um eine gelugene Biographie mit nennenswerten schauspielerischen Leistungen, einer interessanten Geschichte und einem Bruchteil an religiöser Aufklärung als Mehrwert. Kein Wunder, dass Part zwei Meilen hinter dem Vorgänger liegt – so getreu und ehrlich der Blick auf Augustinus' neue Lebensweise auch ist, er ist zumeist ermüdend. Dazu später mehr.

Regie führte der Kanadier Christian Duguay, der bereits einige Erfahrungen auf dem Gebiet der Realisierung etwaiger Lebensbilder gesammelt hat. «Hitler – Aufstieg des Bösen», «Jeanne d'Arc – Die Frau des Jahrtausends» und «Coco Chanel» unterlagen allesamt seiner geübten Hand. Auch Francesco Arlanch, der gemeinsam mit Sebastian Henckel von Donnersmarck (Bruder des Regisseurs von «Das Leben der Anderen») das Drehbuch verfasste, wandelt nicht auf unbekannten Pfaden, schrieb er doch zuletzt die Skripts zu «Petrus» und «Papst Johannes Paul II». Bei letzterem hatte im Übrigen Fabrizio Lucci Kontrolle über die Kamera, ebenso wie bei «Augustinus». Mit dem Score von Andrea Guerra stand der ohne Frage glanzvollen Umsetzung nichts mehr im Wege. Während man also durch die Führungsetage des Zentrum für Augustinus-Forschung an nähere Details gelang, wurde das Studiogelände in Tunesien aufgebaut. Allein die erste Sequenz des Filmes offenbart einen herrlichen Blick auf die Stadt Hippo, die eigens für diesen Zweck errichtet wurde. Auch die zahllosen Kostüme und das übrige Szenenbild entbehren jedweder Kritik. Der Zuschauer fühlt sich von Anfang an wohl in Thagaste, Karthago und Mailand, dem Haus Verlerius' oder dem Marktplatz. Hier wurde ohne Zweifel völlig bedacht investiert, das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen.

So umfangreich und wechselhaft wie das Leben des Augustinus, ist der Cast des Filmes. Zuerst folgt man Augustinus im Alter eines Knaben von 15 Jahren, verkörpert von Matteo Urzia, während man immer wieder in die Zukunft nach Hippo springt, zu Franco Nero und seiner Darstellung des selben, doch gereiften, weiseren Mannes. Die meiste Zeit verbringt der Betrachter allerdings mit Alessandro Preziosi, der Augustinus als Karriere-Mann und Vater charakterisiert. Alle drei tun ihrer jeweiligen Gesinnung Genüge, wobei Preziosi sicherlich heraussticht. Allein ihm ist es zu verdanken, dass der Wandel seiner Figur, von unvernünftig und erfolgssüchtig zu rational und altruistisch nicht vollends ins Lächerliche abgleitet. Selbstverständlich entsprechen diese Szenen der Überlieferung, doch wenn Augustinus etwa sieben Minuten lang in seltsamer Trance durch die Kirche streift, verliert man leicht den Faden und wünscht sich den ersten Teil zurück, der hohe Erzähldichte und die Themen der Wünsche, Liebe und Religion erfolgreicher zu verknüpfen wusste. Auch die übrigen Darsteller, allen voran Johannes Brandrup als Valerius machen eine gute Figur. Dietrich Hollinderbäumer beispielsweise, den man als Vater von Bastian Pastewka in der zugehörigen Comedyserie kennt, unterhält als zynischer Redner Macrobius. Götz Otto und Sebastian Ströbel sieht man vergleichsweise wenig, es gibt hieran jedoch nichts auszusetzen. Bei letzterem hofft man sogar auf etwas weniger Screentime, denn die Liebe zwischen seiner Figur Fabius und Lucille ist tatsächlich noch unglaubwürdiger gestaltet als Augustinus' Sinneswandel. Es war schlicht nicht notwendig, eine kleine Liebesbeziehung in die Rahmenhandlung einzubauen, die mit einem Ereignis endet, das das Fass überlaufen lässt. Viel interessanter ist da das Verhältnis zwischen Augustinus und der Sklavin Khalida. Serena Rossi fungiert erst als wahrer Blickfang, später als sorgende Mutter. Ein Manko ist es, dass man bezüglich der Zukunft von Adeodatus völlig im Dunkeln gelassen wird.

Einstweilen der erste Teil also durchgehend abwechslungsreich und belebend ist, geht man in der zweiten Hälfte tief baden. Das liegt nicht an urplötzlich nachlassenden Leistungen in Hinblick auf Regie oder Schauspiel; es ist das neue Hintergrundmotiv, das die Atmosphäre des Bildes knickt. Wie bereits gesagt, hat dies mehr als eine Daseinsberechtigung, schließlich läuft das gesamte Werk auf Augustinus' Erkenntnis in Bezug auf das stets verhasste Christentum hin. Dennoch sind die großen Bruchteile der neuen Lebensform farblos, lassen den Zuschauer kalt. Unabhängig davon ist auch dieser Part sehenswert, nicht zuletzt da man wissen möchte, wie die Geschichte denn nun endet. Um zurück auf das Zitat des Papstes zu kommen: Ob man denn nun von der Wahrheit gefunden wird oder die Liebe entdeckt, bleibt fraglich. Aber an zwei Abenden von einem Historienfilm gut unterhalten werden und womöglich kurz über das Gesehene sinnieren, sollte definitiv möglich sein. Eventuell gibt sich Papst Benedikt auch damit zufrieden – wünschenswert wäre es.

Das Erste zeigt «Augustinus» am Sonntag (13.15 Uhr), den 4. April und Montag (13.05 Uhr), den 5. April 2010.

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