Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Die Quotengrenze

von
Sat.1 landete mit dem Eventfilm «Die Grenze» keinen Hit. Ist das Ende der großen TV-Filme gekommen?

Das Staunen dürfte in der Chefetage von Sat.1 am Mittwochmorgen groß gewesen sein, als die Quoten des vorherigen Dienstags bekannt wurden. Denn das große Sat.1-Prestigeprojekt «Die Grenze», das in einem massiv beworbenen TV-Zweiteiler die imaginäre Mauer in Form einer Abspaltung von Mecklenburg-Vorpommern zu einem eigenen Staat wieder aufbauen ließ, verlor mit dem zweiten und letzten Film sehr viele Zuschauer gegenüber dem Montag. Die offensichtliche Erklärung dafür: Den Zuschauern hat der erste Teil nicht gefallen, sodass sie am Dienstag gar nicht erst eingeschaltet haben. Aber was bedeutet dies für das Genre des Eventmovies im deutschen Fernsehen und seine Zukunft?

Der Produktionsfirma TeamWorx kann man bei «Die Grenze» sicherlich nicht den Vorwurf machen, sich nicht in neue erzählerische Gefilde hervorgewagt zu haben: Mit der Alternativwelt, die sich im Thriller aufbaut und in der eine Öl- und Lebensmittelkrise die sozialen Gräben verschärft sowie die Bevölkerung gegen die politische Nomenklatura aufwiegelt, gestaltete TeamWorx einen interessanten Plot und eine brisante, durchaus innovative Geschichte, die im Detail natürlich dennoch die dramaturgischen Klischees bedient, die in den sonstigen Drama-Eventmovies vorkommen – sprich u.a. die bekannte Lovestory.

Doch vielleicht liegt genau hier der Fehler: Die Zuschauer erwarteten eine Geschichte im Stil von früheren Erfolgen wie «Das Wunder von Lengede», «Die Sturmflut» oder «Die Luftbrücke», eine Geschichte, die historische Ereignisse auf das traurige Schicksal Einzelner herunterbricht und den Zeitgeist peripher einfängt. Dass der progressive und brisante Stoff von «Die Grenze», der als Alternativweltgeschichte eben nur indirekt mit deutscher Historie zu tun hat, die TV-Masse nicht wirklich mitreißen kann, haben die Quoten gezeigt. Untermauert wird diese These dadurch, dass RTL – für die dieser TV-Zweiteiler ursprünglich geplant war – das Projekt gecancelt hat, wahrscheinlich wegen dessen Provokanz. RTL-Chefin Anke Schäferkordt wird sich beim Blick auf die Zuschauerzahlen in ihrer Entscheidung bestätigt gefühlt haben.

Von 4,71 Millionen Zuschauern schalteten am Dienstag noch 3,47 Millionen ein. Damit waren mehr als 25 Prozent der ursprünglichen Zuschauer beim zweiten Teil nicht mehr dabei. In der werberelevanten Zielgruppe sank der Marktanteil von 19,1 auf 13,7 Prozent ab. Damit dürfte selbst TeamWorx-Chef Nico Hofmann nicht zufrieden sein. Er sagte im Quotenmeter.de-Interview, dass mehr als 20 Prozent und über fünf Millionen Gesamtzuschauer als Erfolg gelten würden – beide Ziele hat das Programm nicht erreicht.

Sat.1 und TeamWorx werden gewusst haben, dass sie mit «Die Grenze» entweder einen Riesenhit oder einen mittelschweren Flop landen würden. Angesichts der hohen Produktionskosten (über acht Millionen Euro) muss der Film in letzterer Kategorie eingeordnet werden. Daraus kann gefolgert werden, dass der Megaerfolg eines TV-Events schnell auf dem Spiel steht, wenn an der Erfolgsformel herumgedoktert wird und die dramaturgischen Zutaten so vermischt werden, dass der Zuschauer nicht mehr das bekommt, was er erwartet. Dann nützt es auch nichts, wenn das Ergebnis, was auf dem Bildschirm erscheint, im Falle von «Die Grenze» deutlich besser war als die üblichen TV-Zweiteiler. In letzter Konsequenz bedeutet dies leider, dass sich die Sender in Zukunft wohl nicht mehr solch an innovative und alternative Stoffe heranwagen, sondern die üblich seichte Event-Kost bevorzugen. Wohl bekommts!

Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.

Kurz-URL: qmde.de/40812
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