Statistisch gesehen

Der Hütchenspieler und der Zonk

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Mit einem erstaunlichen statistischen Trick ließ sich bei «Geh aufs Ganze!» der Hauptpreis absahnen. Nur kannte den keiner.

Statistisch gesehen ist Deutschland weiterhin das beliebteste Urlaubsziel der Deutschen. In wirtschaftlich schwachen Zeiten ist halt wenig Geld da und das lässt sich besser investieren. Zum Beispiel ins Glücksspiel.

Ich befinde mich derzeit in meinem wohlverdienten Statistikerurlaub in südlicheren, aber kaum wärmeren Gefilden. Eine Woche ohne Fernsehen, ohne Einschaltquoten, ohne Sorgen über die Zukunft der Lieblingsserie oder verzweifeltem Kopfschütteln über die Quoten des RTL-Nachmittags. Als Tourist hat man ganze andere Herausforderungen zu bewältigen.

Hütchenspieler zum Beispiel. Das Spiel kennt jeder: drei Becher, eine Kugel. Der Hütchenspieler deckt die Kugel mit einem der Becher ab, wirbelt diese mit atemberaubender Geschwindigkeit über den Spieltisch und lässt einen dann tippen, unter welchem Becher sich die Kugel befindet. Liegt man richtig, erhält man den doppelten Einsatz zurück, liegt man falsch und unter dem gewählten Becher ist keine Kugel, dann ist das Geld futsch. Gehen wir mal davon aus, dass das alles viel zu schnell läuft, um den richtigen Becher verfolgen zu können, dann liegt die Chance bei 1 zu 2, den richtigen auszuwählen. Bei „Doppelt oder Nichts“ also eine eher ungünstige Situation. Interessant wird es, wenn der Hütchenspieler einen der beiden Becher, die der Tourist nicht gewählt hat und unter dem die Kugel nicht liegt, aufdeckt und den Spieler seine Wahl überdenken lässt. Wie hoch sind die Chancen dann?

Hier geht es mit dem Hütchenspielerbeispiel auch schon nicht mehr weiter, denn der hat die Kugel längst im Ärmel verschwinden lassen und die Gewinnwahrscheinlichkeit liegt bei 0 Prozent. Es sei denn, der aktuelle Spieler ist sein Bruder, Sohn oder Vetter vierten Grades und als Lockvogel engagiert. Dann trifft er den richtigen Becher so oder so. Müssen wir also doch wieder zurück zum Fernsehen.

«Geh aufs Ganze!», Jörg Draeger stellt dem Kandidaten die Wahl zwischen drei Toren. Hinter zweien verbirgt sich der Zonk, hinter einem das Auto. Der Spieler wählt Tor 1, Jörg Draeger lässt Tor 2 daraufhin öffnen, dahinter befindet sich einer der beiden Zonks. Das wusste Jörg Draeger natürlich, der nie das Tor mit dem Auto hätte öffnen lassen, denn dann stünden nun noch zwei Tore zur Verfügung, hinter denen jeweils der Zonk wartet. Nicht gerade spannend. Spannend ist die Frage: Was sollte der Kandidat tun, wenn er vor die Entscheidung gestellt wird, weiter bei Tor 1 zu bleiben oder doch zu Tor 3 zu wechseln?

Die Antwort lautet: Wechseln. Die Wahrscheinlichkeit, hinter Tor 3 das Auto zu finden ist doppelt so groß wie bei Tor 1. Ein verblüffendes Phänomen, das in der Literatur auch als „Ziegenproblem“ oder „Monty-Hall-Problem“ bekannt ist. Monty Hall war jahrzehntelang Moderator der CBS-Spielshow «Let's Make a Deal» und die – man ahnt es bereits – wurde in Deutschland von Sat.1 als «Geh aufs Ganze!» adaptiert. Wie kommt das nun, dass das erstgewählte Tor eine schlechtere Wahl ist als das Alternativtor? Das hängt mit bedingter Wahrscheinlichkeit zusammen, aber einfacher ist es, sich die möglichen Verläufe des Spiels einfach aufzuzeichnen. In der folgenden Grafik ist das mal für den Fall getan, dass das Auto sich hinter Tor 1 befindet:



Man sieht: Entscheidet sich der Kandidat zu Beginn für Tor 2 oder für Tor 3 - und die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei zwei Dritteln – dann lohnt sich später der Wechsel. Für die Szenarien, in denen sich das Auto hinter Tor 2 oder Tor 3 befindet, kann man das ganz ähnlich aufzeichnen. Ganz so einfach ist war es dann bei «Geh aufs Ganze!» dann aber doch nicht, das Auto zu gewinnen, denn hier lag die Situation etwas anders: Es gab keine zwei Zonks, sondern nur einen und statt des zweiten noch eine Art Trostpreis. Um die Spannung hochzuhalten hätte Jörg wohl bevorzugt das Tor mit dem Trostpreis geöffnet. Wird stattdessen das Zonktor geöffnet, hätte das also bedeutet, dass sich der Trostpreis unter dem gewählten Tor befindet und ein Wechsel wäre clever gewesen.

Aber Jörg Draeger ist ein ausgefuchster Zocker und cleverer als jede Statistik. Sollte die Show je zurückkommen, als Statistiker würde man sich wahrscheinlich furchtbar blamieren. Was macht Draeger eigentlich gerade? Ich hoffe mal, er muss nicht in einer Fußgängerzone mit ahnungslosen Touristen spielen.

Oft steckt mehr hinter den Zahlen des TV-Geschäfts als man auf den ersten Blick sieht. Oder weniger. Statistisch gesehen nimmt sie unter die Lupe

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