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Die Evolution des gelben Grusels

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«Die Simpsons» feiern 20. Geburtstag - aus diesem Grund wird Quotenmeter.de eine Woche lang gelb. Zahlreiche Artikel rund um die verrückte Familie erscheinen in diesen Tagen.

Wir werfen einen Blick auf die Halloween-Specials der «Simpsons», eine Tradition, die den jeweiligen Zeitgeist der Serie widerspiegelt.

Seit zwanzig Jahren flimmert Familie Simpson nun schon über die Mattscheiben und hat dabei zu Weltruhm gebracht. In der langen Zeit haben sich eine ganze Menge Traditionen entwickelt hat. Wer kennt nicht die Catchphrasen der verschiedenen Bewohner Springfields, von Homers "Nein!" über Barts "Ey Caramba!" bis zu Monty Burns' "Ausgezeichnet!"? In wie vielen Episoden hat Homer seinen Sohn schon gewürgt, in wievielen hat Tingeltangel-Bob versucht, selbigen zu ermorden? Einer Tradition ganz anderer Art widmet die Serie sogar eine gesamte Episode pro Jahr. In Deutschland zumindest bis vor wenigen Jahren relativ unbekannt, hatten die Feiertage Thanksgiving und Halloween nämlich schon immer einen Einfluss auf US-Serien. Und Halloween feiern die Simpsons auf ihre ganz eigene Weise. Und eigenartiger Weise immer erst nach Halloween.

Alles begann mit der dritten Folge der zweiten Staffel, die drei eigenständige Gruselgeschichten präsentierte. Heute ist diese Episode im englischsprachigen Raum als "Treehouse Of Horror" bekannt, die weiteren Halloween-Ausgaben tragen die Titel "Treehouse Of Horror II" bis "Treehouse Of Horror XX". Tatsächlich ist das dreizehnte Special allerdings das erste, das diesen Titel auch tatsächlich im Intro präsentierte; alle vorherigen Ausgaben liefen noch als "The Simpsons Halloween Special", ebenfalls mit Nummern versehen. In Deutschland wurde weder die eine noch die andere Tradition gepflegt. Die ersten Ausgaben trugen Titel wie "Alpträume", die sich auf die Rahmenhandlung bezogen, die die ersten Halloween-Folgen noch aufwiesen, in denen die Geschichten mal Alpträume der Simpsons-Kinder waren, mal Gruselgeschichten, die sie sich gegenseitig erzählten. Nachdem die Rahmenerzählung der fünften Halloween-Folge komplett der Schere zum Opfer gefallen war wurde dieses Konzept ganz fallen gelassen, die deutschen Titel wurden draufhin erst zu Phrasen wie "Furcht und Grauen ohne Ende", spielten dann auf die drei Geschichten an wie in "Hugo, kleine Wesen und Kang", und entsprachen später oft einfach den Titel der ersten Kurzgeschichte.

Die Geschichten der Halloween-Folgen haben sich über die Jahre so stark gewandelt wie die Serie selbst auch. Das erste Special enthielt typische Gruselgeschichten: ein verfluchtes Haus, eine Entführung durch Außerirdische und eine Simpsons-Version von Edgar Allan Poes "Der Rabe" - und zwar mit dem gesprochenen Originaltext. Schon bei der nächsten Ausgabe verschob sich die Thematik der Geschichten. Statt nur auf atmosphärischen Grusel zu setzen wurden von nun an phantastische Geschichten erzählt. Mal lustig, mal spannend, mal abgedreht und natürlich auch immer wieder gruselig, breiteten sie sich auf die Genres Sciencefiction und Fantasy aus. Oft dienten auch Klassiker wie «King Kong», «Frankenstein» oder «Dracula» als Grundlage.

In der kreativen Hochphase der Serie blühten auch die Halloween-Ausgaben auf. Unter vielen Fans als beste gilt dabei "Treehouse Of Horror V" aus der sechsten Staffel. Die Geschichten "Das Shinning", eine Adaption von Stephen Kings "Shining" sowie "Zeit und Strafe", in der Homer mit Hilfe eines umgebauten Toasters in die Vergangenheit reist und mal mehr, mal weniger unabsichtlich die Gegenwart verändert, finden sich auf jeder Topliste ganz oben wieder. Genauso die Story "Homer³" ein Jahr später, die zum Teil mit 3D-Animation realisiert wurde und Homer und Bart zum ersten und einzigen Mal in der Form zeigen, die man sonst nur von Actionfiguren zur Serie findet. Die einzelnen Stories überzeugten nicht nur durch clevere Plots, sondern auch durch gut gesetzte Schocker. So wird Hausmeister Willien im fünften Special in allen drei Erzählungen ganz unvermittelt und blutig mit einem Axthieb getötet. Mit der Zeit führte das immer wieder zu Problemen mit den Zensoren des Senders, was im achten Special aufgegriffen wurde, in dessen Eröffnungsszene ein Zensor des Sender FOX mit zahlreichen Schwerthieben getötet wird und die im Bild eingeblendete Alterfreigabe bis auf 666 ansteigt. Es waren vermutlich diese Differenzen, die dazu führten, dass auf derart blutige Szenen fortan fast komplett verzichtet wurde.

Viele kleine Traditionen werden seit jeher in der großen Tradition gepflegt. So fielen zwar die Rahmenhandlungen dem Zeitmangel zum Opfer, eine vor dem Intro eingesetzte Anfangsszene blieb aber immer erhalten. Die Introsequenz der Halloween-Folgen weicht stark von der der üblichen Episoden ab und hatte jahrelang ein eigenes Markenzeichen: während die Kamera über den Springfielder Friedhof gleitet, waren lustige Grabinschriften zu lesen. Nach der vierten Ausgabe wurde das aber aus Mangel an Ideen aufgegeben. Erhalten blieben bis heute, mit Ausnahme der Staffeln 13 und 14, die "scary names", die mit dem zweiten Special eingeführt wurden: die Namen der Crew im Abspann sind verfremdet zu zum Beispiel "Rat Groening" oder "James Hell Brooks". Zwei Gastcharaktere der ersten Ausgabe haben es ebenfalls zu Kultstatus gebracht: Kang und Kodos, zwei nach «Star Trek»-Figuren benannte grüne, schleimige Außerirdische, die bislang in jedem Halloween-Special zu sehen und sei es nur ein kurzer Cameo-Auftritt. Beinahe wäre diese Tradition in der achten Halloween-Ausgabe unterbrochen worden, doch Autor David S. Cohen konnte die Produzenten überreden, den Auftritt der Außerirdischen nicht zu schneiden.

Als die Staffelnummern zweistellig wurden, sank nach Meinung vieler Fans auch die Qualität der Serie, die «Simpsons» beschränkten sich mehr und mehr darauf, Parodien anstelle von durchdachten Geschichten zu präsentieren. In den Halloween-Specials spiegelte sich das ganz besonders deutlich wieder. Griff man zwar auch schon in den ersten Ausgaben auf Parodien zurück, so wurden nun mehr und mehr aktuelle Filme und Serien durch den Wolf gedreht, die mit dem Horrorthema nichts mehr zu tun hatten. «Harry Potter», «Transformers», «Mr. & Mrs. Smith», um nur einige zu nennen. Sogar auf «Sex and the City» wurde in einem Titel angespielt. Sehr gute Geschichten wie "Schickt die Klone rein" gab es seither zwar immer wieder, aber die waren doch eher dünn gesäht. Doch die Halloween-Ausgabe der aktuell in den USA laufenden Staffel macht Hoffnung. Statt sich auf plumpe Parodien zu beschränken, wurde experimentiert: eine Geschichte in Schwarz-Weiß, eine auf einer fiktiven Musical-Bühne. Und das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.

Die Halloween-Specials haben den Grundstein gelegt für weitere Experimente ihrer Art. Ob historische Ereignisse, Bibelgeschichten, Erzählungen eines Landstreichers oder Love Stories - immer wieder präsentierten die «Simpsons» seither Episoden mit drei thematisch passenden Geschichten. Auch bei Matt Groenings weiterer Schöpfung «Futurama» erhielt das Konzept in den "Geschichten von Interesse"-Folgen Einzug, die jeweils drei "Was wäre wenn.."-Szenarien erzählten. Die Kunst, phantastische Kurzgeschichten aus dem Simpsons-Universum binnen sieben Minuten zu erzählen wird uns sicherlich so lange erhalten bleiben wie die Serie selbst und wohl auch weiterhin ein Spiegelbild ihrer allgemeinen Verfassung bleiben.

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