Hingeschaut

«Stromberg» (Staffel 4)

von
War die vierte Staffel der Kultserie nicht nur quotenmäßig, sondern auch inhaltlich ein Erfolg?

Status quo. Was am Anfang der vierten Staffel von «Stromberg» galt, gilt am Ende eben jener. Dazwischen passierte jedoch genug: Stromberg wurde endgültig aus der Abteilung für Schadensregulierung geschmissen und in ein Außenbüro nach Finsdorf versetzt. Tanja erhielt stattdessen seinen Platz als stellvertretender Abteilungsleiter, was zwangsweise zu Streitereien mit ihrem neuen Ehemann Ulf führte, der nun seinen Platz als mächtiger Mann (oder wie er selbst sagt: „Präsident“) in der Beziehung fürchtete. Ernie schlitterte währenddessen in eine Depression und versuchte nach einem Selbstmordversuch ein neues Leben anzufangen. Am Ende schaffte es Stromberg schließlich mit Hilfe vieler hinterlistiger Tricks, Tanja vor der Geschäftsführung als überforderte Chefin bloßzustellen und ihren Posten zurückzuerobern.

Worum ging es also im groben Plot der Staffel? Darum, dass Stromberg wieder seinen alten Posten als stellvertretender Abteilungsleiter bei seinen alten Kollegen zurück bekommt. In dieser Hinsicht hat sich gegenüber den vorherigen Staffeln also nicht viel geändert: Zuerst versuchte sich der „schlimmste Chef der Welt“ als Leiter der Gesamtabteilung und scheiterte, danach musste er in Staffel zwei seinen Posten halten und scheiterte letztlich daran, kam in der dritten Staffel aber aufgrund seiner öffentlichen Beliebtheit wieder zurück. Nun also schmiss Drehbuchautor Ralf Husmann Stromberg endgültig aus der alten Wirkungsstätte. Die vierte Staffel geht inhaltlich also einen Schritt weiter als die vorherigen.

Doch die Art und Weise, wie die Geschichten erzählt werden, hat sich drastisch geändert. «Stromberg» ist von einer humoristischen Serie zum tragikomischen Schauspiel geworden. Zahlreiche, dramatisch konnotierte Handlungsstränge, besonders der melodramatische von Ernie, behandeln die schon immer vorhandenen Probleme der Protagonisten in der vierten Staffel intensiver und ernster als je zuvor – sind damit aber auch näher am wirklichen Leben als nie zuvor. Ob die schnelle, wundersame Wandlung vom manisch depressiven zurück zum normalen Ernie nicht zu schnell von Statten ging, sei dahingestellt. Wichtig ist, dass es eine solche Entwicklung gegeben hat. Deswegen, weil sie neu und frisch erzählt wurde.

Und das ist das Wundersame an der vierten Staffel von «Stromberg»: Befürchtet wurde im Vorfeld, dass dem kreativen Team hinter der Kamera die Ideen ausgehen. Das Gegenteil ist geschehen. Die noch in Staffel drei langweilige Figur der Jennifer wurde geschickt zu einer interessanten Hauptperson, als sie eine Affäre mit Stromberg anfing. So hatte man die Gelegenheit, diesen als Vollidioten in Liebensangelegenheiten darzustellen. Seine Versetzung nach Finsdorf bot die Chance, das unbekannte Dorfleben abseits der Großstadt zu beleuchten – und sie gab die Möglichkeit, den Meister der Anbiederung namens Stromberg auf die „Dorftrottel“ loszulassen: Die Folgen, in denen er versucht, sich in das Landleben und die Gemeinde zu integrieren, gehören zu den Höhepunkten der Staffel.

«Stromberg» ist anders. Mit Staffel vier wurde ein neuer Weg beschritten, die Geschichten um die Capitol zu erzählen. Ein anderer Weg hätte Husmann, Feldhusen und Co. in eine Sackgasse geführt. Denn wenn man so weitergemacht hätte wie in der dritten Staffel, dann hätte man nicht mehr viel erzählen können. Mit der inhaltlichen musste auch eine komödiantische Zäsur einhergehen, es musste der Bruch mit Traditionen erfolgen, damit die Serie noch Neues zu bieten haben kann. Und auch wenn viele Fans dem alten Humor hinterher trauern: Die neue Tragikomik machte «Stromberg» erneut zum absoluten TV-Highlight 2009 und zu einer Ausnahmeerscheinung. Serien müssen sich verändern, damit sie langfristig erfolgreich sein können, sie müssen sich also inhaltlich erneuern. Oder um es mit Strombergs eigenen Worten zu sagen: "Wer nicht mit der Zeit geht, der muss mit der Zeit gehen."

Die tollen Quoten – die besten aller vier Staffeln – gaben den Verantwortlichen mit ihrer neuen Ausrichtung recht. «Stromberg» ist nicht besser als vorher, ist nicht schlechter als vorher, «Stromberg» ist anders. Und genau dies hätte fast niemand vor Beginn der vierten Staffel gedacht. Wie oben beschrieben, ist das Autorenteam immer einen Schritt weiter gegangen und hat die Extremsituationen visualisiert, die man sich zuvor noch nicht zu trauen wagte. Ob es nun eine fünfte Staffel geben soll und wird, hängt nun sicherlich davon ab, ob noch einmal wirklich neue Geschichten erzählt werden können. Zumindest ein Kinofilm ist geplant, wenn es nicht zu weiteren TV-Folgen kommen sollte. Papa Bernd auf der Leinwand. Es wäre ein würdiges Ende für eine der wichtigsten Serien der deutschen Fernsehgeschichte.

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