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«Die Vorleser»: Wo bleibt bloß der alte Jähzorn?

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Elke Heidenreich war früher, «Die Vorleser» sind heute. Die Premiere der neuen Büchersendung im Zweiten fiel allerdings recht harmlos aus.

Erst hört man Daniel Merriweathers „Change“ als Titelmelodie in Instrumental-Form, dann sieht man auch schon ein rotes Sofa – in der Tat: Schon alleine optisch und akustisch unterscheidet sich das neue ZDF-Literaturmagazin von seinem Vorgänger – begann «Lesen!» einst meist rustikal und mit einem gewissen Nachdruck, so kommen «Die Vorleser» längst nicht so autoritär und auffordernd daher.

Fast schon entsteht alleine in den ersten Sekunden ein gewisses Kuschelgefühl, das sich von Elke Heidenreichs Kinderopern-Flair klar absetzt – ob im positiven oder negativen Sinne ist zunächst unklar. Doch wer sind überhaupt diese „Vorleser“, die im ehemaligen Hauptzollamt des Hamburger Hafens gemütlich sitzen und uns Zuschauern künftig in regelmäßigen Abständen Buchtipps geben möchten?

Da wäre Amelie Fried, die sich in einigen Wochen von der Bremer Talkshow «3 nach 9» verabschieden möchte. Neben ihr sitzt Ijoma Mangold – ein Literaturkriter, der sich im Fernsehen bislang rar gemacht hat und gleich zu Beginn schon einmal den Titel der Sendung erklären durfte. Man wolle so etwas sein wie die Vorkoster am königlichen Hof und sagen, ob die Speisen – in diesem Fall die literarischen Werke – auch wirklich bekömmlich sind, erklärt Mangold fast schon etwas geschwätzig.



Und dann also das erste Buch, das Fried den Zuschauern in einer kurzen Erklärung näherzubringen versucht. Was folgt, ist ein Zwiegespräch mit ihrem Moderationspartner – und sollte man kurz zuvor nicht so recht aufgepasst haben, kann man schnell auch mal leichte Probleme bekommen, den beiden zu folgen. Fast wirkt es wie zu alten Zeiten des «Literarischen Quartett», nur dass die Ledersessel eben einer Sofa-Ecke weichen musste, sich eben die Hälfte der Diskutanten inzwischen verabschiedete und der alte Jähzorn mit Sprachfehler einfach vergessen wurde.

Es darf durchaus gestritten werden, und Fried und Mangold sind bei ihren Büchern durchaus mal geteilter Meinung, doch richtig wehtun möchte man sich nicht. „Ein bisschen Lektorat hätte diesem Buch schon gut getan“ – das ist auch schon das höchste der Kritiker-Gefühle an diesem Abend. Ob sich der Kauf der zuvor vorgestellten Biografie nun wirklich lohnt oder nicht: Irgendwie weiß man es auch nach dem kurzen Dialog noch nicht. „Man muss ja nicht alles toll finden“, meint Fried schlussendlich. Vielleicht also doch besser die Finger davon lassen? Klare Kauf-Ansagen waren gestern, ein wenig Heidenreich fehlt dem neuen «Lesen!»-Nachfolger also durchaus.

Etwas Orientierung am Vorgänger gibt es aber trotzdem, wenngleich auf Einspielfilme, wie im Falle der neuen «Vorleser» früher verzichtet wurde: Ein prominenter Gast darf selbstverständlich nicht fehlen – Walter Sittler durfte den Anfang machen, der ein wenig über sich und Erich Kästner erzählt, ehe ganz in Heidenreich-Manier schließlich noch drei Bücher in drei Minuten vorgestellt werden. Diese Geschwindigkeit hätte man sich auch schon etwas früher gewünscht. Dennoch: Bücherfreunde kommen auch bei den «Vorlesern» auf ihre Kosten, doch jene Begeisterung, die einst Elke Heidenreich an den Tag legte, fehlte am Ende doch. Und so bleibt eine harmlose Premiere zurück und die Hoffnung, dass die künftigen Ausgaben noch wenig stärker die Lust auf Lesen wecken können.

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