Sonntagsfragen

Sonntagsfragen an Borris Brandt (Teil II)

von
Klare Worte von Ex-Endemol-Boss Borris Brandt. Wie gut ist «Der goldene Käfig» wirklich? An welchen Fernsehmachern sollte man sich ein Vorbild nehmen?

RTL II hatte für den Herbst eigentlich eine Adaption eines türkischen Formats angekündigt - «Die perfekte Frau». Es geht darin kurz gesagt um Frauen, die für Ihre Söhne Freundinnen aussuchen. Nun wird es die Sendung hier nie geben – überrascht Sie das?
Ich kenne das Format, habe es mit Kollegen vor einiger Zeit in Las Vegas gesehen. Die Formatidee ist sicherlich klasse, aber eben nur für einen entsprechenden Kulturkreis.

Würde dann «Der Goldene Käfig» Ihrer Meinung nach funktionieren?
Absolut. Natürlich gibt es auch zwischen Deutschland und Holland einige Unterschiede – aber ich finde, dass «Der Goldene Käfig» das derzeit modernste Reality-Format überhaupt ist. Die Grundidee vor allem aber das dahinter stehende, detaillierte strategische Konzept mit einem offenen Haus und dem Ziel eines Lebens als Millionär, ist absolut zeitgemäß und eine auch kostenmäßig echte Alternative zwischen «Big Brother», Telenovela und Daily Soap. Ich denke sogar, dass dieses Konzept inhaltlich so flexibel ist, dass es sogar öffentlich-rechtlich arbeiten könnte. Die zahlreichen eher lauten Töne zum Start des Formats haben leider etwas von der tatsächlichen Qualität dieses Formats abgelenkt, was ja dann die unglaublich erfolgreiche Entwicklung gezeigt hat.

Dann raten Sie also jedem Sender zuzuschlagen?
Mein Rat ist da eher unwichtig... (lacht) Aber im Ernst, als Senderentscheider würde ich es mir sicher ganz genau ansehen und mit John de Mol persönlich darüber sprechen. Ein wirklich spannendes Thema.

Bei RTL II ist der Posten des Programmdirektors übrigens immer noch nur interimsmäßig besetzt. Haben Sie kein Interesse?
Nein. Ich wäre sicher keine gute Wahl... und ich habe ganz andere Pläne.

Ja?
Dazu sage ich aber erst später mehr.

Auf Produzenten- oder Senderseite?
Lieber später, dafür dann auch fundiert.

Gut – reden wir dann also kurz über «Nur die Liebe zählt», ebenfalls ein Format, um das Sie sich intensiv gekümmert haben. Hier lief es vor allem um die Weihnachtszeit mal deutlich schlechter als unter Ihrer Führung. Hat sich die Show vielleicht ebenfalls ein bisschen überlebt?
Ich war großer Fan von «Nur die Liebe zählt», deshalb fällt mir ein objektives Urteil schwer. Ich denke nach dieser Staffel werden die Herren Bolten und Wolter grundsätzlich sprechen müssen. Preis und Leistung stehen hier auf einigen Ebenen im Missverhältnis und inhaltlich steht man still. Ich bin gespannt.

Ist Marcus Wolter, Ihr Nachfolger auf dem Chefsessel, demnach vielleicht der falsche Mann? Man könnte das aus Ihren Aussagen ein wenig herauslesen…
Das kann ich nicht sagen, weil ich nicht weiß, was er macht. Lassen Sie uns doch aber über Fernsehmacher reden, die in letzter Zeit etwas bewegt haben.

Gern.
Schauen Sie Tine Wittler an. Hier haben die Macher richtig Gas gegeben, sie haben in die USA geschaut und die Marke Tine Wittler noch breiter gemacht (grinst). Da werden jetzt Häuser komplett abgerissen, die Fallhöhe ist viel größer geworden – und genau das wird vom Publikum belohnt. Oder auch beim «Superstar» oder bei Heidi Klum, dem Schuldenberater, der «Supernanny», beim «perfekten Dinner», aber auch bei «Lenßen & Partner» oder vielen Dokumentationen auf RTL II und VOX. Kein Stillstand, immer weiter am Format arbeiten, mit Liebe casten, Geschichten toll erzählen.

Im Fiktionalen war ich von «Doctor’s Diary» wirklich begeistert, aber vor allem von dem «Tatort» aus Münster mit Axel Prahl und Jan Josef Lieffers. Mann war das gut ... und ich habe mich richtig über die Super-Quote gefreut. «Böse Mädche» finde ich auch Klasse - geradeaus und drauf – das ist mutig und gut.

Was hat denn im Fernsehen Ihrer Meinung nach keine guten Zukunftschancen?
Schlechtes Handwerk, fehlender Mut und Resignation.

Kommen wir noch zu zwei Klassikern: Wie beurteilen Sie den Zuschauerverlust von «Wetten, dass...?»?
Alle Formate verlieren auf die Dauer Zuschauer. Das ist ganz normal. «Wetten, dass..?» hat das Problem, dass die Zielgruppe oben wegstirbt und den Jungen die Taktung zu langsam ist. Mal ehrlich: Heute könnte man das Format an keinen Sender mehr verkaufen: Vier Wetten, dazu ein paar tolle Gäste und ein Tip-Top Moderator – jeder Senderchef würde sagen, dass das für zweieinhalb Stunden etwas wenig Inhalt ist. Dennoch: Deutschland spricht über «Wetten, dass..?» - nach jeder Show steht’s in der BamS und wer mitreden will muss es eben sehen. Wobei der Mann, über den das Auto gefahren ist, ein Knaller war. Auch hier heißt es: Dranbleiben.

Läuft «Wer wird Millionär?» auch kommende Saison noch zwei Mal wöchentlich?
Ich weiß es nicht – ich arbeite nicht bei RTL.

Aber Sie haben doch ein Bauchgefühl.
Mein Bauchgefühlt sagt, dass es noch zwei Mal wöchentlich läuft. Welches andere Format holt denn konstant sechs bis sieben Millionen Zuschauer? Und so teuer ist die Produktion der Show nicht. Es hängt natürlich auch davon ab, ob Günther Jauch noch so viele Sendungen machen möchte – ich mache mir aber weniger Sorgen, weil ich es oft sehe und gerade in letzter Zeit scheint es ihm ordentlich Spaß zu machen.

Vielen Dank für das Interview.

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