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Stirb langsam? Die Kirche, das Fernsehen und die Doppelmoral

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Auf «Stirb langsam» will ProSieben in diesem Jahr zu Ostern nicht verzichten – trotz mancher Kritik werden die Quoten auch diesmal wieder stimmen. Doch welche Rolle spielt überhaupt die Kirche in Fernsehen und Radio? Eine spannende Frage, denn sie ist größer als man denken mag.

Längst nicht so stark wie zu Weihnachten, doch auch an Ostern spielt der Kommerz mittlerweile eine große Rolle – warum wir dieses Fest feiern, wissen besonders viele junge Menschen inzwischen nicht mehr. Gedacht wird des Todes und der Auferstehung Jesu, der nach christlicher Überlieferung als Sohn Gottes den Tod überwunden hat.

Doch spielt das in den Medien an diesen Tagen überhaupt eine Rolle? Die Antwort ist nicht leicht zu finden und liegt wohl irgendwo zwischen Ja und Nein. Sicherlich: Am Ostersonntag schaufelt etwa die ARD mehr als zwei Stunden Programm am Vormittag frei, um die Papst-Messe und den Segen „Urbi et orbi“ in die Wohnzimmer zu bringen, was in jedem Jahr auch ein Garant für gute Zuschauerzahlen ist und auch das ZDF strahlt morgens einen Gottesdienst aus. Einen Tag später legt dann noch einmal Das Erste nach.

Einschalten werden sicherlich überwiegend ältere Zuschauer – ein ähnliches Bild wie in vielen Kirchen, in denen junge Gottesdienst-Besucher oftmals nur eine kleine Minderheit abbilden. Religion ja, Kirche nein – so lautet immer häufiger die Einstellung der nachwachsenden Generationen. Dennoch findet noch immer vergleichsweise viel Kirche in den Medien statt. Auffällig ist das vor allem beim Radio. Dort werden Bibelverse zitiert, Denkanstöße gegeben oder sogar ganze Sendungen mit Beiträgen rund um den Glauben gefüllt – vor allem am Sonntagvormittag stehen solche Sendungen hoch im Kurs.

Doch wieso eigentlich? Laut Staatsvertrag heißt es etwa über den Südwestrundfunk (SWR), dass Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts Gelegenheit zu geben ist, ihre Auffassungen in „zweckentsprechenden Sendezeiten des SWR angemessen zu vertreten“. Extra beantragen müssen die Kirchen ihre Sendezeit nicht – sie haben sogar ein Recht dazu. Oft ist es so, dass den Kirchen auf Wunsch angemessene Sendezeiten zur Übertragung religiöser Sendungen eingeräumt werden – wie etwa in Thüringen, wo die Veranstalter die Erstattung ihrer Selbstkosten verlangen können. Für den Inhalt der Sendung ist dann derjenige verantwortlich, dem die Sendezeit zur Verfügung gestellt worden ist, heißt es im Thüringer Landesmediengesetz.



Immer stärker vertreten ist inzwischen der Islam: So räumt das Wortradio SWR.contra etwa monatlich Platz für sein „Islamisches Wort“ ein – ähnlich wie es das ZDF mit dem im Internet gezeigten „Forum am Freitag“ macht, das vor knapp zwei Jahren startete. Womit wir wieder im Fernsehen wären, denn auch dort wird den Kirchen ein Recht auf Sendezeit zugesprochen. Aus diesem Grund hat RTL etwa sonntags seinen «Bibelclip» im Programm, während Sat.1 wöchentlich die Mini-Sendung «So gesehen» ausstrahlt. Beide Formate und die sonntags im Rahmen von «Weck Up!» gezeigte Rubrik „Sunday Up“ haben eines gemeinsam: Sie werden von der APG hergestellt – das ist die Kurzfassung von Allgemeine gemeinnützige Programmgesellschaft.

„Ursprünglich als Stoffentwicklungsgesellschaft für Kirchenprogramme gegründet, entwickelte sich die APG nach dem Erwerb von 50 % der Gesellschaftsanteile durch den Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) in den vergangenen zehn Jahren zu einem wichtigen Instrument kirchlicher Medienarbeit“, heißt es auf der APG-Website. Die Forma entwickelt kirchliche TV-Stoffe, lässt sie produzieren oder beteiligt sich an ihrer Produktion gegen Erwerb von Nutzungsrechten. Auch am N24-Talk «Um Himmels Willen» oder gar dem ProSieben-Filmtipp, bei dem samstags Spielfilme aus dem laufenden Programm aus christlicher Perspektive ausgewählt und besprochen werden, zählen dazu.

Ganz verschwunden ist die Kirche aus dem deutschen Fernsehen daher also längst nicht – leere Gottesdienst-Säle lassen sich dadurch allerdings wohl auch nicht verhindern. Ohnehin ist nach wie vor auch eine gewisse Doppelmoral im Programm der Privaten zu finden, was man kritisieren kann, aber nicht unbedingt kritisieren muss, wenn man sich bewusst macht, wie Privatfernsehen funktioniert. Und so wird neben mancher Jesus-Dokumentation auch in diesem Jahr an den Ostertagen wieder «Stirb langsam» im deutschen Fernsehen zu sehen sein.

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