Hinter den Kulissen der Premiere Bundesliga-Übertragung (II)

von  |  Quelle: Quotenmeter.de Exklusiv
16.45 Uhr: Im Dispatcherraum laufen die Vorbereitungen von «ASAT» auf Hochtouren. Dort findet sozusagen eine zweite Konferenz-Schaltung statt – mit den Redakteuren vor den Stadien in den Übertragungswägen. Welche Spieler sollen als Interviewpartner angefragt werden – und noch viel wichtiger: Soll das, was sie letztlich sagen, direkt im Spielbericht zu sehen sein oder abgesetzt als zusätzlicher Beitrag?

16.53 Uhr: Aufregung in der Schaltzentrale. Roland Evers erklärte, die 1:2 Führung der Berliner in Bochum habe nicht gegolten. Verwirrung herrscht aber darüber, dass am kleinen Fernseher nebenan arena das Tor gelten lässt. Frage an den Ü-Wagen vor Ort: „War das ein reguläres Tor?“ Antwort: „Ja, klar.“ Über einen kleinen Knopf erfährt auch Roland Evers von seinem Faux-pas – entschuldigt sich für das Missverständnis bei den Zuschauern.

17.25 Uhr: Wolff Fuss und Michael Leopold kommen nochmals kurz in den Dispatcher-Raum, Fuß hat nicht viel Zeit, in wenigen Minuten beginnt der Spielbericht zu Schalke 04. Die Spielzusammenfassungen werden live kommentiert. Deswegen begibt sich Fuß wieder in seine Kommentatorenbox. Acht Container stehen in einer großen Lagerhalle – jeweils zwei übereinander. Sie sind recht geräumig – aber schlicht eingeräumt. Zwei Drehstühle, ein Tisch und vier bis fünf Monitore nebst technischem Equipment.

17.39 Uhr: Die Arbeit von Wolff Fuss ist beendet – Fuss geht nach draußen, zündet sich eine Zigarette an. Inzwischen ist es schattig geworden, dennoch ist es nicht kalt. „Jeder Fußballkommentator polarisiert“, erzählt er. „Dennoch ist es schön, wenn du weißt, dass die Mehrheit hinter dir steht.“ Es ist aber nicht nur die Mehrheit, die Wolff Fuß nahezu vergöttert. Ganze Foren sind voll mit großen Lobeshymnen. „Das ist schon der Wahnsinn“, lacht er. „Die Presseabteilung druckt mir das hin und wieder aus und ich bin eigentlich jedes Mal überrascht. Da schwirren sogar Soundfiles von Kommentaren von vor drei oder vier Jahren herum“, zeigt er sich erstaunt.

Mit seiner eigenen Leistung am heutigen Samstag war er zufrieden – er gibt aber zu, dass er sich hin und wieder über sich selbst ärgert. „Es ist nicht schön, wenn man aus einem Spiel rausgeht und dann letztlich bei strittigen Szenen doch zu einem anderen Schluss kommt, als während der Live-Übertragung.“ Besonders ärgerlich sei dies natürlich bei strittigen Schiedsrichterentscheidungen, die der Kommentator bewerten muss.

Foto: WDRSeinen Kommentationsstil beschreibt er als „ausgewogen emotional“, aber „immer am Spiel orientiert“. Er fügt hinzu, dass dies nicht die einzig wahre Art zu kommentieren sei – im Gegenteil: „Die Konferenz lebt davon, dass wir alle anders sind. Der eine sachlicher, der andere sehr emotional“. Ein Kommentatorenproblem habe Deutschland nicht – „ganz sicher nicht“ – sagt er, kann aber trotzdem kein Vorbild für sich festmachen. „So etwas habe ich nicht,“ schüttelt der 30-Jährige mit dem Kopf. Erst als wenige Minuten später Uwe Morawe vorbeikommt, grinst er ihn an und sagt: „Ihn höre ich zum Beispiel gerne.“ Bevor Fuss zu Premiere kam, war er bei ESPN, beim DSF und beim Digitalkanal DF1.

Kommentatoren seien extrem wichtig für ein Fußballspiel, erklärt er. Selbst schaut Fuss große Spiele aber genau deswegen lieber im Stadion an. „Du hörst immer genau hin, was derjenige dann sagt und überlegst, was du in diesem Moment gesagt hättest.“ So könne er sich nicht wirklich auf ein Spiel konzentrieren. Sollte er ein Spiel nicht live vor Ort sehen können, schalte der deswegen auch hin und wieder den Stadionton ein.

Selbst ist er Fan des 1. FC Köln, „das muss ich mir jetzt aber langsam mal überlegen“ scherzt er. Schließlich krebst die Truppe von Christoph Daum seit Wochen im Mittelfeld der zweiten Liga herum – immer wieder setzt es herbe Niederlagen. Ein Wiederaufstieg in die erste Liga ist ausgeschlossen.

„Arena war mir zu unsicher“

Der 21. Dezember 2005 war für alle Premiere-Mitarbeiter kein einfacher Tag – es war der Tag, an dem bekannt wurde, dass arena die Bundesligarechte für drei Spielzeiten erworben hatte. Premiere stand gänzlich mit leeren Händen da. „Das war nicht so toll“, erinnert sich der Kommentator zurück. Auf die Frage, ob er an einen Wechsel zum neuen Sender gedacht hat, antwortet er: „Klar.“

Wenige Wochen später entschied er sich aber, bei Premiere zu bleiben. „Bei arena – das war mir damals zu unsicher.“ Die Entscheidung, bei Premiere geblieben zu sein, bereue er auch heute nicht. „Die Bundesliga kommentiere ich ja immer noch, und mit Champions League, dem Uefa-Cup und den internationalen Ligen, allem voran natürlich der Premier League, ist das ein richtig gutes Gesamtpaket."

Eines seiner großen Ziele, einmal ein WM-Finale zu kommentieren, konnte er bislang zwar noch nicht verwirklichen. Dennoch dürfte er sich bewusst sein, dass er in der sendereigenen Hierarchie kräftig auf dem Vormarsch ist. Als der FC Bayern kürzlich gegen Leverkusen antrat, agierte Fuss gar als Vertretung für Marcel Reif – in der Champions League kommentierte er ein Viertelfinalspiel in voller Länge und im Halbfinal-Rückspiel der Champions League durfte er sogar im Champions TV, dem Free-TV-Fenster von Premiere auf DSF, ran. Seinen Aufstieg bezeichnet er selbst als „völlig normalen Entwicklungsprozess“ – und bleibt somit bescheiden. „Weißt du“, sagt er, „es ist doch immer subjektiv, ob man einen Kommentator mag oder nicht. Aber es beruhigt mich, dass mich meine Chefs derzeit wohl nicht ganz schlecht finden“, grinst Fuss.

Ohnehin sei es für ihn nicht wichtig, immer die Spiele zu bekommen, die auf dem Papier als Topspiele markiert sind. „Die können hin und wieder ziemlich öde sein – manchmal sind Zweitligaspiele aus England da spannender“, lacht er und betont, dass es ihm nicht nur wichtig sei, wer auf dem Platz stehe, sondern, dass er am Geschehen und seiner Arbeit Spaß habe. Ein Spiel wird ihm aber ganz sicher noch eine lange Zeit im Gedächtnis bleiben. „Wie du weißt, habe ich das 7:1 von ManU gegen Rom kommentiert“, erzählt er mir, „ich glaube, es ist verständlich, dass das auf Jahre ein besonderes Highlight bleiben wird.“

19.00 Uhr: Die Zusammenfassungssendung «Alle Spiele, alle Tore» ist vorbei – die Mitarbeiter sind zufrieden. Bevor die Schicht um 19.30 Uhr endet, werden letzte Dinge zusammengepackt und sich über die aktuellen Spielergebnisse unterhalten. Schon am nächsten Tag wird wieder Fußball gespielt – und dann geht das Geschehen wieder von vorne los.


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