Pro & Contra

Jauch geht nicht zur ARD

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In «Pro & Contra» diskutieren Fabian Böhme und Arne Hübner aktuelle Themen aus der TV-Welt. Heute: Günther Jauch hat sich entschieden, nicht die Nachfolge von Sabine Christiansen anzunehmen.



Von Fabian Böhme:

Günther Jauch bleibt also bei RTL. Würde er unter dem Pantoffel der ARD stehen, hätte RTL wohl wenig zu lachen gehabt. Uneingeschränkte Möglichkeiten beim Einsatz der „Allzweckwaffe“ sind für die Zukunft die beste Voraussetzung. Was wäre denn gewesen, wenn Jauch eine politische Talkshow im Ersten moderiert hätte? Für ihn persönlich hätte das das Ende seiner zahlreichen Werbetätigkeiten bedeutet, zumindest für einen großen Teil davon.



Aber für RTL hätte das weitaus schwerere Konsequenzen gehabt. Es wurde indirekt gefordert, dass Jauch sein «stern tv» abgeben soll – und damit würde der Moderator „sein kleines Baby weggeben“, denn er ist seit Stunde Eins an Bord. Wer erinnert sich nicht an die Modesünden, die Jauch damals im kleinen Studio begangen hat? Seit 1990 moderiert er das wöchentliche Magazin. Es wäre gar nicht so unwahrscheinlich, dass das der heimliche Auslöser des Rückziehers gewesen sein könnte, wenngleich das Geplänkel innerhalb der ARD nicht gerade ohne ist.



RTL hat zwar mindestens zwei Nachfolger Jauchs „in Arbeit“ - Oliver Geissen und Marco Schreyl – aber beide sind trotzdem weit weg von der Jauch'schen Messlatte. Und diese Messlatte scheint der Grund zu sein, warum gerade Jauch das Erbe der Sabine Christiansen antreten sollte: Niemand sonst ist so beliebt wie er und verfügt über so viel Erfahrung in seinem Beruf.



Die Freiheit, die Jauch bei RTL genießt, kostet er aus. Zahlreiche Shows moderiert er und sein Millionenquiz läuft super. Doch wie kann die Zukunft aussehen? Vielleicht ergreift RTL die Chance und plant nun einen eigenen Polittalk – mit Günther Jauch. Die ARD hat die Weichen schon mehr oder weniger gestellt. Und wenn im Sommer Sabine Christiansen ihre Sendung aufgibt, hätte man sogar am Sonntag einen Sendeplatz, der frei vom „Platzhirsch“ ist und sowieso einer Sendung mit Günther Jauch gedacht war.



Und welche Konsequenzen es für seine eigene Produktionsfirma gehabt hätte, kann man nur ahnen. Jauchs I & U TV produziert erfolgreich Shows vorwiegend für RTL und strahlt diese unter anderem sonntags aus. Es wäre wohl ein komisches Gefühl gewesen, Eventshows für RTL zu produzieren und zeitgleich zur Ausstrahlung im Ersten zu talken.



Damit verlief die Entwicklung – und besonders das Ende – des Vorhabens „Jauch in der ARD“ für Günther Jauch und RTL positiv. Doch was beide Parteien daraus machen, wird die Zukunft zeigen.



Von Arne Hübner:

Am 11. Januar platzte der Traum. Ab Herbst sollte der fleischgewordene Schwiegermuttertraum Günther Jauch die Nachfolge vom Polit-Talk «Sabine Christiansen» in der ARD antreten. Doch schon seit Sommer letzten Jahres, als erste Gerüchte über den Coup in die Öffentlichkeit gelangten, gingen die Diskussionen los. Jauchs Werbeverträge waren einigen ARD-Verantwortlichen ein Dorn, wenn nicht sogar ein ganzen Dornenfeld, im Auge. Ebenso sollte der smarte Jauch exklusiv an die ARD gebunden werden. Neben der sonntäglichen Gesprächsrunde, sollte er noch ein weiteres wöchentliches Sendeformat bekommen. Sein Engagement bei RTL müsse Jauch beenden. Jetzt beendete er die Verhandlungen mit der ARD und kippte abschließend Öl ins Feuer: Dass Gremium der ARD sei ein Gremium von Gremlins und Wichtigtuern, ätzte der sonst so sympathische Fernsehstar. Das Thema Polit-Talk ist laut seiner Aussage für ihn abgehakt.



Neben Jauch, der in seiner Karriere bereits zum beliebtesten deutschen Talk- und Showmaster gewählt wurde, hat es kein erfahrener Moderator geschafft, über Jahrzehnte hinweg jedem Format, sei es noch so bescheiden konzipiert, Leben und Profil einzuhauchen. Der Mann ist, man entschuldige meine Eigenheit als Phrasenschwein, ein Tausendsassa. Der gebürtige Münsteraner wollte sich von seinem zukünftigen Arbeitgeber nicht bevormunden lassen. Jauch hatte wohl bei seinen Verhandlungen mit der ARD Angst vor drittklassigen Entscheidungsträgern und deren Zwangsempfehlungen. Er wollte sein eigenes Ding durchziehen. Die ARD hat ihn unterschätzt. Mit Christiansen, der sitzenden Parkuhr und dauerlächelnden Stichwortgeberin, hatte man vergleichsweise leichtes Spiel. Ihre Talkrunde, die meist von neoliberalen Think Tank-Mitgliedern dominiert wurde, verkam mehr und mehr zur Schaubühne und Volksgehirnwäsche. Allerdings sollte man Jauch hier nicht zum Propheten des deutschen Fernsehens stilisieren. Doch eines möchte ich an dieser Stelle behaupten: Er hätte der ARD wieder zu einer ernsthaften Polit-Talkshow verholfen.



Und die Folgen der Absage Jauchs sind fatal: Reinhold Beckmann wird nun als Kandidat gehandelt. Der Mann, der das genaue Gegenbild darstellt. Egal welches Format Beckmann moderiert und gestaltet – von Sportsendungen bis zum Tränen-Talk –, es mangelt regelmäßig an Substanz. Das Problem dabei ist, dass die ARD die Aufgabe einer Politik-Talkshow missversteht. Das Grundprinzip einer solchen Sendung lautet informieren und nicht unterhalten. Jauch kann beides. Beckmann hingegen besitzt einzig die Fähigkeit der leidlichen Unterhaltung. Vielleicht kann sich wenigstens Frank Plasberg überreden lassen. Plasberg, der Zweite-Wahl-Mann vom WDR, dem die ARD-Mächtigen im Vorfeld zu wenige Star-Qualitäten bescheinigten.



Doch wem schadete dieses bizarre Verwirrspiel um Jauchs „Verpflichtung“? Der ARD? Dem Fernsehjournalisten, Moderator und Produzenten Jauch? Im Großen und Ganzen schadet es der deutschen Fernsehwelt, die stetig die politische Informationsvermittlung abbaut. Mit Günther Jauch als Christiansen-Ersatz wäre ein Schritt in die richtige Richtung getan worden. Diese Chance wurde leichtfertig verspielt. Jauch wird nun weiter den Zirkusdompteur der Privaten spielen: 5 Millionen hier, die 16.000-Euro-Frage da und Gen-Gürkchen im Discounter-Regal. So lange das Geld stimmt.



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