Pro & Contra

US-Serien: Fluch oder Segen?

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In der neuen Quotenmeter.de-Reihe "Pro & Contra" beleuchten zwei Redakteure ein aktuelles Thema von zwei Seiten. Die Leser haben die Möglichkeit, im Froum abzustimmen, wer eher Recht hat und können zudem mitdiskutieren.


US-Serien überschwemmen den deutschen Markt und verdrängen vor allem im Privat-TV die deutschen Serien. Während dieser Boom für manche TV-Fans ein wahrer Segen ist, ist er für wieder andere ein Fluch. Arne Hübner und Fabian Böhme diskutieren.

Von Fabian Böhme
Schon vor einigen Jahrzehten sorgten «Dallas», «Fury», der «Dever Clan» und andere US-Produktionen für geballte Spannung und emotionale Momente. Am Beispiel von «Fury» sieht man, dass die US-Serien nicht erst seit den 1980ern vermehrt auftauchen: Die deutsche Erstausstrahlung der Serie mit dem Pferd war 1958 - also vor fast 50 Jahren. Neu ist das Konzept der importieren Ware nicht - wenngleich der Boom erst viel später ausbrach. Wer erinnert sich nicht an Kitt, das sprechende Auto aus «Knight Rider» oder an die Cops von «Miami Vice»?



In der Gegenwart erleben die US-Serien eine wahre Hochkonjunktur. Alles rund um «CSI» und «Law & Order» über «Dr. House» und «Monk» - Die Einschaltquoten zeigen, dass die deutsche Bevölkerung großen Gefallen an diesen Produktionen findet. Mehr als fünf Millionen Zuschauer sitzen jeden Dienstag vor dem Fernseher und sehen «CSI: Miami» und «Dr. House». Doch was ist das Erfolgsgeheimnis der US-Serien?



Ein Grund ist wohl die Art und Weise, wie produziert wird. Der Aufwand ist bei Weitem größer als er bei deutschen Produktionen. Zudem scheint es ebenso ein Grund zu sein, dass die US-Serien vielschichtiger sind als die meisten deutschen Serien. US-Serien verarbeiten ein weites Spektrum an verschiedenen Erzählweisen, was die Abwechslung fördert und aus dem Grund keine Massenproduktion erkennbar ist. Am Beispiel «Lost» lässt sich zudem der Qualitätsunterschied deutlich machen: Wer die RTL-Serie «Verschollen» gesehen hat, weiß, warum die amerikanischen Produktionen größtenteils den besseren Ruf haben im Bereich der Mystery- und Krimithematik. Wurde «Verschollen» im Studio mit dem Bluebox-System gedreht, mietete man für «Lost» eine ganze Pazifikinsel und machte aus ihr eine ganze Szenenlandschaft. Infolgedessen wirkt «Lost» umso realer und bietet zudem noch das Merkmal der Mystery, was bei «Verschollen» komplett fehlte. Anhand des Erfolges sieht man, dass sich die ansprechendere Gestaltung durchsetzt: Erlebte «Verschollen» nur 28 Episoden mit miesen Quoten, ist man mit «Lost» wesentlich erfolgreicher, man befindet sich momentan in den Dreharbeiten zur dritten Staffel.



Vielleicht mag es auch die Flucht aus dem Alltag sein. „Deutsch hab ich jeden Tag genug um mich“ - und somit flieht man durch die US-Serien in eine andere Welt. Zum „runterkommen“ am Abend, zur „fernen Unterhaltung“ am Nachmittag.



Doch was wäre das deutsche Fernsehen ohne US-Serien? Es wäre mehr als langweilig - deutsche Produktionen können fulminant sein, doch wie würde man denn das Fernsehen erleben, ohne ausländische Ware genießen zu können? Es wäre ein abwechslungsloses Unterfangen mit, das kaum Ausweichmöglichkeiten bietet. Frische Ideen aus Übersee, kreative Köpfe aus den Staaten und hervorragende Schauspieler aus den USA bieten ein vielschichtiges Programm für Jedermann. Von den Crime-Serien hinüber zur Comedy, die zu den Dramen führt und spannende Actionthriller-Serien wie «24» anzubieten hat - Was will man mehr? Ohne die US-Serien wäre das deutsche Fernsehen wohl nur halb so unterhaltsam.



Von Arne Hübner:
Gil Grissom und sein «CSI»-Team fesseln jede Woche aufs Neue die Fernsehzuschauer. Jack Bauer muss in «24» Überstunden schieben und den Couch-Potatoes gefällt’s. Die kleinen psychischen Macken von Adrian «Monk» begeistern Millionen RTL-Zuschauer. Schöne amerikanische Serienwelt, die Woche für Woche die Deutschen fesselt. Professor Brinkmann und Co. – ehemals deutsche Serienhelden - bleiben heutzutage außen vor. Da kauft die bundesdeutsche Senderwelt lieber amerikanische Spitzenware, und ja auch miese Massenware, ein. Da sparen die Programmgestalter gutes Geld. Und, so die Gedankenspielchen der Verantwortlichen, haben wir vielleicht auch einmal Glück und eine eingekaufte US-Serie findet beim Publikum Anklang. Wer käme denn auf die wilde Idee, deutsche Drehbuchautoren zu beauftragen, vielleicht auch noch ambitionierte Jungschauspieler, die kein Aas kennt, zu casten, die komplette Produktionsmaschine anzuschmeißen und Millionen von Euro für ein riskantes neues Serienprojekt auszugeben.



Nein, das wäre doch fatal. Es geht auch mit amerikanischer Konfektionsware. Die Zuschauer geben sich damit zufrieden. Wir Programmchefs konzipieren einfach weiter dämliche Comedy-Shows, klauen uns gegenseitig die Telenovelas und hoffen auf NBC, Fox und wie die alle heißen. Die Amis werden schon gute Serien konzipieren. Und die kaufen wir dann einfach ein. Synchronisieren das Zeug und senden es. Und für die alten Bundesbürger, gibt’s die Öffentlich Rechtlichen. Klassiker en Mass: Perlen des ZDF wie «Forsthaus Falkenau», die Adrenalin-Saga «Küstenwache» oder das norddeutsche «Miami Vice»-Pendant «Großstadtrevier» im Ersten sind seit Jahren Publikumsrenner – beim alten Publikum.



Die für die Werbewelt wichtige Zielgruppe der 14 bis 49-jährigen schaut lieber den inoffiziellen Robinson Crusoe-Großenkeln von «Lost» zu. Neue anspruchsvolle deutsche Serien werden immer seltener produziert. Das Festhalten am Bewährten – zwei neue «Traumschiff»-Episoden pro Jahr, billig produzierte Soap Operas á la «GZSZ» oder «Marienhof» sowie Krimikram wie «Ein Fall für Zwei» - und die Scheu vor Innovation, führen zwangsläufig zum Kollaps. Ein Zusammenbruch, der bereits erkennbar ist. Ami-Serien für die Jungen, konservativer Heile-Welt-Lokalkolorit für die Alten. Die Gefahr dabei: Selbst wenn sich die Sender, und das sind primär die Öffentlich Rechtlichen, an einen guten Stoff rantrauen, schauen die Jungen weg. Eine deutsche Serie? Nee, lass mal. Zapp lieber zur «Stargate»-Crew. Der Ruf ist bereits verspielt.


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