Die Kino-Kritiker

«Palmer»: Justin Timberlake will mehr als Sänger sein

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In Fisher Stevens Apple-Werk «Palmer» verkörperte der ehemalige Lead-Sänger von *NSYNC* den Ex-Knasti Eddie Palmer.

Dass er vor die Kamera gehört, wusste Justin Timberlake schon als Teenager. Anfang der Neunzigerjahre gehörte er zum Cast vom «Mickey Mouse Club». Mit 15 wurde er Leadsänger der Boygroup *NSYNC*, bis sich die Band 2002 auflöste und Timberlake seine Solokarriere begann. Mit seinem ersten Album „Justified“ kletterte er an die Spitze der Charts. Gleichzeitig strebte der am 31. Januar 40 gewordene Allroundkünstler eine Schauspielkarriere an. Seine erste große Rolle hatte er 2005 neben Kevin Spacey in «Edison», doch der Film schaffte es noch nicht mal ins Kino.

So richtig als Schauspieler wahrgenommen wurde Timberlake erst 2010 in David Finchers «The Social Network» über Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Die Hauptrolle spielte Jesse Eisenberg, aber auch Timberlakes Darstellung des Napster-Mitbegründer Sean Parker fiel positiv auf. Nun bekam der Musiker endlich auch seine ersehnten Hauptrollen in vielversprechenden Kinofilmen wie «In Time – Deine Zeit läuft ab» (2011), «Runner Runner» (2013) und in Woody Allens «Wonder Wheel». Aber den Helden oder Lover-Boy zu spielen, reicht Justin Timberlake nicht mehr, weshalb er jetzt in dem Sozialdrama «Palmer» (exklusiv bei Apple TV+) alles gibt, um zu zeigen, wie viel schauspielerisches Potential in ihm steckt.

Vom Saulus zum Paulus
Nach zwölf Jahren Knast wegen schwerer Körperverletzung und Raubüberfall kehrt Eddie Palmer (Justin Timberlake) in seine Heimatstadt irgendwo in Louisiana zurück. Seine Großmutter Vivian (June Squibb) nimmt ihn bei sich wieder auf. Eddie verspricht, ein normales Leben zu beginnen. Im Garten von Vivian haust in einem Wohnwagen die drogensüchtige Shelly (Juno Temple) und ihr siebenjähriger Sohn Sam (Ryder Allen). Eddie freundet sich mit beiden an und beginnt sogar eine Affäre mit Shelly. Bis sie eines Tages spurlos verschwindet und ihren Sohn allein zurücklässt.

Als dann auch noch Vivian stirbt, ist Eddie plötzlich ganz allein mit dem Jungen. Er fühlt sich verantwortlich für den Kleinen, auch wenn er zunächst gar nichts mit ihm anfangen kann. Denn Sam spielt mit Puppen und liebt Prinzessinnen. Ja, er möchte sogar selbst eine sein. Wegen seiner Andersartigkeit wird der Junge in der Schule gehänselt. Eddie ärgert das, erkennt er sich in dem Jungen doch selbst. In ihm wächst der Beschützerinstinkt und bald wächst ihm Sam so sehr ans Herz, dass er ihn nicht mehr hergeben will, selbst als die Mutter wiederauftaucht.

Mit Vollbart und durchtrainiertem Körper
Nun gibt Justin Timberlake zur Überraschung seiner Fans also den Antihelden und legt alles in die Schale, was ihm zur Verfügung steht. Das zeigt sich schon in seiner äußeren Erscheinung. Als Popstar kennt man ihn adrett, geschniegelt und mit gepflegtem Bart. Als Palmer hingegen trägt er einen fusseligen Vollbart zu einem Kurzhaarschnitt und macht damit einen ziemlich desolaten Eindruck. Der Mann hat viel durchgemacht, will uns der Schauspieler signalisieren, und das nimmt man ihm auch ab.

Nichtsdestotrotz verbirgt sich unter seiner Kleidung ein strotzender und vollends durchtrainierter Körper, der sich sehen lassen kann und dem Publikum natürlich nicht vorenthalten bleiben soll. Also gibt es gleich zwei feurige Sex-Szenen mit verschiedenen Partnerinnen, in denen der Star videoclipmäßig seinen Allerwertesten in die Kamera rücken darf. Ästhetische Bilder, die damit aber auch sichtlich herausfallen aus der ansonsten trüben Alltagsstimmung, die der Film vor sich herträgt.



Die Annäherung zweier Außenseiter
Denn im Zentrum der Handlung geht es eigentlich um die Annäherung zweier Außenseiter, einem Ex-Knacki und einem Jungen, der scheinbar aus seiner Art gefallen ist. Daraus ergeben sich etliche tragische, aber hin und wieder auch amüsante Szenen, die gut funktionieren, weil der erst achtjährige Ryder Allen eine putzige Erscheinung ist und sein großer Kollege empathische Züge entwickelt. Kurzum: Die Chemie zwischen beiden stimmt und Justin Timberlake hat an der Seite des Knaben seine stärksten Momente. Ja, der Sänger kann was und man sollte ihm auch zukünftig Rollen anbieten, die ihn emotional herausfordern.

Ansonsten bleibt die Story unter der Regie des einstigen Schauspielers Fisher Stevens («Nummer 5 lebt!») aber ziemlich übersichtlich und vorhersehbar. Im letzten Drittel wird hurtig auf ein Happyend zugesteuert, damit sich das anfangs aussichtslose Sozialdrama doch noch zu einem Feel-Good-Film entwickelt. Dagegen spricht im Grunde genommen auch nichts, nur das man «Palmer» schnell wieder aus dem Gedächtnis verliert.

Fazit: Mit «Palmer» will Justin Timberlake noch einmal sein schauspielerisches Talent unter Beweis stellen. Das gelingt ihm mitunter ganz gut, auch wenn seine erotischen Auftritte einzig seinem Ego zu dienen scheinen. Seinen Fans werden es ihm trotzdem danken (110 Min., frei ab 12, ab sofort bei Apple TV+).

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