Die Kino-Kritiker

«Jean Seberg - Against all Enemies» - In den Tod getrieben

von   |  1 Kommentar

Im Alter von 40 Jahren nahm sich die Schauspielerin und politische Aktivistin Jean Seberg im Jahr 1979 das Leben. In seinem ergreifenden Thriller-Biopic «Jean Seberg - Against all Enemies» widmet sich Regisseur Benedict Andrews nun jenem Teil ihres Lebens, der sie zunächst in eine schwere Depression und schließlich in den Selbstmord geführt hat.

«Jean Seberg - Against all Enemies»

  • Start: 17. September 2020
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 102 Min.
  • Genre: Biopic/Drama/Thriller
  • Kamera: Rachel Morrison
  • Musik: Jed Kurzel
  • Buch: Joe Shrapnel, Anna Waterhouse
  • Regie: Benedict Andrews
  • Darsteller: Kristen Stewart, Yvan Attal, Gabriel Sky, Anthony Mackie, Vince Vaughn
  • OT: Seberg (UK/USA 2019)
Es sind die kleinen Dinge, die einen manchmal darüber nachdenken lassen, wie fest verankert die unterschiedliche Wahrnehmung von Frauen und Männern im Film oder der Popkultur generell ist. Drehen Filmschaffende Biopics über berühmte männliche Persönlichkeiten, so genannte Biopics, dann rückt man bereits im Titel schon häufig das in den Mittelpunkt, wofür diese Person berühmt wurde. «The Social Network», «A Beautiful Mind», «The King’s Speech», oder man nutzt direkt jenen Namen, unter dem diese Person bekannt wurde: «Gandhi» etwa. Im Falle von frauenzentrischen Filmporträts sieht das dagegen etwas anders aus. In den meisten Fällen belässt man es hier nämlich beim Vornamen als Titel für den Film. Beispiele: «Frida» über Frida von Julie Taymor, «I, Tonya» über Tonya Harding, «Violette» über die Schriftstellerin Violette Leduc oder «Paula» über die Malerin Paula Modersohn-Becke.

Das wohl aktuellste Beispiel: «Judy» über Judy Garland. Und nutzt man doch einmal einen anderen Titel, weiß man auf den ersten Blick überhaupt nicht, worum es eigentlich geht. Wie sollen die «Hidden Figures» denn im Nachhinein aus dem Schatten der Männer treten, wenn sie noch nicht einmal einen aussagekräftigen Filmtitel spendiert bekommen?



Ende der Sechzigerjahre...


Jean Seberg (Kristen Stewart) ist noch immer eine Schauspielikone. Seit Neuestem unterstützt die politisch engagierte Frau Mitglieder der Black-Power-Bewegung. Mit dem Aktivisten Hakim Jamal (Anthony Mackie) beginnt sie sogar eine Affäre. Diese Liaison rückt sie ins Visier des FBI. Von ihr unbemerkt wird Jean Sebergs Haus verwanzt und steht fortan permanent unter Beobachtung. Doch die junge Schauspielerin hat empfindliche Antennen für das, was um sie herum passiert. Sie ahnt, dass sie verfolgt wird, doch ausgerechnet in ihrem Ehemann Roman (Yvan Attal) findet sie nicht den Halt, den sie benötigt. Jean Seberg stürzt in eine tiefe Depression, stetig genähert von der Angst, verfolgt zu werden. Die beiden Abhörspezialisten und FBI-Agenten Jack Solomon (Jack O’Connell) und Carl Kowalski (Vince Vaughn) erleben den psychischen Verfall ihres Ziels zwar hautnah mit, doch nur bei einem von beiden schleichen sich langsam Skrupel ein…

Benedict Andrews‘ «Jean Seberg» hätte vielleicht den für den deutschen Markt extra hinzugefügten Untertitel «Against All Enemies» nicht zwingend gebraucht, aber der Regisseur des Drama-Geheimtipps «Una und Ray» gibt schon mit dem Filmtitel (im Original heißt der Film sogar einfach nur «Seberg») vor, dass er die im Mittelpunkt stehende Aktrice als vollwertige Person ansieht. Jean Seberg ist hier nicht einfach nur Jean, ein emotionales Persönchen, sondern eine Frau, die abseits ihrer Schauspielkarriere ein gleichermaßen aufregendes wie bemitleidenswertes Dasein fristete, als sie ins Visier des FBI geriet und dadurch tief, tief in eine Depression gedrängt wurde. Benedict Andrews inszeniert sein Biopic als Mischung aus Thriller und Drama, in dem die Schauspiellegende Jean Seberg kaum eine Rolle spielt. Man sieht sie nur einziges Mal, verkörpert von einer überragenden Kristen Stewart («Die Wolken von Sils Maria»), wenn diese hier in einem Filmset liegt und sich der Blicke eines Kameramanns zu erwehren versucht. Eine Szene, in der die professionelle Bühnen- respektive Leinwandpersona mit der durch die Ereignisse gebeutelten Frau zusammenkommen.

Kristen Stewart war nie besser


Stattdessen stellt «Jean Seberg» die titelgebende Hauptfigur als resolute Politikaktivistin vor. Eine der ersten Szenen überhaupt zeigt sie auf einem Flughafen-Rollfeld, wie sie sich gemeinsam mit einer Gruppe Black-Power-Aktivisten ablichten lässt. Dass das FBI fortan die Jagd auf sie eröffnet, nagt zunächst weniger an ihr als erwartet; im Gegenteil. Die fest im Leben stehende Frau kokettiert bisweilen sogar mit ihrer Popularität, um diese gezielt für die Aufmerksamkeit politischer Belange zu nutzen. Doch mit zunehmender Laufzeit legt Andrews den Fokus auf die sich sukzessive immer enger um Sebergs Hals legende Schlinge und darauf, mit welcher Selbstverständlichkeit die Ermittler in ihrem Leben herumschnüffeln. Schon das alleinige Abhören von Sebergs Privatgesprächen, inklusive Einschüchterungsversuche über Telefonate, ist ein enormer Eingriff in die Privatsphäre. Doch so richtig die Kehle zu schnüren sich einem Momente wie diese, in denen die FBI-Mitglieder wie selbstverständlich die Wohnung der Schauspielerin betreten und sich dort bewegen, als wäre nicht Jean Seberg sondern sie selbst hier zuhause.

Insbesondere in der zweiten Hälfte von «Jean Seberg – Against all Enemies» ist das von den Ermittlern heraufbeschworene (und irgendwann einfach nicht mehr abzuwendende) Leid für die Protagonistin kaum noch zu ertragen. Wenn sie nachts verzweifelt nach den Wanzen in ihrem Appartement sucht, der Zuschauer genau weiß, dass sie mit all ihren Ängsten Recht hat und Sebergs Ehemann wiederum kurz davor ist, seine Gattin für wahnsinnig zu erklären, würde man am liebsten vor Wut in die Leinwand springen. Auch die sich zuspitzenden, auf wahren Ereignissen basierenden Konsequenzen aus diesen Ermittlungen, die sogar ein Menschenleben kosteten, machen den Fall Seberg endgültig zu einem verfilmten Mahnmal. Vielleicht kommen bei all dieser Tragik und dem Fokus auf Sebergs psychische Verfassung mitsamt ihrem Kampf für Anerkennung einige ebenfalls aufgegriffene Aspekte zu kurz. Die Beziehung zwischen ihr und dem verheirateten Hakim Jamal (Anthony Mackie) und – natürlich – auch ihr Leben als Schauspielerin. Doch Benedict Andrews wollte sichtbar von etwas anderem, etwas Wichtigerem erzählen als von einer grandiosen Mimin. Und so wie er das hier tut, bleiben nicht nur der Film, sondern auch die Person Jean Seberg auf eine eindringliche Weise im Gedächtnis.

Fazit


«Jean Seberg – Against all Enemies» ist ein Biopic im Gewand eines Spionagethrillers, das uns zwar nicht die Schauspielerin Jean Seberg, wohl aber ihre komplexe Persönlichkeit, ihre Kraft, ihre Furchtlosigkeit und ihre Emotionalität hervorragend vor Augen führt.

«Jean Seaberg - Against all Enemies» ist ab dem 17. September in den deutschen Kinos zu sehen.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
17.09.2020 10:05 Uhr 1
Ich sehe Kristen total gerne! Mal sehen, on ich ins Kino gehe....hatte ja noch kurz vor der Corona Zwangs Schließung "Underwater" mit ihr gesehen.

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