Hingeschaut

«Die Dr. Wimmer Show»: Einen Arzt, wir brauchen einen Arzt!

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Vormittags um zehn Uhr versendet Sat.1 nun seinen Medizin-Talk mit Dr. Johannes Wimmer. Wie Migräne und Sex zusammenpassen, welche Chancen der Sender vertut und welche man sich nicht entgehen lassen sollte…

Sex und Migräne – das sind bekanntlich zwei Dinge, die nicht so recht zusammen passen wollen. Die neue Sat.1-Daily, «Die Dr. Wimmer Show», hat genau diese beiden Thematiken in der Auftaktsendung zusammengeführt. Entsprechend gab die erste Ausgabe am Montagvormittag auch ein nicht übereinstimmendes Bild ab. Im vergangenen Sommer entstand bei Sat.1 in München die Idee, den eigentlich von Scripted-Reality-Formaten dominierten Nachmittag mit einem neuen Medical-Talk zu ergänzen; die Chefetage des Senders wollte weg vom Einheitsbrei und hin zu neuen Programmfarben. Rund ein halbes Jahr später scheint man sich von diesem Plan wieder entfernt zu haben, neu bestellt wurden inzwischen drei neue Ermittler-Dokus, zwei davon als (indirekte) Revivals. Und auch der Medizin-Talk mit Dr. Johannes Wimmer, den Zuschauer von YouTube oder dem WDR kennen, läuft nun nicht im Nachmittagsprogramm.

Stattdessen muss sich Sat.1 gewissermaßen den Vorwurf gefallen lassen, nach dem für die Primetime geplanten «Fittest Family», das letztlich am Samstagmittag versteckt wurde, nun das nächste Format auf einem Randslot zu verheizen. Ganz so schlimm ist es nicht; für den Medizin-Talk, der nun um zehn Uhr beheimatet ist und die Zuschauer vom «Frühstücksfernsehen» mitnehmen soll, liefen in den zurückliegenden Tagen doch etliche Trailer. Und ein Medizin-Talk in der heutigen Zeit hat sogar definitiv seine Daseinsberechtigung; die komplette Welt spricht in Zeiten von Corona immerhin über Gesundheit. Ein Corona-Special von Dr. Johannes Wimmer in seiner eigenen Sendung wird wohl so schnell nicht zu realisieren sein; die erste Staffel seines Formats ist abgedreht, angesichts der Platzierung um zehn Uhr (wo vorher Re-Runs liefen) dürfte eine Fortsetzung des Geschehens wohl eher unwahrscheinlich sein.

Und so ging es also am Montag direkt mit sehr zeitlosen Themen an den Start; jeweils etwas mehr als 20 Minuten besprach Wimmer die Bereiche Sex und Orgasmus sowie Migräne. Gut möglich, dass sich das Themenfeld Sex auf YouTube und als generelles Aufklärungsvideo gut schlagen wird. Morgens um zehn wirkte es aber Deplatziert, weil vor allem die Männer die angesprochenen waren. Kurzum: Natürlich haben Themen wie dieses ihre Berechtigung in einem Talkformat, in dem es um Körper, Gesundheit und Ausklärung geht. Ob gleich die erste Sendung damit aber aufmachen muss, ist doch fraglich. Möglicherweise war die Kalkulation ‚Sex sells’ hierfür ausschlaggebend. Deutlich informativer und spannender wurde es in der zweiten halben Stunde, als Wimmer eine junge Frau zu Gast hatte, die seit ihrem siebten Lebensjahr unter schlimmen Migräne-Attacken leidet. Woher kommt Migräne, wo sitzt sie, was passiert im Körper und vor allem: Was kann helfen?

Back to the roots


Allgemeines

  • Produziert wurden vom Format 20 Folgen.
  • Der Hamburger Dr. Johannes Wimmer ist 36 Jahre alt und wirklich Mediziner.
  • In Lübeck forschte er und schrieb dort seine Doktorarbeit. Die Ergebnisse seiner Forschung präsentierte er weltweit.
  • Auch VOX-Zuschauer kennen ihn, er trat in «Wir sind klein und ihr seid alt» als Experte auf.
  • Zudem ist Dr. Wimmer Buchautor.
Welchen Einfluss Haargummis und -Bänder haben, wieso Duftkerzen in Mirgänephasen nicht zu empfehlen sind und weshalb Pfefferminzöl eine wohltuende Wirkung haben kann, war Teil dieses Gesprächs. Auch hier gilt wieder vermehrt: Möglicherweise wird jener Clip vor allem auf Abruf und auf Plattformen wie YouTube seine Klicks sammeln. Für das lineare Fernsehen hingegen wirkt «Die Dr. Wimmer Show» fast schon ein wenig aus der Zeit gefallen. Wäre da nicht das sehr ansehnliche Studio (nach «Big Brother» ist es schon das zweite Sat.1-Set, in dem blau (und türkis) die dominierenden Farben sind), könnte man fast meinen, der Sender hätte die Zeit gut 15 Jahre zurückgedreht. Das ist im positiven wie negativen Sinne gemeint. Wimmer hat – ohne Zweifel – Entertainer-Qualitäten, egal, ob man darüber schmunzeln kann, wenn der Mediziner Bilder aus dem Handwerks-Bereich wählt, um sexuelle Dinge zu veranschaulichen. Jedoch plätschert das Geschehen im Studio in einer Unaufgeregtheit vor sich hin, wie man sie zuletzt vom Privatfernsehen eben nicht mehr kannte. Wenngleich der Themenaufbau innerhalb eines Blocks absolut stimmig ist, wünscht sich der vom Privatfernsehen getriebene Zuschauer eigentlich mehr Tempo. Andererseits ist diese Form der Entschleunigung – in noch deutlicherem Ausmaße erlebt man sie bei Nachmittags-Formaten der dritten wie «Kaffee oder Tee» - auch sehr wohltuend.

Es ist aber eben ein klarer Stilbruch innerhalb eines Senders, der danach oder um «Die Dr. Wimmer Show» wieder das aufgeregte «Klinik am Südring» oder nachgestellte Polizisten-Einsätze mit bewusst zugespitzten und rasant erzählten Verläufen anbietet. Genau das ist wohl auch der Grund, weshalb nicht der Mut vorhanden war, Dr. Johannes Wimmer am Nachmittag anzubieten. Da die besprochenen Themen jedoch auch nichts anbieten, was sich nicht irgendwo im Web in (vielleicht schlechterer) Qualität finden lässt, würde dem Zuschauer auch nichts entgehen, sollte er vormittags um zehn nun keine Zeit für Wimmer finden.

Das fehlende Puzzlestück


Grundsätzlich ist die Show ein weiteres Beispiel dafür, dass beim Sender Sat.1 nicht in allen Eventualitäten gedacht wird. Freilich: Als die Show produziert wurde, hätte wohl niemand eine Pandemie des Ausmaßes von Corona auch nur im Ansatz für möglich gehalten. Aber andere tagesaktuelle Medizin-Themen hätte man einplanen können. Durch den großen Zeitversatz zwischen Produktion und Ausstrahlung geht dem Format letztlich das verloren, was es von YouTube-Tutorials hätte unterscheiden können: Aktualität und darüber kommend ein Stück Relevanz.

Schade ist es um Entertainer Dr. Johannes Wimmer, der sich in jedem Fall für Weiteres empfiehlt und den sich Sat.1 schnell für weitere Projekte sichern sollte.

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