Interview

Karlo Hackenberger: 'Synchronisation ist eine fragile Kunst'

von   |  1 Kommentar

Seit Jahrzehnten ist Karlo Hackenberger als Synchronsprecher tätig, darüber hinaus führt er auch Synchronregie und textet Synchronbücher. Mit Quotenmeter.de spricht er über seine Lieblingsarbeiten.

Zur Person

  • Karlo Hackenberger wurde 1969 in Berlin als jüngstes von vier Kindern geboren
  • 1983-84 war er auf der Allhallows School, England
  • 1988 machte er sein Abitur in Berlin
  • Seine Anwalt-, Zahnarzt-, Betriebswirt-, Goldschmied-, Geigenbauer-, MTA-, sowie Gangster-Karriere hat er nach eigenen Angaben vorzeitig abgebrochen
Aktuell kläfft er sich in der Trickserie «Taffy» als Hund Bentley durch den späten Nachmittag im Disney Channel. Doch man kennt ihn auch als Yamchu aus «Dragon Ball Z» oder als Daario Naharis in «Game of Thrones»: Synchronsprecher Karlo Hackenberger. 1969 in Berlin geboren, ging er unter anderem zusammen mit Katrin Fröhlich (deutsche Stimme von Gwyneth Paltrow), ihrem Bruder Andreas (dt. Stimme von Edward Norton), Dorette Hugo (Titelheldin in der Erstsynchro von «Arielle, die Meerjungfrau») und Oliver Rohrbeck (dt. Stimme von Ben Stiller) zur Schule. Ein richtiger Synchro-Talentepool, aus dem er da entsprungen ist. Und wie es für viele Synchronstimmen seines Kalibers üblich ist, macht er mehr, als nur Film- und Serienfiguren eine neue Stimme zu verleihen. Er ist außerdem als Synchronregisseur und Synchronautor tätig.

Das heißt für Hackenberger, dass er keine geregelten Arbeitszeiten kennt – und Urlaubsplanung ist für ihn auch stets ein Wagnis: "Man muss auf jeden Fall sehr flexibel sein und sich immer ein Stück weit verfügbar machen – eine Woche Urlaub machen zu wollen, bedeutet immer, sich damit herumzuschlagen, dass alle davon ganz erschrocken sind und man sehr viel vorplanen muss", erklärt er. Ein Problem ist auch, dass in seinem Metier "überraschend viel sehr kurzfristig gebucht" wird. "Wenn ich eine wiederkehrende Rolle in einer Serie habe, weiß ich, dass ich eine gewisse Zeit über viel im Studio bin", benennt er die Ausnahmesituation. "Der Großteil unseres Berufes sind das Kleinvieh, das auch Mist macht. Ich erfahre oft erst am Vortag, ob ich spreche, und wenn ja, wie viele Stunden ich ab wann wo gebraucht werde." Ein flüssiger Arbeitstag ist da oft reiner Zufall: "Es kann auch mal vorkommen, dass ich morgens zweieinhalb Stunden spreche, dann vier Stunden Pause habe und dann eine Stunde spreche. Disposition ist ein umfangreicher Teil dieses Berufes."

Daher holt sich Hackenberger in dieser Frage Hilfe ins Boot: "Ich gönne mir den Luxus, einen Disponenten/Agenten zu unterhalten, der für mich mit den verschiedenen Agenturen telefoniert und meine Termine ausmacht. Es erleichtert mir meine Arbeit ungemein, dass ich mich nicht allein um diese ganzen Zeitfragen Gedanken machen muss." Es ist aber kein reiner Luxus – denn selbst, wenn er nicht gerade hinter dem Mikro steht, ist er für Terminabsprachen nur selten verfügbar, wie er erläutert: "Ich wüsste auch gar nicht, wie ich diese Terminabsprachen, die viel übers Telefon geklärt werden, überhaupt bewerkstelligen soll." Als Synchronsprecher und Synchronregisseur hat er schließlich sein Telefon oft auf stumm oder im Flugmodus.


Eine fragile Kunst


Du kannst dir einen Film oder eine Serie anschauen, wo die Texte sitzen, die Tonabmischung perfekt ist, du hast die Synchronelite in den großen Rollen – und dann kommt da eine Nebenfigur mit ein paar Sätzen an, die ganz steif klingt oder völlig emotionslos, und schon bricht die Illusion zusammen.
Karlo Hackenberger
Wenn er in seinen Jahrzehnten im Synchrongewerbe eine Sache gelernt hat, dann diese: "Eine gelungene Synchronisation ist eine Gruppenleistung, eine fragile Kunst." Das beweist laut Hackenberger folgende Erfahrung: "Du kannst dir einen Film oder eine Serie anschauen, wo die Texte sitzen, die Tonabmischung perfekt ist, du hast die Synchronelite in den großen Rollen – und dann kommt da eine Nebenfigur mit ein paar Sätzen an, die ganz steif klingt oder völlig emotionslos, und schon bricht die Illusion zusammen und du sitzt davor: 'Ah, ja. Scheiß Synchro.'"

Schauspielerisches Talent allein genügt laut Hackenberger nicht, um gut synchronisieren zu können. Es erfordert schon ein spezielles schauspielerisches Können: "Ich kenne hervorragende Bühnenschauspieler, die hinter dem Mikro völlig verloren sind, ich kenne großartige Synchronschauspieler, die auf der Bühne oder vor der Kamera völlig verkrampfen – es ist alles Schauspiel, aber dennoch sind es unterschiedliche Künste. Die muss man schon beherrschen können." Mit einem Staunen in der Stimme merkt er zudem an: "Und dann hast du solche Sensationen wie Anke Engelke, die Beides meistern. Aber das ist selten. Ich hatte mal in der Regie einen Schauspieler, der sich selber synchronisieren sollte, und in der Originalszene war er super. Aber im Synchronstudio kamen da nur Fiepser raus."

Promisynchros sind für Hackenberger daher mal stark, mal mies – und dann erinnert er sich an Fälle, wo Stars ihre Sache zwar so schlecht nicht gemacht haben, aber "einfach eine Fehlbesetzung" waren, da sie stimmlich nicht zur Vorlage passen und sich daher hinter dem Mikro enorm verstellen müssen, was den erhofften Wiedererkennungswert inklusive Werbeeffekt zerstört. "Wer geht schon extra für einen Star ins Kino, den man dann nicht mehr erkennt?", fragt Hackenberger.

Ich teile die Begeisterung für Untertitel nicht. Die lenken vom Bild ab und verkürzen die Dialoginhalte viel mehr als es jede Synchro tun würde.
Karlo Hackenberger
Solchen gelegentlichen Fehlentscheidungen im Synchrongewerbe zum Trotz ist Hackenberger aber auch privat bekennender Fan von Synchronfassungen: "Ich teile die Begeisterung für Untertitel nicht. Die lenken vom Bild ab und verkürzen die Dialoginhalte viel mehr als es jede Synchro tun würde." Er räumt ein: "Bei Filmen in Sprachen, die man selber beherrscht, verstehe ich, wieso man sie im Original schaut – ich kann aber zum Beispiel kein Japanisch, und bei Untertiteln geht so viel Inhalt verloren und es ist bei Formaten, wo viele Figuren durcheinander reden auch richtig anstrengend." Sein Fazit zur ewigen Synchro-gegen-Untertitel-Debatte: "Ich möchte mich im Film verlieren, den Darstellern in die Augen blicken – da sind Untertitel keine Lösung."

Ähnlich albern wie die Synchro-gegen-Untertitel-Debatte ist für Hackenberger ein nicht unerheblicher Teil der Publikumsrückmeldungen. Einer der seltsamsten Fälle, den er miterlebt hat, betrifft Raj aus «The Big Bang Theory»: "Seine Figur ist ja Inder, und Raj hat auch im Deutschen einen Akzent und da haben sich viele Fans beschwert. Das sei ja kein echter Akzent und der Name Raj wird doch ganz anders ausgesprochen, wir hätten doch mal recherchieren können …"

Fast schon mit diebischer Freude löst er auf, wie daneben dieses Feedback war: "Jetzt ist aber der Sprecher von Raj ein Inder. Der halt so spricht, wie er spricht. Das ist ein 1a-authentischer Akzent und … der Sprecher heißt auch Raj. Der wird ja wohl wissen, wie man seinen Namen ausspricht." Etwas neckisch ergänzt Hackenberger: "Aus solchen Gründen lese ich auch ganz selten Fanforen – meistens wird ja gemeckert, dass man doch lieber das Original sehen will." Lachend wirft er nach: " Ja, dann macht das doch."

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Familie Tschiep
26.11.2019 17:40 Uhr 1
Eigentlich sind alle Pixarfilme schön, auch da gehört Coco zu den Besten, ich mochte Alles steht Kopf und Wall-E jedoch noch lieber.
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