Hintergrund

Fehlstart nach Maß: AppleTV+ ist ein Rohrkrepierer

von   |  10 Kommentare

Schlechte Kritiken, ein sehr geringes Angebot und eine maue Nachfrage sind das Ergebnis von Apples Streamingdienst. Bislang ist AppleTV+ kein Angriff auf die bestehenden Streamingdienste von Amazon und Netflix.

Am Freitag, den 1. November 2019, startete der Software- und Hardware-Gigant Apple aus Cupertino, Kalifornien, seinen Streamingdienst AppleTV+. Mit diesem Angebot wagt sich das Unternehmen in einen weiteren Bereich vor, in dem es für eine monatliche Summe einen gewissen Service anbietet. Neben Apple Music, das im Jahr 2015 gestartet ist, kamen vier Jahre später auch der Zeitschriften-Service Apple News Plus, der Spiele-Dienst Apple Arcade und das Streaming-Angebot AppleTV+ hinzu.

Apple, das Milliarden aus den iPhone-Verkäufen verdient, wird von der Branchenpresse verwöhnt. Bei der Präsentation der neuen Geräte, die Veranstaltungen finden meist im September und März statt, berichten viele Verlage mit Live-Tickern und stellen die Geräte ausführlich vor. Kritische Stimmen sind in diesen Artikeln kaum vorhanden, immerhin sortiert Apple zu kritische Journalisten aus. Mit dem Vordringen in den Streaming-Markt hat sich Apple allerdings mit ein paar Fachjournalisten angelegt, die keine Angst vor dem kalifornischen Konzern haben.

„Es ist bestenfalls eine ziemlich träge Kopie des Konzeptes effektiver Genre-Unterhaltung, wobei chaotische und ausgereifte Geschichten die Lücke füllen“, schrieb Daniel D‘Addario von Variety über die Serie «See» (Bild). Diese erhielt von den Kritikern lediglich 37 von 100 Punkten (Metascore-Durchschnitt). „Die große Kameraführung durch die kanadische Wildnis ist wunderschön. Aber zum größten Teil beweist «See», dass das ganze Geld der Welt ein fehlerhaftes Skript nicht retten kann“, urteilt TV Guide-Redakteur Liam Mathews.

„Es ist nicht gut, aber es ist für mich auf eine befriedigende Art und Weise schlecht“, sagte Willa Paskin von Slate über «The Morning Show». „Wie «The Newsroom» und «Smash» gibt es einen Blick auf eine Unterhaltungswelt, die für New Yorker Medientypen von großem Interesse ist.“ Adam Chitwood (Collider) urteilte: „Es gibt vieles, was «The Morning Show» thematisch anpacken will und es ist Ehrins (Autorin der Serie, Anmerkung der Redaktion) Verdienst, dass es öfter gelingt als es scheitert.“

Auch in deutschen Medien zieht sich ein ähnliches Bild: Die Serien sind alle ganz nett, aber wirklich weltbewegend und überzeugend ist kein Format. Netflix startete seine Streaming-Karriere mit «House of Cards» und «Orange is the New Black», kann allerdings nur Formate auf Amazon Prime-Niveau liefern. Der Online-Versandhändler versuchte mit «The Man in the High Castle» vor fünf Jahren zu überzeugen, enttäuschte aber zahlreiche enthusiastische Zuschauer. Allerdings punktete Amazon mit zahlreichen Lizenzartikeln, die AppleTV+ nicht vorweisen kann.

Der Start war für viele Anwender ohnehin chaotisch. Obwohl sich bei Apple viele Dienste via Paypal und Co. bezahlen lassen (selbst iPhones und iPads), musste für die kostenfreie Probewoche eine Kreditkartennummer hinterlegt werden. Die Korrelation zwischen potenziellen AppleTV+-Nutzern und Kreditkarten-Nutzer ist in Deutschland nicht gerade überwältigend, wie eine Auflistung von Check24 aus dem Jahr 2014 zeigt. Kreditkarten-Champions sind die 50- bis 59-Jährigen, während knapp 12 Prozent der 18 bis 30-Jährigen eine Kreditkarte besitzt. Die Mitbewerber Amazon und Netflix bieten ihre Dienste mit weniger Aufwand an. Zudem ist die Familienfreigabe zwingend, da Apple Sicherheitscodes an die iPhones sendet. Wer keinen Apple-Account besitzt, kann auch kein AppleTV+ schauen.

Der neue Streamingdienst ist auf den Hardware-Geräten von Apple nutzbar – sowie im Browser. Amazon hat in Deutschland zahlreiche Fire-Geräte verkauft, allerdings wird AppleTV+ lediglich auf zwei von insgesamt Fire-TV-Modell-Modellen angeboten. Der neue Fire TV Stick 4K sowie der aktuelle Fire TV-Stick können den Dienst bereitstellen, erst später sollen der Fire TV Cube und der Fire TV aus dem Jahr 2017 hinzukommen. Die Geräte, die vor 2017 erschienen, werden den Dienst gar nicht anbieten können.

Der niedrige Abopreis von 4,99 Euro im Monat ist im Vergleich zu anderen Anbietern dennoch sehr hoch. Es gibt sieben Serien, drei davon für Kinder, und eine Doku-Reihe. Von allen Formaten gibt es drei Episoden, wöchentlich sollen jeweils neue Folgen hinzu kommen. Außerdem sollen die Serien die gesamte Familie ansprechen, weshalb man bei der Hip-Hop-Serie «Vital Signs», die lose auf dem Leben von Dr. Der basiert, den Stecker zog. Das Format enthielt zu viele Schimpfwörter, Drogen und Sex – damit möchte Apple nichts zu tun haben. Für die kommenden Monate hat Apple 20 weitere Formate in der Pipeline.

Warum Apple seine bisherigen Eigenproduktionen nicht noch bei AppleTV+, sondern lediglich bei Apple Music anbietet, ist ebenfalls fragwürdig. Die mies abgeschnittene Show «Planet of the Apps» mit Jessica Alba, Gwyneth Paltrow und will.i.am kommt auf zehn Folgen, die im Jahr 2017 produziert wurde. Die James-Corden-Show «Carpool Karaoke», von der 40 Episoden vorliegen, und mit vielen Prominenten besetzt ist, findet sich bei dem Dienst ebenfalls nicht.

Laut einer Studie des amerikanischen Anbieters Parrot Analytics, die die Nachfrage in einem 24-Stunden-Zeitraum von Serien nach der Veröffentlichung analysiert, schneiden die Apple-Serien besonders schlecht ab. Obwohl Millionen von Menschen Dank Kauf eines Apple-Gerätes einen kostenlosen Zugang zu AppleTV+ haben, erreichte «The Morning Show» weniger als fünf Millionen Aufrufe. «Dickenson» und «For All Mankind» kamen auf über zehn Millionen Views, der inhaltliche Flop «See» erreichte etwas über 15 Millionen Views.

Grund für die schlechte Performance ist natürlich der erst vor Kurzem erfolgte Start von AppleTV+ sowie die Tatsache, dass es von den Formaten erst drei Folgen gibt. Allerdings waren neun Serien, die wöchentlich erscheinen, erfolgreicher als die Apple-Programme. Bislang konnte der neue Streamingdienst von Apple nicht überzeugen, das Angebot ist kein Gesprächsthema in den Büros und Pausenhöfen. Der Dienst könnte sich in eine Reihe weiterhin mäßig laufender Apple-Produkte wie Apple Music (60 Millionen Abonnenten, Spotify hingegen 113 Abonnenten) einreihen.

Kurz-URL: qmde.de/113447
Finde ich...
super
schade
63 %
37 %
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelNach der Erstausstrahlung: One holt alte «Doctor Who»-Folgennächster ArtikelAm Spendentag: RTL verkauft ganze Werbeinsel an eine Firma
Es gibt 10 Kommentare zum Artikel
Familie Tschiep
11.11.2019 12:55 Uhr 1
Die Serien waren von der Papierform nicht so aufregend.

Ich frage mich, warum niemand sich an Thursday Next, die Flüssen von London oder Der Feuerreiter seiner Majestät wagt. Ich glaube, das könnten Erfolge werden.
LittleQ
11.11.2019 16:12 Uhr 2
Glaub nicht, dass Apple mich wird reizen können. Disney noch ja, aber Apple schenk ich mir wirklich.
Blue7
11.11.2019 17:45 Uhr 3
War das von vornherein nicht klar, dass Apple+ ein Ladenhütter mit den paar Serien wird. Egal was ein See gekostet hat.

Und wie man überall hört gibts auch bei vielen Probleme wegen mangelnder Kreditkarte.
Wolfsgesicht
12.11.2019 00:59 Uhr 4
Das sollte kein Problem sein, man kann auch mit Paypal zahlen.



Nur ich würde das Abo nicht abschließen ehe eine interessante Serie vollständig zu sehen ist.

Und es gibt auch kaum Programm welches man mal so sehen kann. Netflix hat sowas wie Family guy, Amazon TBBT HIMYM etc., das kann man auch nebenher schauen.

Apple TV+ bietet fast nix. Das wird sich wohl noch geben, aber bei einem geringen Angebot muss dieses absolut den Massengeschmack treffen. Das tut es nicht, also hilft nur ein größeres Angebot.
Fabian
12.11.2019 06:50 Uhr 5
@Wolfsgesicht: Du benötigst trotz Paypal-Zahlung eine gültige Kreditkarte.
Wolfsgesicht
12.11.2019 17:07 Uhr 6
Ich habe aber Apple Music, Apple TV+, iCloud Speicher und kaufe Apps - ohne Kreditkarte. Ich hab gar keine.
Blue7
12.11.2019 17:21 Uhr 7
Ja bei diesen Apple Diensten soll auch keine Kreditkarte erforderlich sein, bei Apple TV+ aber schon
Wolfsgesicht
12.11.2019 17:27 Uhr 8
Ok, dann geht’s bei mir aufgrund des Studenten-Accounts bei ? Music, der TV+ ja kostenfrei einschließt.
Fabian
13.11.2019 11:41 Uhr 9
Ich habe inzwischen gelesen, dass man die Kreditkarte bei der Desktop-Nutzung brauchst. Wo schaust du das an?



Übrigens: Auf meinem AppleTV kann ich AppleTV+ nachwievor nicht anschauen. Ich bekomme immer einen Code geschickt, habe alle Updates gemacht, aber AppleTV reagiert nicht.
Wolfsgesicht
13.11.2019 12:14 Uhr 10
Ich schau’s auf dem Apple TV. Hat bei mir ohne Murren funktioniert, brauchte gar nichts machen.



Aber wie gesagt: Dadurch dass das bei Studenten bei Apple Music mit drin ist kann ich zur Kreditkarte natürlich nix sagen, wenn sie ausschließlich für TV+ nötig ist.

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung