Hingeschaut

«Superhero Germany»: Viel Gebrüll um wenig Spektakel

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Auch der neueste Versuch ProSiebens, endlich mal eine erfolgreiche Samstagabend-Show ohne die Masterbrains Joko, Klaas und Raab zu installieren, scheint bereits nach Folge eins quasi zum Scheitern verurteilt. Besonders ärgerlich: Viele Probleme des Neustarts sind nicht wirklich neu - und wären vermeidbar gewesen. Hoffnung macht nach Folge eins einzig der Umstand, dass diese nach einem völlig verhunzten Start zum Ende hin merklich an Spannung gewonnen hat.

ProSieben-Samstagabendshows seit 2016 (Auswahl)

  • «ProSieben Länderspiel»
  • «Völkerball»
  • «ProSieben Auswärtsspiel»
  • «Promi-Darts-WM»
  • «Time Battle»
  • «Alle gegen Einen»
  • «ProSieben Wintergames»
  • «Headis Team-WM»
Nicht inkludiert sind Kreationen mit Joko und Klaas sowie von Stefan Raab.
Fast dreieinhalb Jahre ist es inzwischen her, dass Stefan Raab seine Fernsehkarriere beendet hat. Wer seither in einen tiefen Dornröschen-Schlaf gefallen und erst jetzt wieder aufgewacht ist, dürfte mit Blick auf den Samstagabend zur Erkenntnis gelangen, kaum etwas Bedeutsames verpasst zu haben. Zwar versuchte sich ProSieben durchaus immer wieder mit mehr oder weniger frischen neuen Ideen, doch diese scheiterten in unschöner Regelmäßigkeit ebenso verlässlich, wie die Formate inhaltlich halbgar bis desolat blieben - zumindest, so lange nicht Joko und Klaas vor der Kamera standen, deren letzter großer Hit «Die beste Show der Welt» allerdings auch schon drei Jahre zurückliegt, eine alte Raab-Kreation weitergeführt wurde («Schlag den Star») oder Stefan Raab zumindest als Ideengeber fungierte («Das Ding des Jahres»).

Irgendwo zwischen den halbgaren und desolaten Formaten dürfte sich «Superhero Germany» einreihen, denn die erste große Primetime-Show mit Patrick "Coach" Esume macht bei ihrem ersten Anlauf deutlich mehr falsch als richtig, ist aber nicht Reinfall genug, als dass es den Verantwortlichen gegenüber fair wäre, sie in einem Atemzug mit televisionären Dreistigkeiten wie «Time Battle» oder den grausamen «Wintergames» aus dem Dezember zu nennen. Dass die Sendung aber ihre vier Samstagabende durchhält, die sie laut derzeitigem Programmplan hintereinander bestreiten soll, ist dennoch mehr als fraglich: Zu schnell, zu hektisch, zu kalt, zu stark abgekupfert und zu lange zu eintönig ist das Dargebotene, das darüber hinaus auch Einiges an Potenzial ungenutzt lässt und wahrscheinlich zu spät den Schalter umzulegen vermag.


Neue Show, altbekannte Fehler


Das Konzept des laut Senderchef Daniel Rosemann "toughen Ritts für Alltagsathleten und Work-Out-Heroes": Jeweils acht weibliche und männliche Hobbysportler treten zunächst in drei Runden gegeneinander an, bevor sich jeweils ein Geschlechtsvertreter einem Doppelfinale gegen die Profisportler Christina Obergföll und Sandra Bradley (Damen) bzw. Tim Wiese und Björn Werner (Herren) stellen darf. Und hier hätten bereits in der Planung des Formats die ersten Alarmglocken schrillen sollen, denn die Kombination "Promis sind bei einer Abendshow physisch präsent" und "Promis machen über weite Strecken nichts weiter, als im Hintergrund rumzusitzen" hätte man eigentlich von «Beginner gegen Gewinner» und «Alle gegen Einen» kennen und für eher so mittel bis gar nicht gut befinden können. Hätte man. Stattdessen hat man sich aber dafür entschieden, das Prinzip auf die Spitze zu treiben und die Promis über ganze zwei Drittel der Show "ihren Arsch breitsitzen" zu lassen, wie es Co-Kommentator Christian Düren (neben Elmar Paulke) überaus charmant ausdrückt.

Das alleine wäre zwar ein Versäumnis gewesen, das bei einer kritischen Selbstreflexion der jüngeren Show-Vergangenheit nicht hätte sein müssen, aber zugleich kein Drama. Immerhin sind die eigentlichen Stars der Sendung ja die zu "Superheroes" hochstilisierten Kandidaten, die zuvor in nicht weniger als 14 Duellen ihren Hero-Faktor unter Beweis stellen dürfen. Jetzt aber bloß nicht wieder das Publikum langweilen, indem man auf lange Einspieler mickrig kurz gehaltene Spiele folgen lässt, die sich dann zu allem Überfluss auch noch ständig wiederholen. Den Fehler hat ProSieben bei «Time Battle» teuer bezahlen müssen und würde ihn doch niemals ein zweites Mal machen. Denkste. Denn genau damit bestreitet man allen Ernstes die komplette erste Stunde: Die je vier Frauen- und Männer-Duelle werden mit pathetischen und gefühlsduseligen Filmchen eingeleitet, in denen die verlässlich mit Schicksalen und großen sportlichen Freizeit-Erfolgen bestückte Lebensgeschichte der Athleten umrissen wird, bevor sie in direkten Wettkämpfen wenige Sekunden lang um das Weiterkommen spielen. Vor allem der Herren-Wettkampf ist dermaßen lächerlich kurz und unspektakulär geraten, dass die Promis hier nicht einmal Bewunderung für das erfolgreiche Bestreiten dessen zu heucheln bereit sind. Das ist spätestens im dritten von acht Duellen nur noch schwer ohne inbrünstiges Gähnen mit anzuschauen, denn da wird dem Zuschauer bewusst, dass alle Damen und Herren dieselben beiden Spielchen bestreiten müssen.



Diese Ambivalenz zwischen der vollen emotionalen Breitseite, die dem Rezipienten in den Einspielern mit dem Holzhammer eingekloppt werden und dem gar nicht mal so spannenden anschließenden Wettkampf irritiert. Zur Irritationsmaximierung setzt man dann aber auch noch den so genannten "Hero-Faktor" ein, einem numerischen Wert mutmaßlich zwischen 0 und 100 Punkten, der sich anhand des Mittelwertes von vier Hero-Kriterien (Kraft, Ausdauer, Tempo und Koordination) zusammensetzt. Na, okay, ein nettes Gimmick, das die Macher von Redseven Entertainment ja gewiss mit Leben füllen, indem sie den Zuschauern erklären und/oder zeigen, wie genau man die Werte errechnet hat, nicht wahr? Fast. Man hat sich für ein alternatives Modell entschieden, das dem Prinzip "Zahlen als gottgegebene Tatsache hinklatschen und auf die ProSieben-Website verweisen, wo man seinen eigenen Hero-Faktor ausrechnen lassen kann" entschieden. Kann man so machen, ist dann aber eher weniger gewinnbringend.

Hinzu kommt das Problem, dass man der Sendung die Tatsache allzu deutlich anmerkt, dass sie vorab aufgezeichnet und das eingefangene Material wohl auch noch sehr emsig auf drei Stunden Brutto-Sendezeit runtergebrochen wurde, denn sie gerät in den wenigen Passagen, in denen weder ein Einspieler noch ein Wettkampf läuft, zu einem wahren Schnitt-Festival und fühlt sich dadurch noch hektischer, aufgeblasener und kälter an, als sie aufgrund der eher in homöopathischen Dosen gegebenen moderativen Fähigkeiten von Esume fernab des Motivations-Geplappers ohnehin schon wirkt. Kurz gesagt: Das Gefühl einer stimmigen Samstagabend-Show kommt nie auf. Und der Lärm und Pomp in der Ansprache verpufft, da die Umsetzung schlichtweg nicht mitzureißen vermag.


Das (zu?) späte Erwachen


Das alles dürfte dazu geführt haben, dass viele Zuschauer schon im Laufe der ersten Show-Hälfte zu der Erkenntnis gelangt sind, ihren Abend doch lieber anderweitig zu verbringen. Nachvollziehbar, aber dennoch schade um den "Endspurt" von «Superhero Germany», der mit dem Halbfinale beginnt, wo die vier verbliebenen Kandidaten einen Parcours entlanglaufen und eine Glocke vor ihrem Gegner läuten müssen. Auch das ist sicherlich keine revolutionäre Idee und erinnert stark an «Ninja Warrior Germany» und ähnlich gelagerte Physical Gameshows, doch hier kommt erstmals so etwas wie Spannung und Bewunderung auf. Bewunderung deshalb, weil dieser Wettkampf die größte Vielfalt an sportlichen Kompetenzen einfordert - und weil er ein echter Hingucker ist.

Noch besser gelungen ist allerdings das jeweils zweigeteilte Finale, in dem endlich auch die Profisportler in den Ring steigen und gegen die verbliebenen Normalos antreten dürfen. Auch hier sind hinsichtlich der Spieleauswahl keine großen Innovationen zu erwarten, aber es wird deutlich spannender und intensiver - was insbesondere dem Umstand geschuldet ist, dass man Publikum und Athleten hier einmal nicht hektisch durch das Duell hetzt. Insbesondere beim Medizinball-Duell zwischen dem männlichen Finalisten und Tim Wiese entwickelt sich somit eine gewisse Dynamik, bei der man je nach persönlicher Präferenz als Zuschauer in der Lage ist, mit einem der Duellanten mitzufiebern. Es ist im Grunde die altbekannte «Schlag den Raab»-Konstellation mit einem Spiel, das auch problemlos in besagter Sendung hätte laufen können, das hier zur späten Aktivierung der sich längst im Stand-by-Modus befindenden Emotionen führt. Das zeigt einerseits, wie viel der Neustart zuvor falsch gemacht hat und anderseits, dass er noch nicht komplett verloren sein muss.

Wie hat euch der Auftakt von «Superhero Germany» gefallen?
Sehr gut, ich freue mich schon auf die weiteren Folgen.
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War in Ordnung, da kann man zumindest mal reinschauen.
19,4%
Ganz mies, das muss ich nicht nochmal sehen.
37,9%
Habe es (noch) nicht gesehen
30,2%


Blöd nur, dass die restlichen drei Folgen bereits aufgezeichnet sind und somit nicht mehr allzu viele Möglichkeiten gegeben sind, um auf die zahlreichen problematischen Aspekte der Auftaktfolge zu reagieren. Was bleibt, ist die Hoffnung des Senders auf die Geduld des Zuschauers, sich anderthalb Stunden wahrlich schlechte Unterhaltung anzutun, um hintenraus immerhin recht solides Fernsehen zu sehen - was gegen «Wer weiß denn sowas?» und «DSDS» eine durchaus mutige Hoffnung ist. Und als Zuschauer bleibt zu hoffen, dass ProSieben im Falle des nächsten harten Quotenschlags doch einmal dazu bereit ist, die eigenen Fehler zu reflektieren und vielleicht nicht noch einmal, zweimal oder dreimal zu machen. Sonst kann man sich wohl nochmal dreieinhalb Jahre zur Ruhe legen, ohne nennenswerte Samstagabend-Neustarts fernab der Namen Joko, Klaas und Raab zu verpassen.

ProSieben möchte auch an den kommenden drei Samstagabenden weitere Folgen von «Superhero Germany» um 20:15 Uhr ausstrahlen.

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