Hingeschaut

«Shapira Shapira»: Mehr Provokation bitte!

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Als Aktionskünstler ist Shahak Shapira der Provokation glücklicherweise nicht abgeneigt. Von diesen kreativen Höchstleistungen ist in seiner neuen ZDFneo-Show aber nichts zu spüren.

Shahak Shapira und Serdar Somuncu haben mehr gemeinsam als ihre Initialen: Denn als Künstler finden sie immer dann zu Höchstleistungen, wenn sie politisch sind und dabei bewusst und effektiv die Grenzüberschreitung suchen: Einer der Höhepunkte von Somuncus Karriere war seine „Mein-Kampf“-Lesereise. Derweil fiel Shapira bisher weniger als Stand-uper oder Sketchdarsteller auf, sondern als Performance-Künstler, insbesondere mit seiner Yolocaust-Aktion, in deren Rahmen er vor dem Berliner Holocaustdenkmal aufgenommene Selfies mit Bildmaterial aus den Vernichtungslagern des Zweiten Weltkriegs kombinierte, und #HeyTwitter, als er von Twitter nicht sanktionierte Hass-Tweets mit abwaschbarem Kreidespray auf die Fassade des deutschen Unternehmenssitzes sprühte.

So ist es nicht verwunderlich, dass Somuncu in einem ersten Sketch von Shapiras neuer Comedy-Show bei ZDFneo Tipps geben darf, die erwartungsgemäß ein bisschen provokativ und nazi-esk ausfallen. Dass ein deutscher Jude SS-Initialen hat und ’88 geboren wurde, ist als Steilvorlage zu willkommen, als dass «Shapira Shapira» darauf verzichten wollte. Wenig später folgt darauf eine Nummer, in der Shapira vorträgt, dass die Nazis von heute schon zu doof dafür sind, korrekte Hakenkreuze zu malen, bevor er als Bob-Ross-Imitat in „The Joy of Swastikas“ selber daran scheitern darf.

Das sind natürlich Nazi-Gags der billigen Sorte, die weder edgy sind noch irgendeine Haltung erfordern. Und auch ansonsten ergeht sich Shapira in diesem Format in Beliebigkeiten: der Persiflage von zugereisten Neu-Berlinern, die überteuerten Krempel kaufen, wenn er mit abenteuerlichen Hintergrundgeschichten aufgeladen wird, bis wenig später ein Mitschnitt seines (vermeintlich?) privaten Therapeutengesprächs folgt, das zwar in voller Länge online abrufbar ist, in der zusammengeschnittenen Sendungsversion aber weder eine ernsthafte Begegnung mit Shapira (oder seiner Kunstfigur?) erlaubt noch anderweitig zu einem sonderlich gehaltvollen oder komödiantisch ergiebigen Kommentar findet.

Hätten Somuncu und Hazel Brugger zu Beginn der Sendung ernsthafte Tipps gegeben und nicht etwas klamottig geschriebene Witzischkeiten, hätten die wohl gelautet: Sei unbequem, nimm kein Blatt vor den Mund, geh dahin, wo Comedians, für die schon Witze über Doppelnamen hart an der Grenze zur Subversion sind, nicht hingehen wollen. Aber Shapira findet nicht in die Spur und bleibt bei Hipster-Parodien und doofen Nazis stecken. Als dezidierter Vice-Kolumnist und unbändig kreativer Aktionskünstler hatte er eine deutlich klarere Stimme und wesentlich spannendere Inhalte zu bieten. Wenn es ihm gelungen wäre, dies in sein Comedy-Format zu transportieren, hätte es ein ähnlich kluger Geniestreich werden können wie Somuncus «So! Muncu!».

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