Die Kino-Kritiker

«Mortal Engines – Krieg der Städte»: Filmische Stippvisite in einer kaputten Zukunft

von   |  1 Kommentar

Produzent Peter Jackson hält sich mit der Romanadaption «Mortal Engines – Krieg der Städte» ausnahmsweise recht kurz.

Die (vor-)weihnachtliche Kinosaison ist dieses Jahr so rappelvoll mit beachtenswerten Produktionen wie schon lange nicht mehr. Nachdem an Nikolaus unter anderem ein Zombie-Weihnachts-High-School-Musical, ein albtraumhafter Drogen-Tanzfilm, eine Verschwörungstheorien-Mystery-Thrillerkomödie, ein Heist-Drama, ein Cyberhorrorfilm und eine mit Stars besetzte deutsche Komödie angelaufen sind, prügeln sich in den kommenden Tagen unter anderem diese Stoffe um die Aufmerksamkeit des Kinopublikums: Ein Spider-Man-Animationsfilm, das neue DC-Abenteuer «Aquaman», Disneys mit US-Vorschusslorbeeren bedachte «Mary Poppins»-Fortsetzung, der familienorientierte «Transformers»-Ableger «Bumblebee» und die Hape-Kerkeling-Biografie «Der Junge muss an die frische Luft». Sowie ein neuer Film von dem Mann, der schon sieben Mal zur Adventszeit die hiesigen Kinokassen laut zum Klingeln gebracht hat: Peter Jackson.

2001 bis 2003 hat der Neuseeländer mit der von ihm inszenierten «Der Herr der Ringe»-Trilogie mehr als 30 Millionen Menschen in die Kinos gelockt, 2005 mit seinem ausschweifenden «King Kong»-Spektakel immerhin über 2,5 Millionen und von 2012 bis 2015 erreichte Jackson mit den «Der Hobbit»-Filmen alles in allem mehr als 18 Millionen Fantasyfans. Bei all diesen Filmen arbeitete Jackson unter anderem mit Christian Rivers zusammen: Der Effektkünstler kennt Jackson bereits seit «Braindead»-Zeiten und war unter anderem maßgeblich am Dinosaurierkampf in «King Kong» beteiligt. Mit der von Jackson produzierten Romanadaption «Mortal Engines – Krieg der Städte» feiert Rivers nun sein Regiedebüt.

Jackson gab Rivers weitere Schützenhilfe, indem er sich am Drehbuch beteiligt hat, das außerdem die Produzentinnen Philippa Boyens sowie Fran Walsh verfassten. «Mortal Engines» stammt also aus den Federn, die beide Mittelerde-Trilogien sowie «King Kong», aber auch die wenig populäre Buchverfilmung «In meinem Himmel» verantworteten …

Filmfacts: «Mortal Engines – Krieg der Städte»

  • Regie: Christian Rivers
  • Produktion: Zane Weiner, Amanda Walker, Deborah Forte, Fran Walsh, Peter Jackson
  • Drehbuch: Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson; basierend auf dem Roman von Philip Reeve
  • Darsteller: Hugo Weaving, Hera Hilmar, Robert Sheehan, Jihae, Ronan Raftery, Leila George, Patrick Malahide, Stephen Lang
  • Musik: Junkie XL
  • Kamera: Simon Raby
  • Schnitt: Jonno Woodford-Robinson
  • Laufzeit: 128 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Die Geschichte spielt in einer dystopischen Zukunft, in der die meisten Ressourcen bereits aufgebraucht sind. Anders als in der Zukunft, die George Miller in seinen «Mad Max»-Filmen schildert, haben jedoch diverse Städte überlebt. Wenngleich auf eine faszinierend-abstruse Art: Sie haben sich zu gigantischen, fahrenden Gebirgen aus Gebäuden zusammengerafft und fahren von monumentalen Motoren betrieben von A nach B, stets auf der Suche nach anderen, kleineren Städten, die sie angreifen, zerstören und ausrauben können. Eine der größeren Städten, die noch existieren, ist London, allerdings herrscht unter den Mächtigsten Londons Unsicherheit, wie lange die Stadt dies noch durchziehen kann. Als sich London eines Tages die fahrende Stadt der maskierten Hester (Hera Hilmar) einverleibt, wird das Leben des Historikerlehrlings Tom Natsworthy (Robert Sheehan) auf den Kopf gestellt. Denn der junge Mann muss mit ansehen, wie Hester versucht, sein Idol Thaddeus Valentine (Hugo Weaving) zu töten, den Hester für den Tod ihrer Mutter verantwortlich macht …

Die Erzählung, die sich aus dieser Grundlage formt, ruht auf zwei konzeptuellen Säulen. Zunächst: "Nehmt unsere Ideen einfach hin", oder um es positiver zu formulieren "Hinterfragt nicht alles, nur weil ihr es hinterfragen könnt". Die Idee fahrender Monsterstädte, die die nahezu ausgelaugte Erde abgrasen, sorgt für imposante Bilder, also hat man sie zu akzeptieren – so operiert der Film zumindest. Wäre «Mortal Engines – Krieg der Städte» ein Anime, würde nur ein Bruchteil des Publikums diese Logik auf Lücken abklopfen, wieso sollte es den Film nun härter treffen, nur weil er mit realen Menschen, echten Sets und viel Computeranimation umgesetzt wurde? Die Lust, eine fremde Welt zu erkunden, muss man also ins Kino mitbringen, ansonsten ist man bei «Mortal Engines – Krieg der Städte» schnell aufgeschmissen.

Dabei verlässt sich Christian Rivers beruhigenderweise nicht allein auf diese Vorableistung seines Publikums. Zwar spart «Mortal Engines – Krieg der Städte» technische Erläuterungen seiner Filmwelt aus, wohl aber festigt Rivers das Konzept auf visueller Ebene: Das Kostüm- und Produktionsdesign ist durchweg kohärent und voller ineinandergreifender Details, womit die Welt dieser Romanverfilmung plausibel ausschaut und sich, wenn man so will, schlüssig anfühlt. Selbst wenn sie es nicht unbedingt ist. Immerhin geht es hier um eine Zukunft, in der die Menschheit massiven Ressourcenmangel beklagt und sich die fahrende Stadt London darum sorgt, ob ihr bald die Energie ausgeht – und das, während sie unter anderem haushohe Kreissägen und andere Monstermechanismen betreibt. Nicht, dass Jackson, Walsh und Boyens inhaltlich etwas aus diesem Widerspruch machen würden, obwohl es ein Leichtes wäre, in einer Dystopie solche Doppelzüngigkeiten zu nutzen, um unserer Gesellschaft und Umweltpolitik den Spiegel vorzuhalten.

«Mortal Engines – Krieg der Städte» verfolgt, entgegen der Genrenorm, eh keine zentrale Aussage – sofern man den Film nicht auf "Zerstörung ist doof" herunterbrechen möchte. Das Autorentrio spinnt aus Philip Reeves Vorlage keine stringente Thesen, sondern streut diverse kleine politischen und gesellschaftlichen Kommentare. Wenn wir uns mit Tom im Londoner Museum befinden, gibt es ein paar Seitenhiebe auf die Hybris des 21. Jahrhunderts, mehrere antagonistische Figuren verkörpern Kriegstreiberei sowie Egomanie und ein den zentralen Plot nur tangierender, kurzer Handlungsfaden wirft die Frage auf, ob es ein fairer Preis wäre, seinen Körper gegen die Auslöschung sämtlicher (auch seelischer) Schmerzen einzutauschen. Diese inhaltliche kaum relevante Abzweigung ist einer der raren Fälle, bei denen man in diesem Film die Schere hätte ansetzen können: Anders als die letzten drei von Peter Jackson produzierten Fantasyepen geht «Mortal Engines – Krieg der Städte» zügig und konzentriert voran, statt seine Story weit übers Maß auszudehnen.

Was uns zur zweiten Säule dieses Films führt: «Mortal Engines – Krieg der Städte» ist eine Produktion, auf die durch und durch die Redensart "Der Weg ist das Ziel" zutrifft. Ohne ein die gesamte Erzählung einendes Thema, das am Ende durchexerziert werden könnte, wird «Mortal Engines – Krieg der Städte» (paradoxerweise für eine Dystopie) zu einem Film, der in erster Linie dazu da ist, für rund zwei Stunden Urlaub in einer fiktiven Welt zu machen, die von Kameramann Simon Raby («Deathgasm») funktional ausgeleuchtet und eingefangen wird.

Hier machen sich die zumeist ästhetischen Videospieleinflüsse also auch auf anderer Ebene bemerkbar: Keine Menschenseele, die noch bei Verstand ist, wünscht sich, dass die «Fallout»-Spiele Realität werden – und dennoch verbringen Millionen von Gamern liebend gern Stunden um Stunden in ihrer fiktionalen Welt. So verhält es sich mit «Mortal Engines – Krieg der Städte»: Aufgrund des verblüffenden Designs und des großen Ideenreichtums, der dafür sorgt, dass im Laufe von Hesters und Toms Reise keine Monotonie aufkommt, macht es Spaß, sich diese zerrüttete Welt anzuschauen – so perplex das vielleicht sein mag.

Dieses Steampunk-trifft-Fantasy-«Mad Max: Fury Road»-Universum leiht sich von Millers wildem Actionritt den Komponisten aus – Junkie XL, der in den Actionpassagen versucht, das «Mad Max: Fury Road»-Gefühl für diese Filmwelt zu adaptieren: Heftige Streicher, die aber einen schwereren, behäbigeren Sound provozieren als in der rasanteren, anarchischeren Zukunftsvision, die Junkie XL untermalt hat. In den dramatischeren Passagen entfernt sich der Komponist stärker von seinen vorherigen Arbeiten, wobei nur ein wiederkehrendes, sanft-exotisches Thema prägnant in Erinnerung bleibt. Jonno Woodford-Robinsons Schnitt unterdessen ist im ersten Akt während Nahkämpfen eine Spur zu abrupt, um uns im Publikum so viel Übersicht über die Filmwelt zu gewähren wie wir gerne hätten, jedoch findet der Schnitt nach und nach an Ruhe, so dass mehr Zeit fürs Staunen bleibt, ohne dass darunter das Erzähltempo leiden würde.

Bedauerlich ist, dass einer unserer beiden abenteuerlichen "Reisebegleiter" durch diese Erzählung ein kleiner Quälgeist ist: Robert Sheehan («Geostorm») bemüht sich zwar, Tom als wissbegierig und hilfsbereit darzustellen, aber gegen sein Material kommt er einfach nicht an – und das zeichnet Tom als begriffsstutzige Quasselstrippe, die sich für sehr wichtig nimmt. Toms Charakterentwicklung hin zu einem fähigen Weggefährten Hesters ist obendrein eines der unlaubwürdigsten Dinge in diesem Film über fahrende Megastädte.

Die Isländerin Hera Hilmar («Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt») dagegen ist toll in der Hauptrolle der Einzelkämpferin Hester Shaw: Sie spielt die Killerin mit einer überzeugenden Wut und Verzweiflung, zudem gelingt es ihr, mittels erschöpfter Blicke der taffen, fähigen Hester eine zugängliche, sensible Nuance mitzugeben, ohne die Rolle dadurch zu schwächen. Der Rest des Casts bleibt weitestgehend blass, Hugo Weaving aber macht mit gelegentlichem Overacting auf sich aufmerksam, wohingegen Musikerin Jihae («Mars») als Pilotin und Revoluzzerin genau das macht, was sie soll: Sie bringt Swagger und Attitüde mit in ihre Rolle einer lebenden, nahezu unfehlbaren Legende.

Die wohl größte Stolperschwelle, die «Mortal Engines – Krieg der Städte» mitnimmt, sind die Dialoge: Während kleinere, emotional nicht zu sehr aufgeladene, zwischenmenschliche Momente und spritzigere Wortwechsel solide geraten sind, ist die Exposition oft hölzern. Nur sehr selten ist sie flüssig in die Gespräche eingewoben, etwa wenn Tom einer historisch weniger bewanderten Bekannten einige seiner Erkenntnisse teilt – zumeist erklären sich in diesem Film Menschen Dinge, nach denen sie nicht gefragt haben und/oder die sie schon wissen, aber einfach so nochmal aussprechen wollen. Mit fortwährender Spielzeit häufen sich außerdem abgeranzte Drehbuchfloskeln, die sich aus den Mündern dieser Figuren einfach albern anhören.

Erschwerend kommt hinzu, dass diese Floskeln oft als zusätzlicher Beat folgen, wenn die relevanten Aussagen bereits getätigt wurden – man könnte ein Gros der miesen Sätze streichen und würde inhaltlich nichts verlieren. Dass hier der panische Ausruf "Das sind Jäger" die Frage "Und was jagen die?" provoziert, die ohne den Hauch der Ironie oder des Genervtseins mit "Uns!" beantwortet wird, ist also nur die Spitze der vor sich hinwalzenden Klischeemetropole. Was für ein Glück, dass die meisten Figuren in «Mortal Engines – Krieg der Städte» nicht die redseligsten sind.

Fazit: Ob Peter Jackson und Konsorten erneut großes Geld in der weihnachtlichen Kinosaison machen werden, muss sich erst noch zeigen. Trotz einiger Schwächen wäre es dem toll gestalteten, narrativ wenig originellen Sci-Fi-Fantasy-Abenteuer-Mischmasch «Mortal Engines – Krieg der Städte» aber durchaus zu einem gewissen Grad zu gönnen. Und sei es nur für die kurzweilige Erzählweise – die wurde Jackson zuletzt immerhin fremd.

«Mortal Engines – Krieg der Städte» ist ab dem 13. Dezember 2018 in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Quotermain
11.12.2018 17:09 Uhr 1
Woran merkt man, dass Peter Jackson nicht Regie führte? Der Film hat eine schmissige Laufzeit und ist keine 6 Stunden Trilogie.

Damit ärgert man sich weniger und hat weniger Zeit verschwendet.

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