Hingeschaut

«Life»: Ein Titel, so nichtssagend wie der Inhalt

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Seit dieser Woche wird RTL mit der Ausstrahlung einer neuen Sendung zwangsbeglückt, die ihren Weg ins Programm über eine Drittsendelizenz gefunden hat. Weichen muss nach 26 Jahren «Explosiv - Weekend». Warum es nicht weiter dramatisch ist, dass von diesem Neustart fußballbedingt ohnehin kaum jemand Notiz genommen haben dürfte.

Mehr über Annika Begiebing

  • seit Anfang des Jahrtausends Moderatorin, zunächst bei der Mainwelle in Bayreuth, ab 2004 bei 1Live
  • seit 2008 auch regelmäßig im Fernsehen zu sehen, vorwiegend im WDR («Lokalzeit», «Daheim & unterwegs»)
  • zwischenzeitlich war sie auch als Sprecherin in Hörspielen und Hörbüchern tätig
  • zu ihrem neuen Format sagt sie: "Ich bin mir sicher, dass unser Themen-Mix beim Zuschauer gut ankommen wird. Ich freue mich, dass ich die starken Reportagen von «Life» präsentieren darf"
Wer an diesem Samstag einen Blick auf das Programm der großen Privatsender geworfen hat, erblickte wie so oft in den vergangenen Wochen eine einigermaßen triste Wiederholungs-Einöde, die eher dazu anregt, es vielleicht doch nochmal mit dem Fußball zu versuchen, selbst wenn man eigentlich so gar kein Interesse dafür aufbringen kann, ob nun Russland oder Kroatien ins Halbfinale einzieht. Oder mal wieder im Bücherregal nach einem bislang unentdeckten literarischen Schatz Ausschau zu halten. Oder eine der zahlreichen Netflix-Serien zu bingen. Oder vielleicht sogar mal wieder das Abenteuer Außenwelt anzugehen, von der so oft die Rede ist. Doch wer sich am Samstag für all diese Alternativen nicht erwärmen konnte, könnte vielleicht tatsächlich davon mitbekommen haben, dass RTL mit «Life - Menschen, Momente, Geschichten» um 19:05 Uhr ein brandneues Format an den Start geschickt hat.

Dieses von Annika Begiebing (siehe Infobox) moderierte Magazin, das über eine Drittsendelizenz der Landesmedienanstalt Niedersachsen den Weg ins Programm des Kölner Senders gefunden hat und diesen gleich fünf Jahre lang bestücken darf, möchte Menschen zeigen, die Herausragendes geleistet haben und über Momente berichten, die bewegen und begeistern. Der Zuschauer soll sich im Zuge dessen bestenfalls "informieren und gleichzeitig wohlfühlen". Klingt reichlich seicht und eher nach einem Konzept, das gemeinhin im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zwischen Frühstücksfernsehen und Mittagsmagazin als nicht störende Hintergrundberieselung und audiovisuelle Bügelhilfe fungiert? Klingt nicht nur so, sondern entspricht ziemlich genau dem, was die höchstwahrscheinlich eher wenigen Zuschauer, die der Auftaktfolge überhaupt gefolgt sind, dann letztlich auch geboten bekamen.


Traumhochzeiten, Pinguine - und ein klein wenig Relevanz


Genauer gesagt beginnt man mit einem äußerst seichten Einspieler über einen jungen Mann, der 45 Länder bereist und irgendwann die Liebe seines Lebens gefunden hat. Schöne Naturaufnahmen, fröhliche, etwas zu aufdringlich lächelnde Menschen und am Ende eine Traumhochzeit, die das juvenile Glück formvollendet - okay, der Fokus liegt hier also auf dem Faktor Wohlfühlen. Und er liegt da auch weiter rum, als im zweiten Einspieler eine ältere Dame vorgestellt wird, die süße, kleine Pinguine aufzieht und irgendwann in die Freiheit entlässt, wenn sie groß und stark genug sind. Herzlich. Und seicht.

Die etwas härteren und gesellschaftlich relevanteren Geschichten bewahrt man für die zweite Hälfte der Sendung auf, als man etwa über und mit einer Frau spricht, deren Baby vom Krankenhaus-Personal bei seiner Geburt mit einem anderen Säugling vertauscht wurde. Zudem hat man den Höhlentaucher Dr. Martin Göksu für ein kurzes Gespräch im Kontext des Dramas um die in einer Höhle Thailands eingeschlossene Jugend-Fußballmannschaft gewinnen können - an sich der mit Abstand spannendste und aktuellste Bestandteil dieser Sendung, würde man nicht ausgerechnet hier statt auf einen langen Einspieler, der das Thema sehr ausführlich behandelt, auf einen gerade einmal zwei Minuten kurzen, eher oberflächlichen setzen, um dann wiederum hintenraus dem Konzept Tiny House ziemlich viel Sendezeit zu widmen - das wiederum ähnlich nett, seicht und egal daherkommt wie die Einspieler über den Weltenbummler und die Pinguinmama zu Sendungsbeginn.


Chancen der Drittanbieterlizenz nicht genutzt


Somit bleibt unterm Strich sicher nicht das Gefühl hängen, dass dieses Format die Chancen zu nutzen weiß, die ja durchaus auch mit den für die Privatsender so leidigen Drittsendelizenzen einhergehen: Etwa, in relativer Unabhängigkeit vom Quotendruck auch im werbefinanzierten Fernsehen gesellschaftlich relevante Themen unterbringen zu können, ohne unmittelbar eine Absetzung fürchten zu müssen. Stattdessen bietet die sich der generellen nett-belanglosen Grundtonalität anpassende Moderatorin weitgehend liebes Allerwelts-Mittelmaß-Fernsehen dar, das zwar nicht so krawallig und nach Skandalen kreischend daherkommt wie das typische private Magazin, dafür aber so bieder, öde und glatt daherkommt wie viele der öffentlich-rechtlichen Daytime-Pendants.

Ob man dafür dann unbedingt das etablierte, wenngleich zuletzt auch nicht mehr wirklich erfolgreiche «Explosiv - Weekend» nach immerhin 26 Jahren aus dem Programm kegeln muss, bleibt anzuzweifeln. Doch der Produzent sagamedia hat ja immerhin die Drittsendelizenz über fünf Jahre erhalten und damit die Möglichkeit, das Format schrittweise weiterzuentwickeln. Insofern kann ein möglicher Appell an die Produzenten sein, die (leider relativ wenigen) starken Elemente der Sendung zu forcieren: Mehr Aktualität, mehr Relevanz und mehr klare Kante zulassen - und im Gegenzug gerne ein paar Traumhochzeiten, süße Pinguine und putzige kleine Häuschen weniger zeigen, denn sowas bieten öffentlich-rechtliche wie private Sender auch ohne Zwang von Außen zur Genüge an. Beherzigt man das, was nicht allzu wahrscheinlich anmutet, kann die gelassene, ja fast stoische Erzählweise gerne beibehalten werden. Aktuell hingegen könnte der Untertitel von «Life» auch problemlos "Menschen, Leben, Tanzen, Welt" lauten, so anbiedernd, wie große Teile der Sendung auf Knopfdruck-Wohlfühlerei getrimmt sind.

RTL zeigt «Life - Menschen, Momente, Geschichten» von nun an immer samstags um 19:05 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/102169
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Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
Burpie
08.07.2018 08:56 Uhr 1
Hauptsache, ohne Elena Braun...
Kingsdale
08.07.2018 13:02 Uhr 2
Hab auch nach den ersten 5 Minuten umgeschaltet. Uninteressante Themen.
Kingsdale
08.07.2018 13:04 Uhr 3
Hab auch nach 5 Minuten umgeschaltet. Uninteressante Themen.
Sentinel2003
08.07.2018 14:23 Uhr 4
Im Klartext: wenn man es nicht guckt, verpasst man nix.
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