Hintergrund

Von Weimar zu Hitler – Teil 3

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Der vorherige Teil der Reihe Von Weimar zu Hitler beschäftigte sich mit dem deutschen Film der Weimarer Republik, seiner Entwicklung und welche Regisseure eine tragende Rolle spielten.

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Während der Weimarer Film subtile Deutungen und facettenreiche Interpretationen ermöglicht, ist die Filmproduktion des NS-Regimes anderer Natur. Hier sind die Fronten klar abgesteckt, das Feindbild genau definiert und die Normen und Werte sind nicht individualistisch, sondern kollektivistisch geprägt. Der junge Protagonist des Films, dessen Vater als Sozialist gezeigt wird, stellt den Pol dar, der von dem moralischen Kompass, der Hitlerjugend, in die anständige Richtung gelenkt wird. Durch seine bewusst hochgradig negative Darstellung der Sozialisten und Kommunisten wirkt Steinhoffs Spielfilm wie eine auf Zelluloid gebannte Darstellung der Dolchstoßlegende.

Zugleich lässt sich in «Hitlerjunge Quex – Ein Film vom Opfergeist der deutschen Jugend» bereits die Stilistik ausmachen, die das NS-Kino prägen sollte. Die Kameradschaft, der Zusammenhalt, das Hochhalten der deutsch-germanischen Kultur, der ehrenvolle Kampf für das Vaterland und der nahezu obligatorische Heldentod. Der Hitlerjunge, der durch die Hand der Kommunisten stirbt, jedoch für das Vaterland gekämpft hat. Die Inszenierung seines Heldentodes wirkt entfremdet, unrealistisch und suggeriert, dass das Leben eine Erfüllung gefunden hat, sofern man es nur für das Vaterland verliert. Somit wirkt der Tod nicht mehr länger wie ein Opfer, das erbracht wird, sondern vielmehr wie ein Wunsch, der in Erfüllung geht. Eine Todessehnsucht, die sich zuerst auf der Kinoleinwand, dann aber auf den Schlachtfeldern wiederfindet.

Doch die Propaganda hatte in den Spielfilmproduktionen keine so große Präsenz, wie man annehmen mag. Die nationalsozialistische Filmkultur, sofern man von einer Kultur sprechen kann, setzte nur bedingt auf eine glorifizierte Darstellung der NS-Institutionen. Vielmehr waren deutsche Heldengeschichten, die die entsprechenden Werte repräsentierten, in den Lichtspielhäusern zu sehen. Die Vielfalt der Genres war dabei überschaubar, fiktionales wurde jedoch grundlegend abgelehnt. Der Realismus war somit eine unausgesprochene Grundbedingung für die NS-Filmemacher. Ein Großteil der Filmproduktion machten die Unterhaltungsfilme aus, doch auch in diesen war die nationalsozialistische Propaganda zu erkennen, teils sehr vordergründig, manchmal auch auf subtile Weise eingebunden. Ein weiterer Teil der verbleibenden Produktionen war auf ein weibliches Publikum zugeschnitten, das natürlich ein klassisches Rollenverständnis propagierte, bestehend aus der Arbeit im Haushalt, dem Umgang der Kinder und den ehelichen Pflichten gegenüber dem Gatten.



Soziologisch interessanter sind hingegen die Lustspiele, die von der nationalsozialistischen Industrie gedreht wurden, wie etwa «Robert und Bertram» (1939). Der Film gilt nicht nur als einer der Wegbereiter des Antisemitismus-Film, sondern spielt zugleich mit dem Techtelmechtel zwischen dem deutschen Mann und der Frau.

Sexualität im Kino der Nationalsozialisten – eine Philosophie für sich und dennoch steckt die Forschung in dieser Thematik bis heute noch in den Kinderschuhen. Um manche Filme ranken sich Legenden, wie etwa die beiden Vertreter der Sachenwald-Filmreihe. Diese beiden pornographischen Filme namens «Der Fallensteller» und «Frühlings Erwachen» sollen in Deutschland in der ersten Hälfte der 1940er Jahre im Sachsenwald gedreht worden sein, doch ist deren Echtheit bis heute nicht eindeutig verifiziert worden. Die Kurzfilme zeigen sowohl den sexuellen Akt zwischen Mann und Frau, allerdings auch zwei Damen, die sich einander hingeben. Vorausgesetzt, dass sich das Entstehungsdatum tatsächlich auf den Zeitraum der NS-Herrschaft datieren lässt, ist die Sachsenwald-Filmreihe ein Indiz dafür, dass sich die Darstellung der Homosexualität im Film ausschließlich auf die weibliche Seite beschränkte. Die Gesellschaft wird in Teilen durchaus von der Inszenierung der rein weiblichen Sexualität profitiert hat, sowohl materiell, als auch sinnlich.

Während die männliche Homosexualität in der Weimarer Filmkultur kein klares Tabuthema war, verhielt es sich in den NS-Zeiten natürlich anders und trotz einer gewissen Toleranz gegenüber der weiblichen Homosexualität wurde das männliche Gegenstück verteufelt. An dieser Stelle lohnt sich jedoch ein Blick zurück zu «Hitlerjunge Quex – Ein Film vom Opfergeist der deutschen Jugend». Der Darsteller des jungen Hauptcharakters, Jürgen Ohlsen, galt als die Personifikation des Hitlerjungen und wurde von der NSDAP massiv zu Werbezwecken eingesetzt. Um seine Person und die des Reichsjugendführer der Partei, Baldur von Schirach, existierten in der NS-Zeit zahlreiche Gerüchte, die den Beiden ein homosexuelles Verhältnis nachsagten. Schirach, der sich im Dritten Reich stets sehr aktiv für die jugendliche Erziehung einsetzte, wurden Beziehungen zu mehreren Jungen in der Hitlerjugend nachgesagt, bei denen Ohlsen eine besondere Rolle zugekommen sein soll. Die Beweislage beschränkt sich dabei alleine auf das Buch Hitler Youth des deutschen Journalisten Hans Siemsen, das 1940 erschien. Die männliche Homosexualität war von der nationalsozialistischen Ideologie verhasst und doch war sie zwischen Pubertät, Einsamkeit und Disziplin ein Teil der Hitlerjugend.

Der Filmzensur der nationalsozialistischen Filmindustrie fielen etliche Werke zum Opfer, darunter auch «Mädchen in Uniform» (1931), der von dem späteren Präsidenten der Reichsfilmkammer, Carl Froelich, gedreht wurde. Darin verfällt ein junges Mädchen ihrer Internatslehrerin, doch die weibliche Homosexualität war wenn nur ein geringfügiger auschlaggebender Teil für das Verbot des Films. Da lesbische Frauen nicht das Ziel einer offiziell systematisierten Verfolgung waren wie ihre männlichen Gegenparts, wog die Darstellung dieser sexuellen Orientierung nicht so schwer wie die kritische Darstellung der Autoritäten, die das Verbot rechtfertigten.

Die Filmzensur der Nationalsozialisten beschränkte sich nicht nur auf Sexualität, sondern generalisierte sich in dem Verbot und der Vernichtung der „entarteten Kunst“. Künstler und deren Werke, insbesondere die mit jüdischem Hintergrund, wurden beseitigt. Dabei fiel auch Fritz Langs «M – Eine Stadt sucht einen Mörder» dem Verbot und dem Missbrauch durch die NS-Propaganda zum Opfer. Die angeblich negativen Attribute des Judentums wurden von den Nationalsozialisten auf den Kindermörder des Films übertragen, jedoch ohne ersichtliche Grundlage. Nicht nur Langs Meisterwerk wurde von der Filmzensur verteufelt, allgemein wurde die Weimarer Filmkultur abgelehnt und stigmatisiert.

Filme wie «Jud Süß» (1940) taten dazu ihr übriges. Der hochgradig antisemitische Film zählte zu den aggressivsten Produktionen der Filmlandschaft des Dritten Reichs und hatte das Ziel, die propagierte Schlechthaftigkeit der Juden darzustellen. Der jüdische Protagonist wird fernab der Realität als hinterhältiger Mensch inszeniert, der auch vor Vergewaltigung und Folter nicht zurückschreckt. Aus einer aufgeklärten Perspektive ist der Film ein Dokument für die perfide Propaganda der NS-Filmwelt, doch zugleich zeigt er das, was von der Kunst der Filmschaffenden noch übrig geblieben ist, nämlich technisch sichere Inszenierungen, die zwischen politischer Institutionalisierung und permanenter Kontrolle gefangen waren.

Der vierte und finale Teil der Reihe Von Weimar zu Hitler wird sich intensiv mit der Rolle der Regisseurin Leni Riefenstahl im Nationalsozialismus befassen und zeigen, wie sie das Kino den Wünschen nach formte. Auch auf die allgemeine Entwicklung des deutschen Films während des Weltkrieges wird eingegangen, ebenso wie auf die positiven technischen Aspekte, die in dieser Zeit entstanden.

Hier geht es zum 1. Teil und hier gibt es die zweite Ausgabe!

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