Die Kritiker

«Danke Deutschland»

von

Das ZDF geht mit seiner Polit-Sketch-Comedy neue Wege. Witze über den BER, Stuttgart 21 und deutsche Zustände in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Jahr 2018. Kann das funktionieren?

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Ralf Kabelka, Lena Dörrie, Joachim Paul Assböck, Constanze Behrends, Daniel Wiemer, Sabine Vitua und Cem Ali Gültekin

Hinter der Kamera:
Regie: Holger Schmidt
Produktion: UME
Produzent: Wolfgang Link
Redaktion ZDF: Stephan Denzer, Jens Matthey
Politik und Comedy - Diese Kombination war im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hauptsächlich durch Satire-Sendungen abgedeckt. Allen voran die «heute-show», aber auch «Die Anstalt» oder mit Abstrichen das «Neo Magazin Royale» nehmen für sich in Anspruch, über das politische Geschehen in Deutschland auf humoristische Weise aufzuklären. In Form von «Danke Deutschland» versucht das ZDF nun mit einer Sketch-Comedy die deutsche Politlandschaft aufs Korn zu nehmen.

Unter der Regie von Holger Schmidt schlüpfen Sabine Vitua, Constanze Behrends, Lena Dörrie, Cem Ali Gültekin, Joachim Paul Assböck und Daniel Wiemer in die Rollen von Politikerinnen, Wirtschaftsbossen, Reporterinnen, Polizisten und „einfachen“ Bürgern, während Ralf Kabelka, als Moderator die Sketche thematisch und ironisch einordnet. Das verleiht der Sendung gemeinsam mit den schön anzusehenden, jedoch recht uninspirierten Zeitraffer-Aufnahmen Berlins eine Struktur. Kabelka bleibt dabei seinem bewährten Vortragsstil aus dem «Neo Magazin Royale» treu, kann aber trotz starker Mimik nicht über die teilweise lauen Einleitungen der Themen hinwegtäuschen.

In der Comedy sollen aktuelle, politische und gesellschaftskritische Themen in Sketchform verpackt werden. Es geht also um das, was das Land aufregt, plagt und amüsiert. Die satirische Sketchshow spielt dabei mit dem Blick hinter die Kulissen der Berliner Republik und zeigt, was in Ministerien, Lobbyverbänden oder auf kommunaler Ebene absurd, komisch und dennoch möglich ist. Soweit die Theorie. Und Deutschland bietet schließlich jede Menge Themen und folglich auch genügend Angriffsfläche: Unter anderem die oft zitierte Zerrissenheit des Landes und der vermeintliche Untergang der großen Volksparteien, peinliche Bauprojekte oder skrupellose Lobbyisten. Lobenswerterweise trifft es tatsächlich jeden, der in der Bundesrepublik etwas zu sagen hat, oder eben auch nicht. So ist es beispielsweise egal, wo man bei der letzten Wahl sein Kreuzchen gemacht hat, jede Partei wird mal auf die Schippe genommen.

Dabei mangelt es den Autoren keineswegs an Sketch-Ideen. Das Erstarken von Separatismus-Bewegungen in Europa wird kurzerhand nach Berlin verfrachtet und der Prenzlauer Berg erklärt sich für unabhängig vom Rest der Hauptstadt, inklusive eigener Währung. FIFA-Funktionäre übertrumpfen sich gegenseitig mit drohenden Haftstrafen in diversen Staaten und Berlin bereitet sich auf die Ankunft des exzentrischen US-Präsidenten Donald Trump vor. Aber was bringen die besten Vorlagen, wenn die Pointe ausgelutscht, vorhersehbar oder schlichtweg nicht lustig ist? – wobei das selbstverständlich stark subjektiv ist. Besonders deutlich wird das Problem in dem genannten Beispiel mit den Grenzkontrollen am Prenzlauer Berg. Hier wird die gleiche Pointe gleich mehrfach verbraten und der Grundstein guter Comedy, die Überraschung, bleibt auf der Strecke. Gleiches gilt für einen quälend langen Sketch zum Thema „Sonntagsfrage“. Insgesamt wirkt das Format zu brav und über weite Strecken sorgt die Harmlosigkeit der Gags nur für müdes Schmunzeln.

Seine stärksten Momente hat «Danke Deutschland» dann genau in den bissigen Momenten, in denen es seine Komfortzone verlässt. Das geschieht leider deutlich zu selten. Dennoch gibt es durchaus Lichtblicke, in denen die Sketch-Comedy mit Weitsicht und Schärfe punktet. Das Vorspiel eines Pärchens wird angesichts von schriftlichen Anträgen zu einem Spießroutenlauf durch die Bürokratie, samt Anwesenheit eines Notars. Und „wenn die Chinesen Menschenrechte hätten, hätten wir keine Smartphones“. In diesem Fall wird bitterböse deutlich gemacht, dass die Politik voller fauler Kompromisse steckt, sowie im Zweifel der wirtschaftliche Nutzen in der Außenpolitik Vorrang vor der Ethik hat. Aus der komfortablen Situation, diese Missstände aufzuzeigen, ohne, im Gegensatz zu einer politischen Opposition, brauchbare Alternativen aufzeigen zu müssen, macht die Comedy allerdings zu wenig. Möglicherweise will man dem Hauptprogramm-Publikum nicht auf den Schlips treten und eine vergleichbare Sendung hätte sich in der Sparte von ZDFneo anders entwickelt.

Besonders schwierig wird es, wenn Sketche, die eigentlich Missstände aufzeigen sollen, sich zwar etwas trauen, dafür aber mit Klischees überladen werden. Richtig unangenehm ist ein Sketch anzuschauen, in dem das Bildungssystem samt seiner ungleichen Chancen angeprangert wird. Eine Lehrerin steht vor der Klasse. Eine Seite offensichtlich Klischee-Kategorie Rütli Schule, die andere reiche Spießbürger. Während die Lehrerin mit dem privilegierten Teil der Klasse normal, beziehungsweise etwas gestochen redet, verfällt sie beim Rest in einen grauenhaften „Schulhof-Slang“, irgendwo zwischen verfehlter Deutschrap-Persiflage und Jugendwort des Jahres 2012. Dass das angesprochene Kind ausgerechnet Kevin heißt, ist da nur das I-Tüpfelchen. «Fack Ju Göhte»-Humor im Öffentlich-Rechtlichen. Das mag hier ein Sonderfall sein, allerdings ist es symptomatisch, dass das einer der Sketche ist, die wirklich im Kopf hängen bleiben.

Das ZDF zeigt «Danke Deutschland» ab Freitag, den 6. Juli um 22.30 Uhr.

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