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WM-Quoten: Leiden ARD und ZDF unter der Abstinenz Italiens und der Niederlande?

von   |  6 Kommentare

Gleich zwei große Fußball-Nationen fehlten bei dieser WM-Endrunde, mit der Türkei war darüber hinaus das Land mit der größten Zahl an Zuwanderern nicht vertreten. Ging das zulasten der Quoten? Und welchen Bärendienst erweist eigentlich die deutsche Nationalmannschaft mit ihrem desolaten Auftreten den beiden Sendern?

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Quoten-Türken? Nein, eher nicht.


Eher im Bereich der Ankerheuristik ist derweil offenbar die Vermutung anzusiedeln, dass mit der Türkei die ganz große Quote zu machen ist. Zumindest im Rahmen der Europameisterschaften 2008 und 2016, auf die wir für diese Analyse zurückgreifen mussten, da sich das Land bereits zum vierten Mal in Folge nicht für eine WM qualifizieren konnte, ließen sich dafür keine statistisch signifikanten Werte ausmachen. 2008 etwa verzeichnete man respektable 44,4 Prozent aller bzw. 46,2 Prozent der jüngeren Konsumenten mit den drei Vorrundenspielen, der Vorrunden-Schnitt lag allerdings bei ebenso starken 45,1 und 45,8 Prozent. Vor zwei Jahren wiederum wurden nur 40,4 und 42,5 Prozent erzielt, allerdings lief das letzte Spiel gegen Tschechien nur in Sat.1 und war dort chancenlos gegen die öffentlich-rechtliche Konkurrenz - mit 38,8 und 40,8 Prozent fiel auch hier der gruppenübergreifende Turnier-Mittelwert nahezu genauso hoch aus.

Dieser Befund überrascht, könnte man doch davon ausgehen, dass viele Deutsche türkischer Herkunft die Spiele ihrer Elf verfolgen und damit die Quoten in die Höhe treiben. An der Attraktivität der Gegner scheiterte es aber mit Sicherheit nicht: Mit Spanien und Portugal hatte man zwei eigentlich eher als Quotengaranten bekannte Antagonisten, mit Kroatien, der Schweiz und Tschechien darüber hinaus auch sicherlich keine Laufkundschaft. Herausragend war allerdings nur das Interesse im Zuge des deutsch-türkischen Aufeinandertreffens im Halbfinale 2008: Fantastische 29,54 Millionen Zuschauer und 81,8 bzw. 85,2 Prozent wurden erzielt. Allerdings kann man diesbezüglich schüchtern mutmaßen, dass für diese grandiose Quote in erster Linie die deutsche Nationalelf verantwortlich war.


Quotenschwund 2018? Noch nicht, aber nach frühem Deutschland-Aus wahrscheinlich


Vorrunden-Schnitte MIT Deutschland

  • 2010: 9,18 Mio. (43,5% / 45,1%)
  • 2014: 9,77 Mio. (46,3% / 48,0%)
  • 2018: 9,23 Mio. (43,1% / 46,1%)
Die auf Spartenkanälen ausgestrahlten Parallelspiele am letzten Vorrunden-Spieltag wurden auch hier ausgeklammert.
Fasst man die drei vorherigen Kapitel zusammen, so kommt man zu dem Ergebnis, dass die Niederlande und die Türkei bei den vergangenen Großturnieren kaum an der Gesamtbilanz geschraubt haben - bei Italien lässt sich ein kleiner Effekt herausarbeiten, aber auch dieser Verlust ist letztlich aus der Sicht von ARD und ZDF verschmerzbar. Und wenn in diesen Tagen häufiger mal die Rede davon ist, dass die WM-Vorrunde diesmal bei weitem nicht so stark frequentiert war wie in Brasilien 2014, dann sollte fairerweise auch erwähnt werden, dass sich diese deutlich gegenüber der WM in Südafrika gesteigert hatte. Summa summarum stehen in diesem Jahr für alle im Hauptprogramm ausgestrahlten Spiele ohne deutsche Beteiligung durchschnittlich 39,9 Prozent des Gesamtpublikums und 42,8 Prozent der 14- bis 49-Jährigen bei 7,84 Millionen Fußballfans auf dem Papier - fast identische Werte wie vor acht Jahren (40,6 und 42,0 Prozent bei 7,79 Millionen), einzig 2014 sticht mit 43,5 und 45,0 Prozent bei 8,45 Millionen ein wenig raus.

In einem Punkt aber unterscheidet sich diese Weltmeisterschaft tatsächlich von beiden vorherigen: Es fehlen die Extrema. Nachdem bereits am zweiten Turniertag das Spiel zwischen Spanien und Portugal über 13 Millionen Zuschauer eingefahren hatte, blieben solch hohe Werte in der Folge komplett aus. In Brasilien dagegen hatten noch fünf Partien mehr als 13 Millionen Menschen erreicht, zwei davon (das Eröffnungsspiel zwischen Brasilien und Kroatien sowie Spanien gegen Chile) erreichten sogar deutlich mehr als 15 Millionen. Und selbst in Südafrika war es immerhin vier Partien gelungen, diese Marke zu übertreffen, wobei amüsanterweise Brasilien gegen den totalen Underdog Nordkorea mit 13,88 Millionen am stärksten lief. Auf der anderen Seite gab es jedoch in diesem Jahr lange Zeit überhaupt keine echten Rohrkrepierer, die deutlich unter 40 Prozent lagen. Hier punktet die WM in Russland bislang also, generiert aber kaum Schlagzeilen - wer macht schon gerne mit "Neuntes Spiel in Folge hängt sehr solide bei 40 Prozent Marktanteil rum" auf?

Bemerkenswert ist allerdings die deutliche Abwärtstendenz an den letzten beiden Tagen der Vorrunde: Nachdem sich die deutsche Nationalmannschaft ihre bittere Ohrfeige von Südkorea abgeholt hatte und erstmals seit 2004 wieder schon in der Vorrunde bei einem großen Turnier ausschied, enttäuschte am Abend schon Serbien gegen Brasilien mit "nur" 8,73 Millionen. Als dann am Freitag noch die Entscheidungen in Gruppe G und H ausstanden, erzielten die übertragenen Spiele sowohl um 16 Uhr als auch um 20 Uhr reihenweise neue Turnier-Negativrekorde - am Abend sahen nicht einmal mehr acht Millionen die Partie zwischen England und Belgien, die Marktanteile sackten bei Jung und Alt auf erstaunlich überschaubare rund 30 Prozent ab. Scheint also so, als sei mit Deutschlands Ausscheiden für einen nicht ganz unerheblichen Teil des Publikums im Grunde die gesamte Fußball-WM gelaufen.

Und damit droht das erstaunlich frühe Ausscheiden Deutschlands in doppelter Hinsicht für ARD und ZDF zum Quoten-Fiasko zu werden: Einerseits, weil natürlich vier Spiele mit deutscher Beteiligung fehlen, mit denen ohne große Mühen weit mehr als 20 Millionen Zuschauer sicher eingeplant werden konnten. Darüber hinaus aber auch noch, weil sich die Anzeichen massiv verdichten, dass viele Bundesbürger die Spiele der anderen Teams nicht mehr zu verfolgen bereit sind, wenn die deutsche Elf keine Rolle mehr in dem Turnier spielt. Und dieser Doppelschlag dürfte die öffentlich-rechtlichen Sender weitaus härter treffen als die Frage, ob neben Deutschland nun große Fußballnationen oder eher kleinere Namen noch um den Titel kämpfen. Löw und sein überwiegend lethargisch und satt wirkendes Team dürften also der Hauptgrund dafür sein, dass sich die beiden austragenden Sender schon jetzt auf saftige Verluste in der Hauptrunde gefasst machen dürfen. Nicht Italien, noch weniger die Niederlande und schon gar nicht die Türkei.

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Es gibt 6 Kommentare zum Artikel
Quotermain
02.07.2018 21:09 Uhr 1
Zitat: "Quoten-Türken? Nein, eher nicht."



Tja, daß liegt aber auch daran, daß viele hier so nicht GfK-meßbar sind.

Die haben nämlich nicht nur ihren eigenen Präsidenten, sondern auch ihren eigenen Satelliten in Muttersprache, oder mißt die GfK das jetzt auch?
second-k
03.07.2018 12:43 Uhr 2


„das liegt (...) daran“, nicht „daß (...) liegt daran“.



Seit wann besteht denn ein Zusammenhang zwischen Abstammung und Art des Fernsehempfangs? Bzw.: Seit wann gibt es „Satelliten in Muttersprache“? :roll:



Wenn man sich der Frage aber mal sachlich nähern will – berechtigt ist die Frage ja –, hier: https://www.agf.de/forschung/methode/fernsehpanel/



Erfasst werden Haushalte mit Kabel- und Satellitenempfang, Deutsche und EU-Ausländer. Im Artikel ist ja aber auch nur von Deutschen türkischer Abstammung die Rede, die müssten also natürlich in der Stichprobe bei der Quotenmessung enthalten sein.
Quotermain
03.07.2018 17:31 Uhr 3


EU-Ausländer sind Italiener, nicht Türken. Noch gehört die Türkei nicht zur EU.

Also wird Türksat nicht mitgemessen.Daher meine Aussage.

Wäre es anders, wären die GfK-Quoten ähnlich imposant wie die Autokorsi.
P-Joker
03.07.2018 17:48 Uhr 4


Ich glaube, hier ist doch eher der Sender TRT gemeint.

Mir ist jedenfalls nicht bekannt ob der von der GfK erfasst wird.
second-k
04.07.2018 01:49 Uhr 5


Hehe, das mag sein ;-)



Ist schon klar, dass die Türkei nicht in der EU ist. Und sicherlich würde es sich in gewissem Maße auf die Quote auswirken, wenn auch türkische Bürger, die in Deutschland leben, erfasst würden.



Nur zielt der Artikel nicht darauf ab. Er geht der Frage nach, ob sich die Gruppe der Deutschen türkischer Herkunft spürbar in den Quoten niederschlägt. Die recht witzige Bezeichnung dafür, "Quoten-Türken", in der Überschrift ist zugegebenermaßen verkürzt, aber im Text wird's ja dann erklärt!
second-k
04.07.2018 02:00 Uhr 6


Das stimmt wahrscheinlich.



Aber ich glaube, ich habe Quotermains Punkt jetzt verstanden: Türkischstämmige gucken die Spiele der türkischen Nationalmannschaft auf einem türkischen Sender via Satellit statt auf den deutschen Sendern und werden deshalb in der Quotenmessung nicht erfasst (und nicht, weil sie prinzipiell "nicht GfK-meßbar" sind): So?



Denn noch mal: Um die "echten" Türken geht es in dem Artikel ja gar nicht.
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