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«Tagesthemen»: Die Geier auf dem Fahnenmast

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Was ist peinlicher als ein Flaggenfarbdreher in den renomierten «Tagesthemen»? Lästermäuler, die es als Fehler aus Dummheit verkaufen wollen.

Rot-Schwarz-Gold – das sind die Farben des ARD-Patzers am Samstag. Ein kleiner Farbendreher in der Deutschlandfahne, der vor lauter Fußballjubel unbemerkt auf Sendung ging. Peinlicher geht’s kaum, oder? Doch es geht! Wie, das hat die Presse in den zwei Tagen danach bewiesen.

„Das ist ja zum Tages-schämen“, krampfte sich die BILD ein dümmliches Wortspiel heraus und fand die Panne „ganz schön Schwarz-Rot-doof!“ Bei den Berliner Boulevard-Kollegen von der B.Z. titelte man: „Bei der ARD wehte da wohl eher die Bier-Fahne“ – und gleich darunter: „Einem B.Z. Leser war es gleich aufgefallen.“ Na immerhin. Einer ist ja schon mal ein Anfang und Hoffnungsschimmer in der Leserschaft der Schmierblätter. Dass die mit Häme und Spott auf so einen Fehlgriff reagieren, überrascht ja auch nicht wirklich; dass dafür aber gleich Platz auf der Titelseite ist, zeugt selbst bei der BILD davon, dass unter dem Fußballrasen ein ziemlich großes Sommerloch klaffen muss.

Der nordrheinwestfälische Express schlug gleich vor, die ARD-Verantwortlichen sollten „sich mal an unser EM Fahnen-Quiz trauen – da kann man noch so einiges lernen!“ Aber auch von Seiten, die sich gern seriöser geben, kamen Kommentare, die kaum von den Boulevardblättern zu unterscheiden waren. „Rot-schwarz-gelb? Welches Land war das doch gleich? Jedenfalls keines, das gegen die Türkei im Halbfinale steht“, mühte sich Spiegel Online als ironische Spitze ohne jeden Stich raus.




Wohlgemerkt: fast alle diese Kommentare erschienen nachdem die ARD die Ursache für den peinlichen Fehler bereits erklärt hatte. Vor allem DWDL schoss aber schon vor jedem Statement los: Dort höhnten die Medienjournalisten, dass erschreckende Bildungslücken wie man sie bei Raabs Erstwählerchecks oder Straßenumfragen zu sehen bekommt jetzt schon bis zur ARD greifen würden. Die umgehende Entfernung des Fehlers aus der Mediathek und den Wiederholungsausstrahlungen wurde gleich zur verschwörerischen Vertuschungsaktion stilisiert.

Und jetzt fragen wir uns noch mal: Geht es peinlicher als die Flaggenfarben zu vertauschen? Ja! Indem man als Journalist seinen Lesern allen Ernstes weiß machen will, dass man tatsächlich glaubt, der Fehler sei aus Unwissenheit über die korrekte Farbreihenfolge entstanden. Indem man im gleichen Atemzug demonstriert wie ungeheuer nötig man es wohl haben muss, sich doch einmal mit erhobenem Zeigefinger über das Nachrichtenflagschiff der ARD und gleichsam die wohl unangefochtenste Informationsautorität der Fernsehlandschaft zu erheben.

Bitte nicht missverstehen: Über so einen peinlichen Patzer zu berichten ist völlig legitim. Aber es ist eben eine Randnotiz für die Kuriositätenabteilung. Was stört ist die Überbewertung durch Schreiber, die der Verlockung wohl nicht widerstehen konnten, sich auf dem Rücken einer renomierten, aber gestolperten Nachrichteninstitution stehend mal größer vorzukommen als sie sind – und dafür auch gerne mal unfair nachzutreten. Wer den «Tagesthemen» bei so einem allzu menschlichen, aber ursächlich eben mehr technischen Fehler, auf derart plumpe Weise einfach Dummheit unterstellen will, attestiert nicht der ARD ein Armutszeugnis, sondern sich selbst. Peinlich ist es, solch einer Läster-Versuchung nicht widerstehen zu können – selbst wenn abseits des Fußballrasens gerade sommerlich gähnende Windstille im Blätterwald herrscht.

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