Die Kritiker: «Das Joshua Profil»

Was passiert, wenn Maschinen meinen, dass sie Verbrechen vorhersagen können? Diesem Thema hat sich Erfolgsautor Sebastian Fitzek schon vor Jahren angenommen. Jetzt wurde der Roman «Das Joshua Profil» für das Fernsehen verfilmt. Wie Regisseur Jochen Alexander Freydank seine Arbeit heute sieht, wo der Film punktet und wo nicht, verrät unsere große Kritik.

Cast & Crew

  • Darsteller: Torben Liebrecht, Lina Hüesker, Armin Rohde, Franziska Weisz, Inez Bjørg David, Max Hopp,Arnd Klawitter, Torsten Michaelis, Kristina Klebe, Tino Mewes, Katy Karrenbauer
  • Autor der Literaturvorlage: Sebastian Fitzek
  • Autor: Jan Braren
  • Regie: Jochen Alexander Freydank
  • Produzent: Jörg Winger
  • Produzentin: Henriette Lippold
  • Kamera: Wolf Siegelmann
  • Schnitt: Oliver Lanverman
  • Musik: Ingo Ludwig Frenzel
  • Szenenbild: Florian Langmaack
  • Produktionsleitung: Thomas Rohde
  • Produktion: UFA Fiction
Was würde passieren, wenn Organisationen, Verbecher oder der Staat die Kontrolle über den eh schon völlig gläsernen Bürger übernehmen? Solche Szenarien wurden zuletzt häufiger in verschiedenen Geschichten durchdekliniert. Erfolgs-Autor Sebastian Fitzek war einer der ersten davon, der sich der Überlebung hingab, was passieren würde, wenn Künstliche Intelligenz berechnen könnte, wie Menschen handeln. In ähnlicher Form agierten die Autoren von «You are Wanted», wenngleich die Amazon-Serie mit Matthias Schweighöfer in Konsequenz auf etwas anderes hinaus wollte als der Fitzek-Stoff.

Parallelen sind aber nicht zu verleugnen. Fitzeks Roman „Das Joshua Profil“ war nach Veröffentlichung 2015 ein Renner. Der Großteil der Kunden-Bewertungen ist hervorragend. Dass Fitzek den Nerv einer breiteren Masse trifft, ist auch den Sendern nicht verborgen geblieben. Gerade die Privaten suchen dieser Tage vermehrt nach Crime- und Thriller-Stoffen, um den erfolgreichen Öffentlich-Rechtlichen in diesem Punkt das Feld nicht ganz allein zu überlassen. RTL hat sich daher die Rechte an zwei Fitzek-Romanen gesichert. Neben schon beschriebenem «Joshua-Profil», der an Karfreitag als TV-Version den Anfang macht, wurde auch «Passagier 23» für das Fernsehen adaptiert.

Der Event-Movie, in der Hauptrolle mit Torben Liebrecht besetzt, beginnt harmlos. Liebrecht, der schon in einem der zurückliegenden RTL-Movies (so viele gibt’s ja nicht) mitspielte, nämlich im «Duell der Brüder», ist ein Autor auf der Suche nach Erfolg. Max Rhode, so der Name des Schreiberlings, kommt nach Hause in seine heile Welt. Doch bald ist die gar nicht mehr heile, seine pubertierende Adoptiv-Tochter liegt regungslos im Bett, man hat ihr KO-Tropfen verpasst und Rhode sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, sich an ihr vergangenen zu haben.

Eine geheimnisvolle Organisation, die in einem dunklen Raum aus Betonwänden sitzt, stets schwarz trägtund offenbar (!) wenig Gutes im Schilde führt, beobachtet das Geschehen haargenau. Wohin wollen sie den ungescholtenen Familienvater treiben? Im Film jedenfalls beginnt eine sich ziehende Flucht – immer weg von Polizei und anderen, die in Rhode eine Gefahr sehen.

Auf dieser Flucht lernt Rhode auch Kurierfahrerin Frida kennen, die er kurzzeitig als Geisel nimmt. Zwischen den beiden entsteht dennoch eine nicht zu verleugnende Chemie. Warum Frida Gefallen an Max findet und für ihn, anders als seine Ehefrau, im Verlauf des Films zur Vertrauensperson wird, lässt die TV-Version des Stoffes aber leider aus. Es ist nicht die einzige Stelle, an der das Buch erkennen lässt, dass es sich nicht ohne schmerzhaftes Weglassen von eigentlich relevanten Details in einen 105-Minuten-Film quetschen lässt.

Regisseur Jochen Alexander Freydank, Oscarpreistrräger für «Spielzeugland», sagte zu Quotenmeter.de: „Eine Buchadaption, und das war nicht meine erste, muss natürlich auch weglassen können. Und auch, weil wir ja auch noch mit dem Roman „Die Blutschule“, den Sebastian Fitzen unter dem Namen Tom Rhode geschrieben hat, eine Vorgeschichte dieses Filmes haben, war das nicht einfach. 105 Minuten aus zwei Romanen. Doch gerade die Dinge, die im ersten Roman passieren, haben uns sehr geholfen, das Drehbuch zu entwickeln.“ Autor Fitzek selbst möge das Ergebnis sehr. Deutlich wird das „Weglassen“ auch später, als der Bruder von Max eine größere Rolle spielt – mehr soll dazu noch nicht verraten werden ... Mehr Zeit und somit mehr Tiefgang bei der Figurenführung wären hier ungeheuer wertvoll gewesen – vor allem im Fall des heruntergekommenen Cosmo, dessen Kindheit zu einer gewaltigen Persönlichkeitsstörung führte und der im RTL-Film zu lange lediglich als irgendwie „verwahrlost“ dargeboten wird.

Die Zeit, die der Film in seiner Mitte verplempert, wäre am Ende gut investiert gewesen. Die Produktion entschied sich aber eher für ausführlichere Fluchtsequenzen – eine kreative Entscheidung, die zum Stil der Produktion durchaus passt. Es geht hier nicht um eindrucksvolle Charakterstudien, sondern um größtmögliche Spannung, auch wenn diese manchmal mit dem Holzhammer hergestellt wird.

Für die großen und mächtigen Bilder hat bei der Produktion niemand Geringeres als Jochen Alexander Freydank gesorgt, vor knapp zehn Jahren durfte er immerhin einen Oscar für einen Kurzfilm entgegennehmen. 2017 produzierte er mehrere 90-Minüter aus dem Krimi-Genre, darunter auch die Auftaktfilme zum neuen «Barcelona-Krimi» im Ersten. Seine Handschrift wird auch im RTL-Film überdeutlich. Er verortet die Geschichte ganz klar im schönen Berlin. Als der köstliche Anwalt Toffi (Armin Rohde mal nicht als Schurke) auf der Terrasse seines Büros seine Turn-Übungen abhält, darf der Zuschauer einen herrlichen Blick über das sommerliche Berlin bis hin zum Fernsehturm werfen. Freydank genoss nicht nur die Arbeiten mit Armin Rhode und dessen Figur ("Ich liebe es grundsätzlich, wenn man miteinander am Set Sachen dazu entwickeln kann und auch auf gegenseitige Vorschläge reagiert. Wir haben ein paar schöne Sachen am Set zu der Rolle dazu gebaut. Aber natürlich ist es wie bei jeder Figur. Man muss wissen, wo sie steht, die Figur, dann kann man auch improvisieren. Spaß hat’s gemacht."), er wollte unbedingt auch einen „Berlin-Film“ aus dem „Berlin-Roman“ machen.

Es sind helle Farben, quasi das blühende Leben, das zelebriert werden muss. Geht es um „die Organisation“ und das Programm, das angeblich vorhersagen kann, wann wer ein Verbrechen begeht, wechselt der Films ins Düstere: Einzig die großen Monitore leuchten; ansonsten ist das Set kahl ausgestattet und die Darsteller sind dunkel gekleidet. „Ästhetisch wollte ich raus, aus dieser bei Thrillern oft üblichen Bildsprache, alles schön dunkel, alles schön neblig. Und, ich wollte die zwei Welten also die des Überwachten und die der Überwachenden verbinden. Da haben wir ein paar Bilder gefunden und überraschende mit CGi entstandene Übergänge geschaffen, die bei der Voraufführung des Films echt ein paar Leuten sehr positiv aufgefallen sind. Aber grundsätzlich sollte sich CGI und Visualität der Geschichte, dem Plot und den Figuren unterordnen“, sagt Freydank.

Es ist ein einfaches Mittel, so mit den Farben zu spielen – sicher aber ein effektives. Die gute Auflösung der Geschichte lässt ein bisschen darüber hinweg sehen, dass den Film während seiner Laufzeit durchaus das Schicksal der späten Geburt ereilt. Gut drei Wochen ist es her, als sich «Wilsberg» schon mal mit dem Thema rund um Precrime-Softwares befasste – wie gefährlich Daten-Spionage und –preisgabe sein kann, konnten Amazon-Kunden schon vergangenen Sommer erleben. Fitzek war hier fraglich Vorreiter mit seinem Buch, nur neben nicht in TV-Form.

Wer sich also in der Welt von Lukas Franke, der Hauptfigur von «You are Wanted», nicht wohl fühlte, der darf an Karfreitag getrost das RTL-Programm meiden. Wem es um Spannung, gute Bilder, eine schöne Atmosphäre geht, der ist beim ersten Fitzek-TV-Film durchaus richtig. Und echte Fitzek-Fans kommen eh auf ihre Kosten; nicht nur, weil der Max-Rhode-Roman „Die Blutspur“ (der in echt erschien) ständig vorkommt, sondern auch, weil Fitzek selbst zu Beginn des Films eine kleine Gastrolle als Bibliothekar übernommen hat.

RTL zeigt «Das Joshua Profil» an Karfreitag, 30. März 2018, um 20.15 Uhr.
28.03.2018 17:53 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/99936