Wenn Tim Taylor wieder hämmert: Vom Heimwerkerkönig zum Dünnbrettbohrer?

Tim Allen will neue Folgen seiner Erfolgssitcom «Hör mal, wer da hämmert» drehen. Doch ist der 90er-Quotenerfolg überhaupt noch zeitgemäß?

Tim Taylor, der Heimwerkerkönig, meldet sich zurück, um seinem Serienvermächtnis einen Anbau zu spendieren. Jedenfalls, wenn sein Darsteller Tim Allen seinen Willen erhält. Denn wie Tim Allen kürzlich gegenüber 'ET Online' erklärte, ist er sehr daran interessiert, seine Erfolgssitcom «Hör mal, wer da hämmert» zurückkehren zu lassen. Er habe bereits mit einigen seiner früheren Ko-Stars gesprochen und zumindest manche von ihnen seien interessiert. Der nächste Schritt wäre, einen Sender (oder eine Streamingplattform) für dieses Vorhaben zu gewinnen.

All zu schwer dürfte das wohl nicht sein. Die «Full House»-Fortsetzung «Fuller House» gehört zu den größten Erfolgen unter den Netflix-Eigenproduktionen. NBC holte mit seiner «Will & Grace»-Weitererzählung gute Quoten. Die neuen «Akte X»-Episoden kommen nicht schlecht an. Und «Twin Peaks» ist zwar mit seiner neuen Season weit davon entfernt, seinen früheren Status als großes Phänomen zu reinstallieren, erfreut sich aber an einer eifrigen Fanbase. Wieso sollte mit «Hör mal, wer da hämmert» nicht auch eine der populärsten Sitcoms der 90er-Jahre fortgeführt werden? Nun, Serienfans und Branchenbeobachter diskutieren derzeit eifrig über diese Frage. Denn die Beantwortung ist kniffliger als man(n) auf dem ersten Blick denken könnte.

Die Sache mit der Vielfalt


Die Film- und Fernsehbranche hat ein Diversitätsproblem. Die Anzahl an Serien und Filmen, die weiße Heteromänner als Fokus haben, ist, gemessen an der Wirklichkeit, vollkommen überproportional. Zwar findet schleichend eine Veränderung statt, doch es ist noch ein weiter Weg zurückzulegen. Da sind die ganzen Reboots und Revivals von Serien und Filmen, die den bereits massig bedienten Blickwinkel auf die Welt weiter bedienen, nicht gerade förderlich.

Gleichzeitig: Es ist nicht unbedingt der effizienteste Ansatz, ein «Hör mal, wer da hämmert»-Revival allein mit dieser Begründung aufzuhalten. Das erinnert ein wenig daran, wie vor wenigen Jahren «Interstellar» im Online-Diskurs zerpflückt wurde, weil er der x-te Film ist, der davon handelt, wie ein weißer Mann die Welt rettet – obwohl vor, während und nach der «Interstellar»-Auswertung zig andere solcher Filme unbehelligt von der Kritik angelaufen sind.

«Interstellar» zum Sündenbock zu machen, half, Aufmerksamkeit für ein existierendes Problem zu wecken. Aber dieses Vorgehen bot keinen Lösungsansatz. Das Problem ist nicht die Existenz eines Films wie «Interstellar», genauso, wie neue «Hör mal, wer da hämmert»-Episoden an und für sich kein Problem wären. Das Problem ist, dass Christopher Nolan und Tim Allen ohne größeres Widerstreben Filme respektive Serien machen können, in denen sie sich repräsentiert sehen, während zig andere talentierte Menschen wegen Äußerlichkeiten keine entsprechende Chance erhalten. Das Ärgernis ist das System, nicht ein einzelnes Projekt.

Ein Mann will die Welt verstehen


Auf dem Papier klingt «Hör mal, wer da hämmert» dennoch nach einem Projekt, das Teil des Problems ist. Zumindest für Uneingeweihte. Wer nie auch nur eine einzelne Folge gesehen hat, wird schließlich mit diesem Grundkonzept konfrontiert: Tim Taylor (gespielt von Tim Allen), Fernsehmoderator, Autonarr und Chaos-Heimwerker, ist der sportverrückte, von Männer-Power träumende, mäßig gebildete Familienvater, der ständig mit seiner Frau im Clinch liegt. Ach, der Arme …

In der Umsetzung ist «Hör mal, wer da hämmert» aber bei weitem nicht die Scheuklappen tragende Männerserie, nach der sie klingt. Tim und seine Gattin Jill sind (an 90er-Sitcom-Maßstäben gemessen) nuanciert geschrieben. Er mag zwar die Interessen eines typischen "Alphamännchens" haben und, wie viele Sitcom-Väter, nicht sehr belesen sein. Aber anders als ein Doug Heffernan ist Tim als normaler Mensch funktionsfähig: Beim Heimwerkern schießt er gerne übers Ziel hinaus und macht Flüchtigkeitsfehler, aber wenn er sich reinhängt, bringt er Dinge zustande, die einige Heimbastler vor Neid erblassen lassen würden. Und selbst wenn er Alleinunterhalterqualitäten hat, ist er (anders als etwa Homer Simpson in späteren «Die Simpsons»-Staffeln) kein Vollhorst, der ohne Frau alsbald verhungern, verdursten oder sich im Haus hilflos verlaufen würde. Ebenso wenig ist Tim ignorant gegenüber anderen Standpunkten – wird er erstmal aufgeklärt, ist er willens, zu verstehen. Jill wiederum entspricht durchaus dem Archetyp der belesenen und empathischen Sitcom-Mutter, ist aber weder das meinungslose Heimchen am Herd, noch die widerborstige Spielverderberin, sondern eine mehrdimensionale Persönlichkeit, die sich auch mal widerspricht und fähig, das zu erkennen.

Anders als viele männerzentrische Sitcoms aus der Ära, der auch «Hör mal, wer da hämmert» entsprungen ist, gibt das Skript bei Ehezwistigkeiten häufiger der Gattin als dem Ehemann Recht – denn die Serie dreht sich darum, dass ein wohlmeinender, jedoch mit beschränktem Horizont ausgestatteter Typ dank seiner Frau, seinem Arbeitskollegen und seinem Nachbarn lernt, sich in die Position anderer hineinzuversetzen. Das ist zwar weder die Lehrbuchdefinition von Originalität, noch das progressivste, was das Fernsehen zu bieten hat. Aber «Hör mal, wer da hämmert» ist eine sehr positiv aufgestellte, unterhaltsam geschriebene Serie, deren Grundidee auch ins Heute passt – gibt es doch immer viele Leute wie Tim Taylor, die ein bisschen Händchenhalten brauchen, um zu lernen, welche Fehltritte sie gelegentlich begehen.

«Last Man Standing»


Stellt sich nur die Frage: Könnten neue «Hör mal, wer da hämmert»-Episoden diese Leistung wiederholen oder gar ausbauen? Hier betreten wir selbstredend den Bereich der Spekulation – aber die Indizien wecken Bedenken. Zunächst: Earl Hindman, der Darsteller von Tims Nachbar Wilson, ist 2003 gestorben. Und somit die gebildete, geduldige Stimme, die den Serienprotagonisten in seiner Entwicklung emsig vorangetrieben hat. Ohne einen Wilson kann «Hör mal, wer da hämmert» einfach nicht funktionieren – es gehört zum Serienkonzept und ist essentiell darin, das Format auf tonalem Kurs zu halten. Klar: Eine Fortsetzung könnte Wilsons Position neu besetzen – aber wie, ohne unglaubwürdig, ideenlos und forciert zu wirken? "Oh, Tims neuer Nachbar ist fast genauso wie sein alter" genügt da nicht.

Darüber hinaus darf angezweifelt werden, ob der Willen besteht, in neuen «Hör mal, wer da hämmert»-Folgen die Tendenz der Originalstaffeln fortsetzen und sie konsequent an heutige gesellschaftliche Fortschritte anzupassen. Denn Tim Allen wird sich als treibende Kraft hinter einer Reunion sicher nicht das Heft aus der Hand nehmen lassen. Und Allen hat sich in jüngeren Jahren vom «Hör mal, wer da hämmert»-Tenor hinweg entwickelt. Seine letzte Sitcom, «Last Man Standing», verfolgte einen konservativeren Ansatz. In «Hör mal, wer da hämmert» war Tim Taylor stets gewillt, dazuzulernen. «Last Man Standing» erzählt dagegen vom einzigen Mann in einem Frauenhaushalt, der sich daher bemitleidet hat und sich ernstlich fragt, wo denn die ganzen wahren Männer geblieben sind. Hinzu kam der pro-republikanische Tenor der Serie, der in der Ära Trump aus einer unterhaltsamen Sitcom endgültig ein strittiges Politikum machen würde.

Allen beklagt seit der Absetzung des Formats, er würde wegen seiner politischen Haltung in der Branche geschasst – da ist es schwer zu glauben, dass ein «Hör mal, wer da hämmert»-Revival nicht zu einem "So, jetzt erst recht" wird Doch vielleicht tut man Tim Allen mit dieser Befürchtung Unrecht. Vielleicht wird er bei einem Comeback der Serie auch sinnbildlich erneut zu Tim Taylor, dem Heimwerkerkönig.

Die Antwort würden wohl allein neue Folgen der Serie geben. Unklar ist nur: Ist es das Risiko wert? Wollen wir den Werkzeugkasten öffnen und aus Schrödingers Heimwerkerkönig eine konkrete Antwort machen? Wenn er bester Gesundheit ist und «Hör mal, wer da hämmert» würdig fortführt, schön! Doch anderweitig besteht die Gefahr, rückwirkend den Glanz einer bei allem Erfolg noch immer unterschätzte Sitcom zu dämpfen …

Neue «Hör mal, wer da hämmert»-Folgen? Na, das finde ich ...
... super. Mehr Power!
70,9%
... mies. Die Serie würde heute nicht mehr funktionieren.
29,1%
20.03.2018 14:26 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/99760