«Das Traumschiff»: Über ein schwimmendes Fossil

Das «Traumschiff» stellt uns ein triefend seichtes Universum an weltfremder Romantik vor – und ist trotzdem eine der besseren eskapistischen Fernseh-Reihen. Zielort diesmal: Los Angeles.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Sascha Hehn als Kapitän Viktor Burger
Heide Keller als Beatrice
Nick Wilder als Dr. Sander
Harald Schmidt als Oskar Schifferle
Lena Stolze als Sabine
Janina Fautz als Sophie
Annika Schrumpf als Carina
Ellenie Salvo Gonzalez als Clara
Jan Sosniok als Ralf

Hinter der Kamera:
Produktion: Polyphon Film und Fernseh GmbH und von Brunn Media
Drehbuch: Jac Dueppen, Jan Schröter, Martin Wilke und Jochen S. Franken
Regie: Stefan Bartmann
Kamera: Marc Prill
Produzent: Harro von Brunn
Es ist ehrlich erstaunlich, mit welcher Ernsthaftigkeit das «Traumschiff» heute noch seine Geschichten erzählen kann, als wäre nicht nur das Fernsehen, sondern die ganze Welt vor über dreißig Jahren stehengeblieben, und als sei dieser Stillstand das Normalste überhaupt.

Zu Kapitän Burger (Sascha Hehn) gehen diesmal unter anderem Ralf (Jan Sosniok) und seine Teenager-Tochter Sophie (Janina Fautz) an Bord, die dort auf Ralfs Bruder Christoph (Herbert Ulrich) treffen, der ihnen seine neue Flamme Clara (Ellenie Salvo Gonzalez) vorstellen will. Die hat Ralf aber unverhofft schon ein Stündchen vorher in der Bord-Boutique kennengelernt und mit ihr kräftig geflirtet – zum ersten Mal seit dem elenden Krebstod seiner Partnerin vor drei Jahren, dass er sich zu einer Frau hingezogen fühlt. Das Dreiecksdrama kann beginnen, während gleichzeitig Ralfs Vaterqualitäten gefragt werden: Sophie hat nämlich ihren ersten Boyfriend, den sie über diverse Social-Media-Kanäle nicht aus den Augen lassen will. So viel Aktualität muss sein.

Auch Sabine (Lena Stolze) und ihr Pflegekind Nico (Remo Schulze) sind aufs Schiff gegangen, weil Nico in Amerika eine Stuntschule besuchen möchte, für die ihm aber noch zehntausend Dollar fehlen. Gut, dass die Beiden Carina (Annika Schrumpf) kennenlernen, die mal eben so fünfstellige Beträge für Schmuck ausgibt und in Los Angeles vielleicht aus Laune eine Villa kaufen will. Geldsorgen sind ihr so fremd wie dem Traumschiff die Angst vor Eisbergen. Und trotzdem ist sie eigentlich sehr unglücklich: Ihre Mutter hat die Familie verlassen, als sie noch sehr klein war, ihr Vater jettet beruflich ständig durch die Welt und hat nie Zeit für sie. Wäre doch gelacht, wenn Sabine und Nico nicht mit familiärer Nestwärme einspringen könnten – und Carina mit ihren üppigen finanziellen Mitteln. So viel Kapitalismus muss sein.

Chefstewardess Beatrice (Heide Keller) denkt derweil übers Aufhören nach. Unter Pseudonym hat sie ein Buch geschrieben, das nicht nur der als belesen-intellektuell geführte Oskar Schifferle (Harald Schmidt) genüsslich verschlingt, sondern das auch reißenden Absatz und das Interesse amerikanischer Filmstudios findet. Vielleicht wird das hier ihre letzte Reise, damit sie sich danach voll und ganz dem Schreiben widmen kann.

Die Welt des «Traumschiffs» ist seit jeher weit von jedweder durchschnittlichen Lebensrealität entfernt. Sie ist eine Welt der Freiheit von Zwängen, der unbegrenzten Möglichkeiten, in der ein guter Ausgang jedes Problems nie zur Disposition steht, sie ist also: eine Welt der Romantik par excellence, und damit unweigerlich eine Welt des Eskapismus. Gleichzeitig ist sie sich jedoch ihrer Haltung bewusst: Die Reihe weiß, dass sie eine Illusion zeigt, dass sie einfach strukturierte Antworten auf diffuse Fragen gibt und keiner ernsthaften erzählerisch-künstlerischen Ambition nachgeht.

Im Sinne seines dezidierten Nichtfortschritts wirkt das «Traumschiff» archaisch, bisweilen reaktionär, wie ein altes Relikt aus einer anderen, homogeneren, heteronormativeren Gesellschaft, die heute so nicht mehr existiert. Doch die Geschichten bleiben universell, sie waren schon zu den Anfangszeiten so überkandidelt, so unrealistisch, so naiv-verträumt und eskapistisch, dass die Diskrepanz zwischen «Traumschiff» und Realität heute wohl nur unmerklich größer ist als damals.

Mit dieser radikalen Verträumtheit, diesem schonungslosen Willen zu einer unrealistischen Romantik und dieser unbedingten Abwesenheit jedweder Ironie entzieht sich die Reihe auch mit ihrer neuen Folge eigentlich jedweder Kritik. Ihre Ambition bleibt unverblümt naiv, vielleicht auch infantil, aber diese Naivität ist nur die Projektion einer Sehnsucht, die so tatsächlich existiert. Gleichzeitig ist das «Traumschiff» eines der ganz wenigen Formate, dem es gelingt, diese Sehnsucht erfolgreich zu bedienen, ohne unredlich zu werden, ohne falsche oder unbotmäßig simplifizierte Antworten auf eigentlich komplexe (gesellschaftliche) Fragen zu geben. Das «Traumschiff» kennt seine Domäne, und weiß, dass es eigentlich nichts Wesentliches zu sagen hat. Den Umstand, dass sich das Format durch diese Selbsterkenntnis nie an Wichtigem verhebt, kann man ihm wohlwollend zugutehalten. Wenn man will.

Das ZDF zeigt «Das Traumschiff – Los Angeles» am Montag, den 1. Januar um 20.15 Uhr.
01.01.2018 00:02 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/98095