«Dynasty»: Schmutzige Geschäfte, gut geölt

Knapp 30 Jahre nach dem «Denver Clan» kehrt die Soap bildgewaltig zurück. Ob man das Konzept in die Moderne übertragen konnte, lest ihr in unserem Review.

Cast & Crew «Dynasty»

  • Creators: Sallie Patrick, Josh Schwartz, Stephanie Savage
  • Darsteller: Elizabeth Gillies, Nathalie Kelley, James Mackay, Robert Christopher Riley, Sam Adegoke u.a.
  • Regie (Pilot): Brad Silberling
  • Ausf. Produzenten: Richard Shapiro, Esther Shapiro, Stephanie Savage u.a.
  • Produktion: CBS TV Studios für The CW
Ganz am Anfang ist er da, der Blick in die Gegenwart: Bilder von Trump, von Sensationsnachrichten, von Schlagzeilen. Die Welt verändert sich rasant, will man sagen. Doch manches bleibt gleich, über Jahrhunderte oder Jahrzehnte. «Dynasty» meint dies gleich zweifach: auf inhaltlicher und konzeptueller Ebene.

Inhaltlich betrachtet ist die Story schnell da, wo sie vor knapp 30 Jahren aufhörte: beim Carrington-Clan und beim Magnaten Blake Carrington, dem Immer-Noch-Besitzer einer lukrativen Ölfirma, die die Familie steinreich gemacht hat. Daran hat sich bis heute nichts geändert, wie wir schnell feststellen. Doch Blakes Tochter Fallon darf sich endlich berechtigte Hoffnungen auf die Nachfolge als Firmenboss machen – glaubt sie zumindest. Bis sie spontan im Büro ihres Vaters aufkreuzt, der gerade Sex mit einer seiner Mitarbeiterinnen hat. Gestatten: Cristal Flores, Blakes Verlobte und zukünftige Frau an der Spitze des Öl-Unternehmens. Fallon traut ihren Augen nicht, als sie dieser neuen Realität ins Auge blicken muss. Schon bald schmiedet sie Pläne, sich als Geschäftsrivale ihres Vaters aufzustellen. Dabei hilft ihr Blakes langjähriger Erzfeind, der Öl-Magnat Jeff Colby.

Ein paar kosmetische inhaltliche Änderungen gegenüber dem Original von 1981 gibt es: Für Blake ist die Homosexualität seines Sohnes Steven kein Thema mehr, stattdessen eher seine Liberalität. Die Grundkonstellation bleibt also gleich: Steven ist auch diesmal das „schwarze Schaf der Familie“, wie er selbst beteuert. Schauplatz des Öl-Imperiums ist nicht mehr Denver in Colorado, sondern Georgia im Bundesstaat Atlanta. Auf Figurenkonstellationen und die größere Geschichte haben solche Änderungen kaum Auswirkungen.

«Dynasty»: Die nächste Neuauflage, bitte


Verändern will diese Serie auch gar nicht viel: Zahlreiche konzeptuelle Soap-Klischees finden ihren Weg in diese Neuauflage. Es gibt den allwissenden Butler, der seine Informationen zur Erpressung einsetzt; den Charakter, der hinter der Tür Gespräche belauscht; die reiche Frau, die eine geheime Affäre mit dem Chauffeur hat und – traditionell gesprochen – Standesgrenzen überwindet; es gibt den Bitch-Fight und natürlich auch die große Explosion mit einem Toten. Die Atmosphäre des trashigen Melodrams, die den «Denver Clan» in den 80er Jahren so erfolgreich machte, findet sich auch hier in Teilen wieder. Davon abgesehen funktioniert die Story grundsätzlich für jeden, der Interesse an Soaps findet: Diese Neuauflage ist kein Fan-Service, sondern kann völlig ohne Vorkenntnisse geschaut werden.

Ob aber gerade Neuankömmlinge das klassischen Soap-Konzept begeistern kann, ist ungewiss. Dahinter steht die grundsätzliche Frage, ob alte TV-Konzepte auch nach Jahren oder Jahrzehnten noch funktionieren. Jedenfalls wird die Liste gescheiterter Remakes aktuell immer länger, darauf stehen auch große Soap-Namen wie «Dallas» oder «Melrose Place». Oft wird ein berühmter Name ausgeschlachtet, für gute Einschaltquoten und viel Aufmerksamkeit am Anfang. Bei «Dynasty» funktionierte aber noch nicht einmal das: Schon die zweite Folge hatte in den USA weniger als eine Million Zuschauer, das ist selbst für den kleinen Sender The CW schlecht.

Die Zuschauer haben also mit der Fernbedienung abgestimmt. Dass der Erfolg ausbleibt, liegt aber vermutlich weniger am klassischen Konzept und den Genre-Klischees. Sondern eher an einem Problem, das unabhängig ist vom Revival-Charme: Keine der «Dynasty»-Figuren hat so etwas wie sensiblen Tiefgang, das Ensemble strahlt allenthalben charakterliche Kälte aus. Bei einigen Figuren ist dies traditionell so gewollt, wie bei Patriarch Blake. Doch wenn der Antipol fehlt, wenn das Korrektiv fehlt, dann wirkt diese Hochglanz-Soap schnell unsympathisch und steril. Da hilft es auch kaum, dass die schauspielerischen Performances zu überzeugen wissen – allen voran bei Grant Show als Blake Carrington und bei Alan Dale als zwielichtigem Butler Anders.

Harte Schale, harter Kern: «Dynasty» ist die nächste lieblose Neuauflage, die ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht wird.

«Dynasty» startet in Deutschland im Laufe des Jahres bei Netflix.
22.10.2017 12:00 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/96615