Zwischen Völkermord und gebrochenen Herzen: «The Promise»

Er wurde bereits als einer der schlechtesten Filme aller Zeiten gehandelt. Doch die Geschichte dahinter ist genauso tragisch, wie die Handlung von «The Promise» selbst.

Filmfacts: «The Promise»

  • Kinostart: 17. August 2017
  • Genre: Drama/Romanze
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 133 Min.
  • Kamera: Javier Aguirresarobe
  • Musik: Gabriel Yared
  • Buch: Terry George, Robin Swicord
  • Regie: Terry George
  • Darsteller: Oscar Isaac, Charlotte Le Bon, Christian Bale, Daniel Giménez Cacho, Tom Hollander, Shohreh Aghdashloo, Jean Reno
  • OT: The Promise (ESP/USA 2016)
Innerhalb der Spezies der Hardcore-Fans ist die Anzahl der Hellseher besonders groß. Anders ließe es sich zumindest nicht erklären, weshalb Liebhaber ausgewählter Franchises oder Regisseure (Stichwort: Christopher Nolan) Filme regelmäßig bis aufs Blut gegen Kritik von außen verteidigen, ohne den Film überhaupt gesehen zu haben. So ist man es ja gerade bei Produktionen der Comicgiganten Marvel und DC gewöhnt, dass schon lange vor Kinostart die Wertungen auf entsprechenden Online-Portalen in die Höhe schnellen; leidenschaftlichen Fans der einen oder anderen Seite sei Dank. Das neueste Werk von Regisseur und Drehbuchautor Terry George («Hotel Ruanda») geriet aus exakt diesem Grund in die weltweiten Schlagzeilen. Sein Historien- und Liebesdrama «The Promise» erlebte allerdings keinen überraschenden Höhenflug auf der Bewertungsplattform IMDb, sondern wurde zum Opfer einer Hetzkampagne türkischer Internettrolle, die ihn dort zeitweise sogar zu einem der schlechtesten Filme aller Zeiten machten; das Resultat daraus, dass rund 70.000 Leute dem Film die niedrigste Wertung – einen von zehn Punkten – gaben.

Während sich Stars wie Leonardo DiCaprio und Elton John vehement für die Aufführung des Films aussprechen, sieht der Teil der türkischen Bevölkerung «The Promise» nicht gern, der noch heute, 102 Jahre nach dem Verbrechen, davon ausgeht, den Völkermord an den Armeniern hätte es nie gegeben. Terry George war sein Projekt eine Herzensangelegenheit, doch ein wenig enttäuscht entlässt er sein Publikum letztlich schon. Ist «The Promise» doch in erster Linie eine üppig ausgeschmückte Liebesgeschichte.

Konstantinopel 1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges


Die einst so lebendige und multikulturelle Hauptstadt des Osmanischen Reiches droht im Chaos zu versinken – und mit ihr der begabte Medizinstudent Michael (Oscar Isaac). Als die attraktive Künstlerin Ana (Charlotte Le Bon) an der Seite ihres Geliebten, dem amerikanischen Fotojournalisten Chris Myers (Christian Bale), aus Paris eintrifft, verliebt er sich Hals über Kopf in sie. Verbunden durch ihre gemeinsamen armenischen Wurzeln entfacht zwischen Ana und Michael eine unbeschreibliche Anziehungskraft, der Beginn einer leidenschaftlichen Liebe. Doch schnell werden sie von der harten Realität des eskalierenden Krieges eingeholt und müssen aufgrund eines drohenden Genozids auf der Flucht bald nicht nur füreinander, sondern auch ums nackte Überleben kämpfen.

Zweitmeinung von Sidney Schering

Der Ansatz, das dunkle Geschichtskapitel des Genozids an Armeniern während des Ersten Weltkrieges mit einer tragischen Liebesgeschichte zu verschränken, ist nur auf dem ersten Blick abgedroschen. Dutzende von wichtigen Geschichtskapiteln wurden durch die Verquickung einer (oft fiktiven) Romanze begreifbar gemacht. Regisseur/Autor Terry George versucht mit «The Promise», ein Ungleichgewicht zu beheben, indem er eine oft unter den Teppich des Verschweigens gekehrte Begebenheit genau so anpackt, wie schon viele andere zuvor.


Dennoch stolpert «The Promise» zuweilen über die eigenen Füße. Wenn der hervorragende Oscar Isaac in den dreckig-ergreifenden Bildern des Kameramanns Javier Aguirresarobe die Grausamkeit der Ereignisse unmittelbar erkennt, ist dies eindrucksvoller als die nach Lehrbuch konstruierte Dreiecksbeziehung, welche das genreaffine Publikum zuvor (und danach) durch ihre Austauschbarkeit zu distanzieren droht. Die an historischen Begebenheiten orientierten Szenen sind dank der passionierten Umsetzung aber genug, um die schwächeren Momente aufzuwiegen – wenn man dem Film denn eine Chance gibt.
Der Genozid an den Juden im Zweiten Weltkrieg ist der Inhalt unzähliger verstörender Kriegsdramen, während der systematischen Vernichtung der Armenier durch die Türken im Ersten Weltkrieg wiederum bislang kaum cineastische Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Da wirkt es fast zynisch, dass ausgerechnet die beiden bislang erfolgreichsten respektive bekanntesten, sich dieser Thematik annehmenden Filme aus Deutschland kommen: Die vom NDR produzierte Dokumentation «Aghet – Ein Völkermord» erhielt 2010 diverse nationale Film- und Fernsehpreise (darunter auch den Grimme-Preis), kam aber nie ins Kino, während Fatih Akins «The Cut» von der Kritik mit gemischten Gefühlen aufgenommen und an den Kinokassen mit Ignoranz abgestraft wurde. Trotzdem schaffte es Akin in die Programme der Filmfestspiele von Venedig und Hamburg; immerhin Achtungserfolge.
Vorgeworfen wurde ihm zum damaligen Zeitpunkt in erster Linie die sperrige Umsetzung eines noch weitaus sperrigeren Themas.

Ein Vorwurf, den sich «The Promise»-Regisseur Terry George mit Sicherheit nicht anhören muss. Ganz im Gegenteil. Sein Film befasst sich zwar permanent mit den Ängsten der Bevölkerung, ausgehend von den brachialen Methoden, mit denen die Türken einst gegen die Armenier vorgegangen sind. Doch direkt in den Fokus rückt er die Brutalität und das Schüren von Furcht nur selten.
Stattdessen ist es in erster Linie die Dreiecks-Lovestory zweier Männer und einer Frau, die trotz der brisanten Zeiten versuchen, eine Lösung für ihre amourösen Probleme zu finden.

Gefühlskino im ganz großen Stil


Was fast schon abgedroschen klingt, beginnt zunächst einmal vielversprechend. Kameramann Javier Aguirresarobe («The Finest Hours») gelingen opulente Bilder eines über alle Maße exotischen Settings, in denen es sich schwelgen lässt, noch bevor man als Zuschauer überhaupt realisiert hat, in welchem Jahr sich «The Promise» abspielt. Zu Beginn erinnert die Geschichte nämlich noch an ein klassisches Abenteurerporträt, irgendwo zwischen «Die versunkene Stadt Z» und «Der Medicus», über einen jungen Mann, der auszog, um in der Fremde Medizin zu studieren. Es macht Spaß, Hauptfigur Michael dabei zuzuschauen, wie dieser sich erfolgreich durch erste Medizinvorlesungen schlägt, auf Partys fremde Menschen kennenlernt und mit der wunderschönen Malerin Ana anbandelt (eine dramatische Fallhöhe ob der Tatsache, dass Michael in der Heimat ja eigentlich eine Verlobte hat, gibt es übrigens nicht – dafür ist von Anfang an zu sehr ersichtlich, dass dieses Paar einander überhaupt nichts verbindet). Auch den Tonfall vom heiteren Abenteuer hin zum dramatischen Kriegsfilm lassen die Macher nur langsam kippen. Kleinigkeiten wie eine Diskussion zwischen Journalist Chris und anwesenden Türken und Deutschen, oder die plötzlich auftretende Beklemmung, als Michael droht, nach einer Ausreise nicht wieder ins Land einreisen zu können, wirken wie bedrohliche, sich sukzessive häufende Nadelstiche in einem ansonsten so harmonischen Setting, das sich noch früh genug zur hoffnungslosen Tragödie entwickeln wird.

Michaels furchtbares Schicksal nimmt seinen Lauf, als er von Konstantinopel schließlich in ein Arbeiterlager gebracht wird und dort ums nackte Überleben kämpfen muss. Fortan verläuft die zweite Hälfte von «The Promise» weitaus hektischer; wie von Station zu Station kämpft sich Michael dorthin zurüück, wo er ursprünglich herkam, hier aber ebenfalls nicht bleiben kann. Parallel dazu zeigt der Film, wie Ana um ihre verlorene Liebe kämpft, während ihr Mann Chris – von Christian Bale («American Hustle») äußerst ambivalent angelegt – als Journalist dazu beitragen will, dass die Kriegsverbrechen über Landesgrenzen hinaus an die Öffentlichkeit gelangen. Die Sehnsucht nach einander und der Konflikt, dass sowohl Ana, als auch Michael anderweitig vergeben sind, bestimmen in «The Promise» einen Großteil der emotionalen Zuschauerinvolvierung. Nur vereinzelt lässt Terry George tatsächlich Kriegsschauplätze und –Bilder für sich sprechen, um Gräuel beim Zuschauer auszulösen. Etwa wenn in wenigen Szenen ein Arbeiterlager zum Schauplatz auserkoren wird, oder Michael verzweifelt versucht, einen Gefangenentransport zu befreien.

Ansonsten bremst ausgerechnet die Liebesgeschichte das Geschehen immer wieder aus, denn den Protagonisten scheint es teilweise gar absolut unwichtig, was um sie herum vonstatten geht – nichts wiegt schwerer, als ein gebrochenes Herz. Immerhin den Darstellern nimmt man diese theatralische Gefühlsduselei ab: Oscar Isaac («Star Wars: Das Erwachen der Macht») und Charlotte Le Bon («Bastille Day») ergeben ein wundervolles Leinwandpaar.

Fazit


Mit sichtbar viel Herzblut aber wenig Mut inszeniert Terry George mit „The Promise“ ein konventionelles Kriegsdrama, das nach und nach von einer plakativen Liebesgeschichte dominiert wird. Immerhin: Mit den beiden Liebenden lässt es sich gut mitschmachten – Oscar Isaac und Charlotte Le Bon spielen toll.

«The Promise» ist ab dem 17. August in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
17.08.2017 10:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/95148