Wir lieben Fernsehen: Shows, die wir uns zurückwünschen

Vier Redakteure, vier Sendungen, die das deutsche Fernsehen einst bereichert haben und die nun sträflich vermisst werden.

Manuel Weis wünscht sich zurück: Die Reality voller Verrat


Was waren diese 19 Folgen für ein Spaß! Über 15 Jahre ist es her, dass sich ProSieben an eine deutsche Version der Action-Show «De Mol», hierzulande «Der Maulwurf», traute. Das Prinzip der Sendung ist total einfach erklärt: Mehrere Menschen gehen gemeinsam auf Abenteuer-Tour. In Staffel eins durchreisten die Teilnehmer Frankreich, ein Jahr später waren die Kanaren Austragungsort von spannenden Spielen, wie Rafting-Touren, Radrunden oder Bungee-Sprüngen. Grundsätzliches Ziel der Gruppe: Die Aufgaben erfolgreich bestehen, um somit den Gesamtgewinn zu erhöhen. Aber: Ein Kandidat wurde von der Produktion eingeschleust, um zu sabotieren. Er ist der Maulwurf. Und die anderen müssen ihn enttarnen. Jeweils am Ende einer Folge gilt es, 20 Fragen zum Verräter zu beantworten. Ist er ein Mann oder eine Frau? War er in Team gelb oder blau? Der Kandidat, der am wenigsten über den Maulwurf wusste, schied aus.

Dass die Sendung damals 2000 und 2001 nicht funktionierte, ist ebenso verständlich wie unverständlich. «Der Maulwurf» ist vom Konzept eine der spannendsten TV-Ideen der 90er. Sie wurde hierzulande auch ansprechend umgesetzt, aber völlig falsch platziert. Staffel eins lief samstags und sonntags um 18 Uhr – und das im Hochsommer über einen Zeitraum von rund einem Monat. Klar, dass da keine richtige Zuschauerbindung entstand. Staffel zwei lief dann zwar nur sonntags, aber wieder im Sommer und wieder um 18 Uhr.

Umso schöner war es, vor einigen Monaten zu hören, Constantin würde für die ProSiebenSat.1-Gruppe eine Neuauflage (leider wohl mit Promis) planen. Da die Gruppe aber schnell dementierte und seitdem nur noch wenig bis gar nichts von neuen Maulwürfen zu hören war, steht zu befürchten, dass diese prima Spielidee ausgerechnet in einer Zeit, in der Action-Shows auf dem Vormarsch sind, doch wieder in der Mottenkiste landet. Dabei hätte doch gerade ProSieben in diesen Tagen das ein oder andere "unique" Format dringend nötig…

Manuel Nunez Sanchez wünscht sich zurück: Das Quiz, das auf dem Kopf steht


Als Freund gelungener Quiz- und Gameshows fühlte sich die Daytime aller größeren deutschen Fernsehsender eine ganze Zeit lang äußerst karg an, bis zumindest Das Erste um 18 Uhr eine neue regelmäßige Heimat für überwiegend schöne bis grandiose Formate dieses Schlags fand. Leider schon erheblich früher, nämlich in schlimmsten "Todeszonen-Zeiten" zwischen Juli 2012 und März 2013, versuchte sich der Sender mit dem Ratespaß «Null gewinnt», der in wöchentlicher Ausstrahlung am Freitag um 18.50 Uhr eigentlich von vornherein dem Quotentod geweiht war.

Insgesamt 27 Ausgaben lang bemühten sich Dieter Nuhr und Ralph Caspers erfolglos darum, das Publikum für ein Konzept zu begeistern, das als eine Art moderne «Familienduell»-Interpretation mit höherem Anspruch beschrieben werden kann: Drei Kandidatenpaare versuchten sich nämlich daran, auf eine Frage mit mehreren richtigen Lösungen diejenige zu finden, die zwar richtig ist, aber im Zuge einer im Vorfeld durchgeführten Befragung von niemandem genannt wurde. Das Konzept basiert ähnlich wie «Gefragt - Gejagt» auf einem Format aus Großbritannien, das dort unter dem Titel «Pointless» bereits seit acht Jahren erfolgreich läuft.

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...zeigt das ZDF ab 17. August, donnerstags um 20.15 Uhr.
Und obgleich die deutsche Version noch die eine oder andere Schwäche aufwies - etwa, dass der Zuschauer mühsam in den Teletext oder ins Netz schauen musste, wenn er mitraten und die Punktzahl für seine eigene Antwort finden wollte -, machte «Null gewinnt» eigentlich Lust auf mehr. Leider war ihm aber kein guter Sendeplatz vergönnt, sodass es monatelang kaum mehr als eine Million Zuschauer erreichte und schließlich nach einem guten halben Jahr heimlich, still und leise aus dem Programm herauskomplimentiert wurde. Heute ist die Sendung so gut wie vergessen, die Marke für eventuelle andere Interessenten verbraucht und damit die Hoffnung auf eine Rückkehr so gut wie geschwunden.

Fabian Riedner wünscht sich eine oft vermisste Show zurück


Wir haben uns für diesen Artikel eigentlich die Vorgabe genommen, keine offensichtlichen Antworten wie etwa «Schlag den Raab» oder die «100.000 Mark Show» zu nehmen. Doch ich muss gegen diese Regel verstoßen, denn die Ulla-Kock-am-Brink-Show aus dem niederländischen Riesenstudio packte mich schon als Kleinkind. Unvergessen blieben die Übernachtungen mit dem Bruder und den RTL-Showabende bei der Großmutter – zu dritt fieberten wir mit, ob der richtige Code für den Tresor gewählt wurde. Die Sendung hatte alles: "The Final Countdown" trällerte es beim Eröffnungsspiel, bei dem ein Paar gleich auf der Strecke blieb. Dafür konnte das zweitplatzierte Pärchen noch einmal ein Auto gewinnen. Mit aufwändigen Spielen, dem heißen Draht und dem Wassertank baute man sich geniale Unterhaltungselemente. Für das große Finale musste man die zehn-teilige Zylinderbar reduzieren. Denn nur einer dieser Codes öffnete die Tür zu den 100.000 Mark.

Auch visuell war «Die 100.000 Mark Show» phänomenal. Das Logo bestand aus einer Deutschen Mark, die auf der einen Seite mit dem Kopf von Ulla Kock am Brink beschriftet war, auf der anderen Seite das gedruckte Logo. Mit der Neuauflage vor rund zehn Jahren wurde das gesamte Konzept mit den Füßen getreten. Das haben auch die Zuschauer gemerkt und die Sendung ignoriert.

Sidney Schering wünscht sich zurück: Das wahre Fernsehquiz der Superlative


Um die Jahrtausendwende herum waren deutsche Fernsehsender im Quizfieber – auf der Erfolgswelle von «Wer wird Millionär?» schossen Ratesendungen wie Pilze aus dem Boden. Und sie vergifteten den Boden der deutschen Fernsehlandschaft für Shows anderer Genres. Aufgrund des Quizhypes gingen Klassiker wie «Geld oder Liebe» zu Grunde. Aber es war nicht alles schlecht am Quizshow-Overkill, der uns einige TV-Juwelen kostete und diverse kurzlebige Frage-Antwort-Spielchen bescherte. Er brachte auch ein Quiz mit sich, das liebend gern im Rahmen des heutigen, neuen (und zum Glück bislang noch vergleichsweise gemäßigten) Ratebooms wiederbelebt werden darf: «Einundzwanzig»!

Wer die Sendung nie gesehen hat oder sich einfach nicht mehr erinnert: «Einundzwanzig» ließ zwei Kandidaten in einer Art Wissens-Blackjack gegeneinander antreten. Sie sitzen in schalldichten Kabinen und bekommen ein gemeinsames Themengebiet mitgeteilt. Jeder von ihnen darf nacheinander wählen, wie schwer die Frage ist, die ihm gestellt wird – gewertet wird auf einer Skala von einem Punkt bis elf Zählern. Eine korrekte Antwort bedeutet, dass entsprechend viele Punkte gutgeschrieben werden, und wer in weniger Zügen auf 21 Punkte kommt, gewinnt das Duell, erhält eine Preissumme und darf zum Wissensduell gegen einen neuen Herausforderer antreten. Theoretisch konnte man also unendlich viel Geld gewinnen.

Der Reiz an «Einundzwanzig» war, dass die Redaktion bei der Gestaltung der Fragen nicht im Geringsten zimperlich vorging – «Gefragt – gejagt» ist harmlos im Vergleich dazu, was bei «Einundzwanzig» in den höheren Wertigkeiten von den Teilnehmern verlangt hat. Dadurch ist das «Einundzwanzig»-Konzept eines, das mehr als die meisten etablierten Quizshows seinen Kandidaten nicht nur Wissen, sondern auch Taktik und das zügige Einschätzen des Kontrahenten erfordert. Egal ob davor oder danach: Nie fesselte mich ein TV-Quiz so sehr wie «Einundzwanzig».

Basierend auf der NBC-Quizsendung «twenty-one» (die zum Brennpunkt eines legendären TV-Skandals wurde, den Robert Redford im Drama «Quiz Show» genial verarbeitet hat), kam dieses Spielprinzip bereits von 1958 bis 1969 ins deutsche Fernsehen – und zwar unter dem Titel «Hätten Sie’s gewußt?». Die etwas staubige Aufmachung dieser Variante würde heute wohl kaum noch funktionieren. «Einundzwanzig» dagegen verpackte die Idee in ein Design, das ungebrochen in die heutige TV-Ästhetik passen würde. Galante Flächen der Dunkelheit, dezente Lichtsetzung. Nur Moderator Hans Meiser würde nicht mehr funktionieren – die Grundidee war aber fein: Die Show braucht einen etwas älteren Moderator, der Lebenserfahrung ausstrahlt und der dennoch eine junge Energie der Begeisterungsfähigkeit mitbringt. Meisers Folge für Folge euphorisch gen Kamera gerufener Begrüßungssatz "Das ist … Einundzwanzig!" liegt mir noch immer im Ohr. Vielleicht kann Thomas Gottschalk das genauso gut seinen Stimmbändern entlocken?
16.08.2017 09:43 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/95141