«Noch Fragen?»: Ja. Eine Frage hätten wir: Was sollte das Ganze?

Ein Sommerloch-Showkonzept oberster Güteklasse: «Noch Fragen?» füllte mehr als drei Stunden der ProSieben-Primetime mit einer völlig ideenlosen Wissensshow.

ProSieben bewarb seine neue Primetimeshow «Noch Fragen? – Die Antwortshow» unter anderem mit einem TV-Trailer, der aus einer Abwandlung des berühmten «Sesamstraße»-Songs "Wer, wie was? Der, die das! Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm!" bestand. Dieser Spot ist, mal ganz polemisch dahingestellt, das cleverste und konzeptionell stringenteste an der ganzen Sendung. Denn die mit einer ausgiebigen Sendezeit von mehr als drei Stunden versehene Sendung unter Moderation von «Galileo»-Mann Aiman Abdallah geht kaum noch als Unterhaltungsshow durch – viel mehr ist es eine Aneinanderreihung von künftigen YouTube-Clips ohne jegliche Dramaturgie und mit einem geistigen Nährwert, der für eine Wissenssendung betrüblich niedrig ausfällt.

Die Grundidee hinter «Noch Fragen – Die Antwortshow» ist … Fragematerial für eine weitere Folge, sollte ProSieben diesem Konzept tatsächlich eine zweite Chance geben. Abdallah und sein aus «ran» bekannter Kollege Florian "Schmiso" Schmidt-Sommerfeld begrüßen in einer Sofarunde, die sich in einem großen TV-Studio befindet, sieben Prominente: Die Schauspielerinnen Esther Schweins und Jana Pallaske, die Schauspieler Thomas Heinze und Antoine Monot, Jr., den Komiker Ingmar Stadelmann sowie das Model Elena Carrière und Musiker Tim Bendzko.

Und, ja, da fällt die Sendung bereits allmählich in ihre Einzelteile – so, als hätte die Konzeptionsphase für dieses Format, das ProSieben seit Monaten fertig produziert in der Schublade bereit hält, aufgrund von Hitzefrei oder ähnlichem vorzeitig ein Ende gefunden. Denn die Prominenten sitzen mal mehr, mal weniger motiviert in dieser Runde und stellen Wissensfragen an ihre Kollegen, hinter denen ein bedauernswertes Saalpublikum seine Zeit absitzt. Die anderen Promis stammeln sich was zusammen oder Antworten gelegentlich auch einfach gar nicht. Antoine Monot, Jr. versucht gelegentlich, mit «Genial daneben»-haften Scherzantworten die Moral zu heben. Dann beten die Fragenstellenden die Lösung herunter.

Es sei denn, sie kommt in Form eines kurzen Erklärvideos oder eines Studioexperiments (wie etwa: Spiegelsäubern mit Rasierschaum und Spiegeleibraten auf einer Tageszeitung) daher. Dann stellt ein anderer Promi im gespielten "Was ich euch schon immer mal fragen wollte …"-Tonfall seine Frage – zwischendrin melden sich die Moderatoren oder die wenig Eindruck hinterlassende Dr. Angela Halfar zu Wort. Das war es. Es gibt keine Punkte, kein Preisgeld, keinen Wettstreit – nicht einmal einen Aufhänger wie "Promis beantworten Zuschauerfragen und erklären so die Welt" oder "Wir vertuschen, dass wir «Genial daneben» kopieren wollen".

Wie man's hätte machen können ...

Es muss ja nicht immer um den guten Zweck gespielt und ein Wettkampf heraufbeschworen werden – aber "Promis stellen sich Fragen" kann nicht drei Stunden lang lustlos vor großer Kulisse abgespult werden. Diese Alibiidee eignet sich vielleicht für ein 50-Minuten-Format mit Jürgen von der Lippe, das in einer detailreichen, heimeligen Kulisse gefilmt und nachts in einem Dritten Programm geparkt wird – und wo die Promis frei von der Leber quasseln.
Mini-Vorschlag von Sidney Schering
Und so plätschert die Antwortshow vor sich hin, ohne innere Dramaturgie (die Fragen sind zwar in Wissenskategorien unterteilt, aber das ist eine arbiträre Ordnung) und ohne Ziel. Aber mit gelegentlichen Nintendo-Soundeffekten, wenn zum Beispiel die Fragen eingeblendet werden. Der Informationsgehalt der Sendung ist äußerst überschaubar – neben Kuriositäten wie dem besagten "Kann man ein Spiegelei auf einer Zeitung braten?" gibt es sehr viele «Sendung mit der Maus»-Alltagsfragen wie "Warum werden schwarze Flächen so schnell heiß?" und "Warum sind Computertastaturen nicht alphabetisch angeordnet" sowie «Galileo»-Füllmaterial wie "Schmeckt Fleisch vom Holzkohlegrill anders als vom Gas- und Elektrogrill?". Die Erklärungen sind akkurat, aber oberflächlich und sehr auf Effizienz gebürstet.

In Miniclips von eineinhalb bis fünf Minuten zerschnitten lässt sich «Noch Fragen?» wunderbar auf YouTube oder der ProSieben-Webseite weiterverwerten, und gewiss werden einige von ihnen in Zukunft von Leuten, die sonst nichts während einer zehnminütigen Bahnfahrt oder in der Kaffeepause zu tun haben, als Langeweilekiller konsumiert. Doch ganz davon abgesehen, dass es informativere und passionierter erstellte Wissensclips im Netz gibt – primär ist «Noch Fragen?» noch immer eine Fernsehsendung. Und als solche fällt das auf XXL-Showformat aufgeblasene Krümelchen an Konzept brutal durch.
14.07.2017 00:40 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/94427